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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Luthmer, Ferdinand: Wand-Bilder
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Hornig, Fr.: Geschmack und Stil
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0046

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Seite 22.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Februar-Heft.

Aufgabe die Akademien veranlassen, strenger als bisher in der Zu-
lassung zum Studium zu sein, sodaß die Halbtalente, die jetzt noch
unter den Hunderten sich zum Kunststudium Herandrängenden die Mehr-
zahl bilden, allmählich ausgeschieden werden, und nur die Zurückbleiben,
die wirklich den Beruf zu einer rückenstarken künstlerischen Persönlichkeit
in sich tragen.

Um diejenigen Elemente heranzubilden, die uns für unsere Zwecke
noth thun, scheinen dagegen die Kunstgewerbeschulen durchaus die ge-
eigneten Organe zu sein. Die oben angedeutete Rücksicht auf das sorg-
fältige Erhalten der künstlerischen Persönlichkeit ihrer Schüler fällt bei
ihnen naturgemäß fort und damit auch die dort berechtigte Abneigung
gegen die Routine. Za die letztere muß hier sogar ein Ziel des Unter-
richts bilden, wenn man unter derselben die sichere, unbedenkliche Lösung
der alltäglich dem Dekorationsmaler gestellten Aufgaben versteht. Warum
man unter diese Aufgabe nicht auch die menschliche Figur mit dem
zugehörigen Kostüm, Faltenwurf rc. aufnehmen sollte, ist um so weniger
einzusehen, als gewisse Schulen (wir nennen Dresden, Berlin, Prag,
Wien) ihr Programm schon nach dieser Richtung erweitert haben. Ein
näheres Eingehen auf die Gestaltung dieses Unterrichts liegt außerhalb
des Rahmens dieser Betrachtung. Nur soviel sei angedeutet, daß ein-
mal die Zeit, welche der junge Kunsthandwerker seiner Ausbildung
widmet, reichlicher bemessen werden müßte, und daß man von den so
herangebildeten dekorativen Figurenmalern keine selbständigen Kompo-
sitionen zu erwarten hat. was auf diesem Gebiete geschaffen wird,
kann die Anlehnung an vorhandene Meisterwerke oder an die kleinere
Farbenskizze eines selbständig erfindenden Künstlers nicht entbehren. Wir
finden diese Ansicht fast wörtlich unterstützt durch den Ausspruch Zakob
Burckhardt's, der wohl in dieser Frage als Gewährsmann gelten darf
(Ticerone, Basel ^860, S. 276): „Die Gattung als solche ruht haupt-
sächlich aus den Schultern einiger großen Historienmaler, deren Sache
sie auch in Zukunft sein und immer wieder werden wird. Alle bloßen
Dekoratoren, welches auch ihr Glück und ihre Keckheit sein möge,
können sie auf die Länge nicht fördern, ja nicht einmal auf der Höhe
halten; von Zeit zu Zeit muß der Historienmaler im Einklang mit
dem Architekten die Richtung im Großen angeben."

Ob unsere Zeit nun Aussicht hat, auf dem angegebenen Wege
zu dekorativen Figurenmalern und damit zu einer vermehrten Anwen-
dung des Figurenschmucks in unserer Wandmalerei zu gelangen? Das
hängt in letzter Linie doch wieder von Niemand Anderem ab, als vom
Publikum, wir befinden uns auch in dieser Frage wieder, wie so oft,
in der bekannten Zwickmühle von Wirkung und Ursache: das Publikum
läßt sich keine Wand-Bilder malen, weil keine Maler dafür da sind,
und die Dekorationsmaler verlegen sich nicht auf die Figurenmalerei,
weil das Publikum sie nicht verlangt! wer soll da mit der Besserung

anfangen? wir denken, das Publikum. Das, was die wirthe un-
serer „altdeutschen" wein- und Bierstuben längst riskirt haben, könnte
doch auch ein reicher Privatmann wagen: nämlich sich bei einem
Historienmaler Skizzen zu Wand-Bildern bestellen, und dieselben von
einem tüchtigen Dekorationsmaler zum Schmuck seines Salons, seines
Speise- oder Rauchzimmers ausführen lassen, wir sind überzeugt, daß
ein solches Vorgehen Nachahmung finden würde. Und mit der ver-
mehrten Nachfrage würden ganz von selbst immer mehr talentvolle
junge Dekoratoren sich auf diese besser bezahlte Art von Arbeiten ver-
legen. Die Kunstgewerbeschulen aber, die bisher noch keine Klassen
für figürliche Dekoration besitzen, würden sich beeilen, solche einzurichtcn,
und es könnte dann ganz von selbst kommen, daß alle jene Elemente,
die aus den Akademien zu spät die Ueberzeugung von der Unzuläng-
lichkeit ihres Talentes zu selbständigem Künstlerthum gewinnen, noch
zu guter Zeit ihre Ansprüche herabstimmen und auf den Kunstgewerbe-
schulen die Ausbildung zu einem moralisch und materiell befriedigenden
Lebensberuf suchten und fänden.

wschmack und -Mtil

von ch Hornig.

eschmack und Stil — jeder von Beiden ist eine Großmacht.
Erstere darf man vielleicht die bürgerliche, letztere die aristo-
kratische nennen, und naturgemäß hat letztere weniger Ver-
treter ins Feld zu schicken, als die befehdete Gegnerin. Ob man die
zwei Großmächte gerade feindliche nennen darf, ist nicht zu behaupten,
aber es liegt etwas wie erzwungener Friede zwischen ihnen, der bei
jedweder Gelegenheit den Bruch herbeisührt. Der Stil drückt den Sinn
für Kunst, die Auffassungsart eines ganzen Volkes oder eines ganzen
Zeitalters aus, welche durch die Tradition und dann vermöge ihrer
durchgreifenden Herrschaft allgemach zum festen Kunstgesetz geworden;
der Stil hat etwas Feudales, Konservatives an sich- Der Geschmack
dagegen wird stets etwas persönliches bleiben und wird immer, bald
mehr oder minder, von allerhand Äußerlichkeiten beeinflußt werden;
er zeigt sich stets bereit, sich gegen bestehende Gesetze aufzulehnen — er
hat sozusagen eine demokratische Ader. Er ist ein Freigeist, dem kein
durch ehrwürdiges Alter geheiligter Brauch unserer Vorväter theuer ist,
und er betrachtet den Stil als einen starrköpfigen Tyrannen, dem das
pulsirende Leben und das Verständniß für die Gegenwart mit all seinen
großen und kleinen Anforderungen fehlt. Zn der That, leicht und ke<ck
hingeworfen, scheint diese Behauptung nicht der Begründung zu entbehren,
aber näher betrachtet, muß doch wohl selbst der entschiedenste Gegner
der „Stil-Liebhaberei" zugeben, daß keiner der drei bei der Znnen-
Dekoration in Frage kommenden Stile so tyrannisch ist, um jede Regung.
 
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