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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schliepmann, Hans: Von der Welt-Ausstellung in Chicago, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0274

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Seite (58.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Gktober-Lfeft.

der ^Melt- Wusstelluttg in Mhieago.

von pans Schliepmann. — IV. —

Wand- und Decken-Verzierungen — Kamine — Wöbet — Treppenhäuser —

Innen -Dekvraiivn.

he ich auf die Betrachtung der Kunstgewerbserzeugnisse auf der Aus-
stellung übergehe, soweit sie für die „Zeitschrift für Innen-Dekoration"
von Interesse sind, habe ich noch einige weitere Einzelheiten ameri-
kanischer Dekorationsweise zu erwähnen und diejenigen Innen-
räume zu würdigen, welche von anderen Nationen hergestellt wurden, wobei gleich-
zeitig die Ausstattung mit Möbeln in Betracht zu ziehen ist.

Bezüglich der Wand- und Deckenbehandlung möchte ich noch die folgenden
Punkte hervorhebeu, weil sie sich zur Weiterbildung bei uns gerade bei minder
aufwändiger Dekorationsweise vorzüglich eignen dürften.

Da die Tapete — glücklicherweise muß man sagen bei Weitem nicht
so herrschend wie bei uns ist, so hat man versucht, außer durch Malerei dem Putz
auch noch auf andere weise eine gewisse Belebung zu geben. Als Kuriosum mag
zunächst ein stumpf blauer Raum im Staatsgebäude von Dakota erwähnt sein,
dessen Färbung durch auf den nassen putz aufgestreutes zermahlenes schillerndes
Silbererz hergestellt ist! Sternförmig eingedrückte Kristall- und Bleiglanzstücke geben
eine originelle Musterung. Minder seltener und nachahmenswertster erscheint die
vielfach auftretende Technik, den noch weichen putz, meist nur am Räude über dem
Sockelpanneel, mittelst eines weitzähnigen Kammes zu verzieren. Mit großer
Geschicklichkeit werden aus freier pand durch Drehung des Kammes in dem sehr
glatten Gipsmörtel spiralförmige Figuren erzeugt, die allmählich in die glatte
Fläche verlaufen. Lin späterer Anstrich wird ganz flüssig aufgebracht, so daß er
sich fast nur in den Vertiefungen festsetzt und die eigentlich ja formlose, jedoch
grisailleartig sehr hübsch wirkende Musterung nach unten immer dunkler zur Geltung
kommen läßt. Zuweilen sind ganze Decken mit diesen einfachen Spiralmustern
bedeckt, die der sonst ganz schmucklosen Fläche ein gar nicht übles Liistre geben.
Das Panneel fehlt selten und wird fast überall gleich dem übrigen polzrverk ohne
unsere abgeleierten Kehlstöße profilirt, so daß es kräftig und wirklich holzartig,
nicht wie Putzarchitektur wirkt. Seltener findet man ein Panneel aus Linkrusta-
walton oder Papiermache, die aber beide mit trefflicher Wirkung zuweilen auch
als Deckenbekleidung auftreten. Bildet eine Borde statt einer Holzleiste die Be-
grenzung des Linkrustapanneels, so ist erstere stets als Bandmuster ausgebildet,
niemals als gemaltes Holzprofil, wie es unser sinnloser Schlendrian fast
durchweg mit tödtlicher Sicherheit hinpinseln würde.

Minder ungetheilte Anerkennung verdienen die Kamine. Die Scheu des
Amerikaners vor verwickelteren Formen läßt ihn eine einfache viereckige Feuerstelle
mit meist ganz flacher breiter Umrahmung bevorzugen. Gft besteht diese Umrah-
mung nur aus kleinen Glasurziegeln von schmalen Profilen beiderseits eiugerahmt;
nur wenige Zimmer zeigen reichere Majolikaflächeudekoration, noch seltener findet
sich um diese herum noch ein reicherer Holz- oder Steinaufbau. Auch die Metall-
einsätze sind weniger gefällig als bei uns, so daß im Allgemeinen der Kamin zu
ungefüge und zu groß erscheint, zumal in den Lmpfangsräumen das Mobiliar —
nicht nur in der Ausstellung, sondern durchgehends — fast nur aus Sitzmöbeln und
Tischen, etwa noch einem piano oder Flügel oder Harmonium, besteht.

Auch diese Möbel sind von überraschender Einfachheit. Aber sie haben zwei
außerordentliche Vorzüge: man sieht ihnen an, daß sie zum Sitzen gemacht sind,
daß alles Streben dahin ging, den Zweck voll und ungekünstelt zu erfüllen, und
sie zeigen die gesundeste Technik. Der Amerikaner will heimisch in seinen
Räumen sein, ja — im vertrauen — er will seine langen Glieder rücksichtslos
beqnem hin„räkeln", ohne befürchten zu müssen, sxillerige eingeleimte Rokokostuhl-
beinchen zu zerdrücken. Deshalb ist aber auch jeder Stuhl wirklich auf den
Menschenleib zugeschnitten, sodaß er ein Labsal für den Körper wird und allein
durch seine Form zum Sitzen einladet. Und das ist gewiß zugleich Schönheit,
Schönheit von Innen heraus. Und da eben auch die Technik nichts zu wünschen
läßt — meist beschränkt sie sich auf gebogene Bretter und gedrehte Stäbe, erstere
in unauffälliger aber entschieden feinsinniger Weise durch flachgehaltenes Schnitz-

