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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Luthmer, Ferdinand: Keramik
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Statsmann, Karl: Was bedeutet eine Volkskunst, insbesondere für den Schmuck unseres Heims?, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0286

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Seite j62.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

November-Heft.

stehen, deren Grundstoff irgend eine Lrdart ist, und die dadurch ent-
stehen, daß dieser Grundstoff durch die Einwirkung des Feuers eine
materielle Aenderung erleidet, so werden wir, wie es ja tatsächlich in
der Museumskunde geschieht, neben der Töpferei aus Thon auch die
gesammte Glastechnik hineinrechnen müssen. Ueberschauen wir danach
nur mit einem schnellen Blick, was ein keramisches Museum in den
Areis seines Interesses zu ziehe» hat und lassen alles das abseits, was nur
zur Befriedigung ein-
fachsten Bedürfnisses
aus dem Brennofen
hervorgeht, also das
künstliche Baumaterial
aus gebranntem Thon,
den Ziegel, der seit
ältester Zeit überall
da den gewachsenen
5tein ersetzen mußte,
wo dieser nicht zu er-
langen war, und die
unendliche Menge ein-
fachster Gefäße, von
Blumenscherben bis
zum Wasserkrug.

Aus urältester Zeit
begrüßen uns die Funde
des Nilthales, denen
wir aus der überge-
lagerten Humusschicht
ein Alter von zehn-
bis zwölstausend Jah-
ren nachrechnen können
— die zu mannig-
fachstem Hausbedarf angefertigten Terrakotten, die Schliemann in Hissarlik
aufgefunden hat — die kunstvollen keramischen Reste der späteren
ägyptischen Kultur, die Gesäße, über deren Anfertigung auf der Dreh-
scheibe uns die Wandbilder der Grabkammern belehren, daneben jene
unendliche Fülle kleiner Schmuckgegenftände und Idole der alten Nil-
länder, deren prachtvolle farbigen Glasuren den Neid unserer heutigen
Töpfer Hervorrufen. Die Euphratländer senden uns jene herrlichen

Wandbekleidungen, deren leuchtende Glasurfarben nur auf den luft-
trockenen Ziegel aufgetragen sind, wie unermeßlich ist die Zahl der
edelgeformten Vasen, welche die griechisch-römische Kunst uns hinter-
lassen hat: als kostbarstes Gut wurden diese von Künstlerhänden ge-
formten und bemalten Urnen den Todten ins Grab mitgegeben, aus
dem sie heute in wunderbarer Erhaltung ans Tageslicht steigen. Neben
den Marmorgebilden des Skopas und jDraxiteles bewundern wir jene

kleinen Terrakotta-
Figuren griechischer
Künstler, welche der
Boden von Euböa und
Kleinasien uns schenkt;
sind sie doch von dem-
selben Lebenshauch
griechischen Schön-
heitssinns erfüllt, wie
jene! Und in den
Grenzgebieten des rö-
mischen Weltreichs ent-
steigen der Erde jene
Gefäße aus rother
Terra sigillata, die uns
Runde geben von einer
reichgegliederten Han-
delsthätigkeit, daneben
in den mit Legions-
stempeln versehenen
Ziegelplatten die un-
schätzbarenDokumente,
aus welchen wir die
Vertheilung der rö-
mischen Kriegsmacht
über das ungeheure Reich mit Sicherheit ablesen. Was uns aber an
Resten der Glasbläserkunst aus der Zeit der Welteroberer erhalten
ist, läßt nur staunen über eine Vollendung der Technik, die wir noch
nicht wieder erreicht haben: diese Millefiori, diese Goldgläser, die über-
fangenen und ausgeschliffenen Gläser der römischen Welt geben dem
heutigen Glaskünstler noch ungelöste Räthsel auf.

Und mit welchen Wundern uralter asiatischer Vfentechnik haben

Abbildung Nr. srs—S80. Erzrugnisso drp Gräfl. Harrach'I'rlzrn Glasfabrik, Neuwelt in Böhmen.

bedeutet eine ^Mvlkskunft,

insbesondere fnr den Scbnrnck nnseres Keims?

von Architekt Uarl Statsmann. (Schluß au-dem «kwber-h-f,.)

