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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schliepmann, Hans: Das Eisen in der modernen Wohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0154

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Juni-Heft.

Zlluftr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration,

Seite 89.

^as Mifen in der modernen ^Wohnung.

von Hans Schliepmann.

s ist noch kein Menschenalter her, daß von allen Metallen nur das Gold
salonfähig war — und dies, etwa am Spiegel- und Bilderrahmen
auftretend, war — falsch: Steinpappe oder Stuck mit Blattgold. Alle
übrigen metallischen Theile in
der Ausrüstung einer Wohnung wurden
sorgfältig be- und verkleidet, vor allem aber
das Eisen, geradezu ein „Prolet" für den
guten Geschmack von damals. Ganze Fuder
von weißer Delfarbe sind sicher verschmiert
worden, um das nützliche aber gemeine
Metall sin ein Tugend- und Unschuldskleid
zu hüllen, und der gemaßregelte Proletarier
hat sich fast stets dadurch gerächt, daß er
unter der Hülle rostete und so sein Dasein
durch abscheuliche braune Flecken und Kanten
wie mit dreistem Grinsen bewies.

Und wo es als richtiges Aschenbrödel
auftrat, am Ofen, namentlich dem „klassisch"
weißen Kachel- (Porzellan-) Ofen, da setzte
man, wenn man nur ein wenig auf „Feinheit"
gab, eine Messingthür vor seine Niedrigkeit,
deren feixendes blankes Gelb ja fast an der
Menschen höchstes Glück, das Gold erinnerte!

Das ist jetzt glücklicherweise sehr viel
anders geworden. Unsere Zeit, deren Ge-
schichte ja nach Bismarck durch Blut und
Eisen gemacht ist, hat dem letzteren Stoffe,
dem gewaltigsten Leiser des Menschen, auch
ästhetisch Gerechtigkeit angedeiheu lassen.

Nur, meine ich, noch nicht überall in gleichem
Maße. Hier ist man noch nicht weit genug,
dort schon zu weit gegangen, und es mag
deßhalb vielleicht nicht ganz nutzlos sein,
uns einmal nach der verwendungs- und
Behandlungsart des Eisens in der moderne»

Wohnung umznsehen. — vergegenwärtigen
wir uns zuvor noch flüchtig die für die
ästhetische und praktische verwerthung in
Betracht kommenden Eigenschaften des
Eisens. Seine Vorzüge sind Schmied- und
Lchweißbarkeit, Härte, Festigkeit und Politur-
fähigkeit (diese freilich nur beim Stahl von
höherem werthe). Polirter Stahl zeigt
dabei noch eine angenehme Eigenfarbe, die
sich bekanntlich durch „Anlassen" von Hell-
grau durch Blau und Braun bis zu schön
röthlichem Ton abwandeln läßt. Wenig
erfreulich wirkt dagegen die tiefdunkelgraue
Farbe des Guß- und Schmiedeeisens, be-
sonders bei körniger Oberfläche, deren größter
Mangel die leichte Vxydbildung, das Rosten,
ist. Auch djx schnelle Wärmeleitung, die
den unbehaglichen Eindruck von Kälte beim
Berühren veranlaßt, spricht für manche
Verwendungsart ästhetisch schädigend mit,
wie denn z. B. Tische und Stühle aus
Eisen nur dann zu wirklichen, „wohnlichen"

Innenraummöbeln werden könnten, wenn
alle mit dem Körper in Berührung kommen-
den Theile nicht metallisch sind. — Das
Rosien des Eisens zwingt dazu, überall wo
nicht Politur als möglicherund ausreichender

2chutz anwendbar ist, einen künstliche,, Schutz der Oberfläche herzustellen. Die
Naturgemäßeste Technik ist die des „Brennens", bei welchem dem Eisen durch Ein-
tauchen in Säuren bei Glühhitze eine widerstandsfähigere Oberflächeuschicht gegeben
wird. Diese Schicht hat eine nahezu gleichmäßige und schwarze Farbe. Mau hat
daher unversehens die Ansicht gewonnen, daß Schwarz die natürliche, so zu sagen
rechtmäßige Farbe des Eisens sei und streicht daher in neuerer Zeit „siilgemäß"
alles, was Schmiedeeisen vorstellen soll, auch wenn es nicht „gebrannt" ist, gewissen-

'Abbildg. 590. Pvrterl eines alten Ptaleizirelzaules

Ausgenommen und gezeichnet von Architekt Aarl -tatsmann.