werk verziert — so sind die amerikanischen Sitzmöbel schlechterdings mustergültig
trotzdem sie selten als feinere Tischlerarbeit zu bezeichnen sind. Solche findet sich
überhaupt auf der ganzen Ausstellung nur bei Pianogehäusen vertreten; sind doch
die Stühle meist nicht einmal polirt, sondern nur lackirt. Ungemein beliebt und
von vortrefflicher Behandlung, dabei nie knarrend, wie bei uns häufig, sind „Korb-
möbel", denen dann durch eine aufgelegte gestickte Decke oder ein Kissen zur Be-
quemlichkeit jeder Grad von Eleganz gegeben werden kann. Bemerkt muß noch
werden, daß die so einfach möblirten Räume keineswegs langweilig aussehen, wenn
sie auch nicht die lauschige Eigenart eines der wenigen wirklich künstlerisch ausge-
statteten Zimmer haben. Dies liegt daran, daß fast jeder Stuhl anders geformt
ist und daß mit großer Geschicklichkeit verschiedene Gruppen, recht zum Plaudern
geschaffen, hergestellt sind.

Ehe ich die Staatengebäude verlasse, werfe ich noch einen Blick auf die
Treppenhäuser, auf die der Amerikaner mit Recht vielen Werth legt. Merk-
würdiger Weise aber begehen sich fast alle Treppen für unsere Gewohnheit schlecht.
Die Stufenauftritte sind im verhältniß zur Steigung zu kurz. Nicht einmal die
Freitreppen der Ausstellungspaläste ersteigen sich bequem. Wohl aber ist im Uebrigen
die polzarbeit eine ganz vortreffliche, namentlich sind die Geländer stets so gestaltet,
daß sie den Blick fesseln, während man bei uns bekanntlich längst nicht mehr Lust
hat, darauf hinzusehen, ob die Geländerdocke — meist die Fratze eines Stein-
balusters— so oder so gezeichnet ist; es bleibt eben doch Fabrikdutzendwaare. Die
amerikanischen Geländer sind viel holzgerechter, wirkungsvoller und dabei billiger.
Sie sind aus dem einfachen Stabe konstruirt, entweder nur gedrechselt, wobei dann
häufig durch verschiedene Stellung irgend eines hervorstechenden Knopfes oder
Würfels eine Musterung über die ganze Stabreihe hinweg erzeugt wird, oder nach
Art japanischen Lattenwerkes aus wage- uud senkrechten Theilen zusammengesetzt;
seltener sind aus Brettern geschnittene Geländerstützen.

Läßt sich nach allem diesen von Amerika mancherlei lernen, so wird dieses
doch noch mehr von Europa, besonders von Deutschland aufzunehmen haben. Denn
zu unserem Glück haben wir alles verkehrte und pandwerksmäßige daheimgelassen
nnd nur das Beste, was bei uns geleistet wird, zur Ausstellung gebracht Ls wäre
ein unschätzbares Glück, sähe es im vaterlande überall so aus wie in allen deutschen
Ausstellungsräumen wir wollen aber vor Ueberhebuug sorgsam auf der But sein
und daran denken , daß nn Allgemeinen sehr, sehr viel an diesem Zustande fehlt
(siehe den „Nothrus des Kunstgewerbes"!). Das braucht uns aber doch die Freude
nicht zu mindern, daß wir drüben einen vollen Sieg fast auf der ganzen Linie
davongetragen haben. Namentlich in Bezug auf Inuen-Dekoration steht
Deutschland weit voran, ja, es ist eigentlich das einzige Land, das nicht nur
Kunstgewerbsgegenstäude zur Ausstellung gebracht, sondern auch vollständige Räume
veranschaulicht hat. Außerdem kommen nur noch England und Frankreich einiqer-
maßen in Betracht. Ersteres hat in seinem Regierungsgebäude eine Anzahl Parlors
geschaffen, die den amerikanischen sehr nahe verwandt sind; in der ungeheuren
Induftriehalle hat es außerdem eine Nachbildung in - s Naturgröße von der prächtig
spätgothischen Lanketthalle in patfield-pouse, dem Sitze des Marquis von Salisburv
als ein höchst vortreffliches Effektstück aufgebaut. Endlich ist eines der entzückendsten
Juwelen des gesummten Kunstgewerbes ein prachtvoll geschnitzter Pavillon aus
Vorderindien mit vollständiger kostbarster Einrichtung in der reichen fantasievollen
Formengebung des alten Wunderlandes.

Frankreich hat zwar bei seiner gesammten überaus glänzenden Ausstellung
im Industriegebände das Prinzip verfolgt uud zu durchschlagendem Erfolge gebracht,
die einzelnen Gewer >szweige in getrennten, ringsum geschlossenen Einzelräumen
zur ^chau zu ste en, aber diese Räume sind doch nicht eigentliche Jnnenräume,
sie verrathen me r als nöthig ihren provisorischen Aarakter und sind in ihrer Ge»
sammtheit le: er wir Deutsche könnten besser sagen: glücklicherweise — auch
als bloße ekorationssiücke nicht so auf der Höhe des Geschmackes, daß es sich
lohnte, mehr davon zu sagen. Auch in der Möbel-Abtheilung, die an Luxus-
gegenständen vielleicht die allerbesten Stücke der ganzen Welt-Ausstellung birgt,
sind keine eigentlichen Kojen geschaffen, sondern die Möbel, sehr zum Schaden der
Wirkung magazinartig zusammengedrängt. Nur im Frauengebäude ist ein durchweg
von weiblichen pänden (wobei ich mir jedoch ein bescheidenes Fragezeichen erlaube)
hergestelltes Prunkzimmer mit prächtigen Gobelins und reicher Rokoko-Ausstattung
 
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