Form sollte ein Uleid sein für die neue Zeit, während
doch die Zeit selbst sich ein ihr passendes Uleid zu finden
hatte Mit der gleichen Gedankenlosigkeit macht man nach
Ableierung der' deutschen Renaissance-Motive Exkursionen nach der
italischen Renaissance, nach der französischen, englischen, amerikanischen
Uunst und nur eine gewisse politische Verbissenheit verhütete, daß wir
auch in Rußland Anleihen machten. Doch — seien wir nicht Geschichts-
fälscher: Selbst das russische Bauernhaus ist bei uns Mic geworden!
Weshalb indeß nicht das Gute von Außen nehmen? Nach der Ueber-
sättigung durch Barock und Rokoko sehnte man sich mit Recht wieder
nach Einfachheit und Natürlichkeit und was wunder, daß man das
Bauernhaus, wie es in allen Kulturländern des nördlichen Abendlandes
ausgebildet worden, als Grundlage nahm für eine traulichere Gestal-
tung der Wohnungen! Nennen wir diesen Zug der Kunst nur richtig
und rund einen demokratischen. Er spricht fürs Volk, aus dem Volke
und zieht den sonst gebildeter sein wollenden mit ins Volk hinein. Der
Bildungsunterschied ist heutzutage kein so sehr großer mehr zwischen
Einzelnen als es der Besitzunterschied ist. Die rechte Humanität, die
wir noch erwarten, der wir zustreben, wird auch noch den Ausgleich
bringen, daß auch der weniger Bemittelte, bei unverrückter Förderung
und Erhaltung unserer wirthschaftlichen Fortschritte unter Ausbildungen
technischer Vervollkommnungen zum Wohle der Menschheit, friedsamer
und bescheidener leben wird.

Eine thätige Mitarbeit an dieser Beseligung der Menschen zu

gemeinsamer und gemeinnütziger Thätigkeit würde eine Kunstübung sein,
welche von alle,» Volke verstanden und geliebt wäre, ähnlich wie die
Bauernkunst, aber deshalb besonders geschätzt, weil sie ganz aus unserer
Eigenart hervorginge und da wir einmal Deutsche sind, aus unserer
deutschen Eigenart, so ganz auf uns zugeschnitten und in sich vollendet,
wie es etwa die hellenische Kunst war. Man sagt: in Allem, was ein
Grieche that, war Grazie und Ebenmaß. Das lag an der ganzen
Drestur der Nkenschen. Gewöhnen wir unsere Kinder von früh auf an
schöne Formen, gesunden wir sie an Geist, Seele und Leib, dann kommen
wir ähnlich so weit. Indeß hats heute noch sowohl mit der Erziehung
der Kinder fürs Schöne, als für eine ordentliche körperliche Ausbildung
seine Sache. Die Gymnasien sind stets noch wie im Mittelalter der
Turnplatz des Geistes statt der vorwiegend des Körpers. Das alte
„Gymnasion" und seine Fühlung mit den großen Errungenschaften und
Forderungen unserer Zeit in Verkehr, ^Handel, Technik, sowie feiner
künstlerisch-ästhetischen Vorbildung im Zeichenunterricht ist gleich Null.
Zugestanden, daß man die Gymnasien für einzelne unexakte todte Ge-
lehrtenwissenschaften belassen solle, wäre es aber endlich an der Zeit,
alle anderen Schulen, also weitaus die größte Zahl derselben, für unsere
Zeit zu organisiren, eine Aufgabe, an die man kürzlich gedacht, die
man aber wieder vergessen hat.

In welcher Weise für eine Volkskunst vorbereitend gesorgt werden
kann, schon im Zeichenunterricht der Schule, in der Selbsterziehung und
im Hause des Einzelnen, derart, daß wir zwar nicht lauter Künstler
heranbilden, sondern Menschen mit offenem Herz und Sinn für alles
Schone, das sagt uns Schwindrazheim in einer eben erschienenen Schrift:
„Hie Volkskunst!" Er spricht für die Möglichkeit und Nothwendigkeit
der Einführung einer Kunst, welche das Volk selbst übt, zunächst im
Kunstgewerbe. Sein Ruf ergeht vornehmlich auch an die Frauen. Diese
 
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