Haft schwarz an. Hier ist ein erster Punkt, wo die ästhetische Kritik einzusetzen
hat. Zugegeben, daß im Allgemeinen Schwarz eine Farbe ist, die für Eisen recht
wohl paßt. Besonders geschmiedete Arbeiten, Gitter vor allem, enthalten so am

klarsten ihre Zeichnung, ohne daß sie durch
ihre Helle Farben den Blick beim Hindurch-
sehen verwirren. Aber es gibt Fälle, wo
die ästhetischen Rücksichten entschieden eine
Helle Farbe verlangen, und dann wird es
Aberglaube, daß inan Eisenwerk nun einmal
schwarz halten müsse. Dies tritt z. B. bei
den neuerdings mit Recht in Aufnahme
kommenden, sehr schön gestalteten schmiede-
eisernen Treppen ein. Wird hier alles Eisen-
zeug dunkel gestrichen — wie in monumentaler
Unschöuheit im Berliner Museum für Völker-
kunde, so entsteht ein ganz trostlos düsterer
Eindruck, der dem leichten Karakter der
Schmiedearbeit durchaus nicht entspricht.
Ein zweiter Fall ist der, daß Eisen gegen
dunkle Flächen steht und doch sichtbar sein
soll, wie z. B. bei den eisernen Liubauten
von Schaufenstern oder eisernen Frontstützen.
Hier, wie solches in einigen sonst trefflichen
Häusern der Kaiserstraße zu Frankfurt a. M.
besonders in Erscheinung tritt, fällt die
Stütze mit der dunklen Glasfläche im Tone
so nahe zusammen, daß man die architek-
tonische Gliederung schon aus kurzer Ent-
fernung gar nicht mehr wahrnimmt. Je
klarer aber das Gerüst erscheint, desto monu-
mentaler wirkt eine Architektur. Es kommt
hinzu, daß nach physiologischen Gesetzen ein
Heller Gegenstand auf dunklen, Felde größer
erscheint als ein dunkler auf Hellem Felde.
Bei der Schlankheit der Lisenproportionen
im Fassadenbau wird man also gut thun,
das Eisen durchaus hell zu halten, um das
Mißverhältniß zu den gemauerten Pfeilern
zu mindern. Was hier beiläufig von der
Außenarchitektur gesagt ist, findet nun auch
für die Innendekoration Anwendung. Bei
Innenräumeu, deren Lichtfluth stets erheblich
geringer ist als die im Freien, wirken schwarze,
besonders stumpsgehaltene Gegenstände leicht
düster oder roh. Durch theilweise Bronci-
rnngen — wie sie ja die schmiedeeisernen
Beleuchtungskörper oft in sehr geschickter
Weise zeigen — tritt dies weniger hervor;
immerhin sollte man wenigstens die Furcht
ablegen, dem Eisen auch einmal eine
I munterere Farbe zu geben. Anstrich bleibt
I doch immer Anstrich, d. h., auch er hat ein
Recht, einmal mit eigenem Karakter
j ästhetisch in die Erscheinung zu treten. Hier
sind daher mit besonderem Beifall die schönen
^ versuche anzuführen, das Eisen in ver-
! schiedcuen Tönen des Rostes anzustreichen.

> Nur muß mau sich dabei vor zu weitge-
I triebenem Naturalismus hüten, denn die
^ Eigenschaften des natürlichen Rostes, nament-
lich sein Abfärbeu und seine zerstörende

__,! ükraft, sind unserer Empfindung nicht

sympathisch; wird also die Ideenassociation allzu lebhaft herbeigeführt, so mischen
sich auch sogleich jene Unlustemxsindungen hinein, die uns der Rost erregt.

Aber diese Rosttöne sind auch nicht einmal die einzig denkbaren. Es liegt
gar kein Grund vor, den Anstrich des Lisenzeuges nicht nach rein malerischen
Gesichtspunkten dem Farbentone des Raumes oder des Möbels anzupassen, mit dem
das Eisen verbunden ist. Nöthig ist dabei nur, daß die Farbe nicht dick und speckig
aufgetragen wird, weil dadurch der sehnige Karakter des Eisens (es kommt hier

zu Lübeck.
 
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