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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Metzger, Max: Ueber das Entwerfen von Gitterwerken
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0207

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Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

August-Heft.

Teile ff8.

Zeder das

Kntwerfen von

von Max Metzger, Architekt.

niterwerkrn.

s mag auf den ersten Blick so scheinen, als ob nichts einfacher sei, als
das Entwerfen von Gitterwerken und verwunderlich Vorkommen, daß
man über dieses Thema einige Leiten vollschreiben kann. Ganz so
ist die Lache aber denn doch nicht. Naturgemäß wird vieles
Selbstverständliche dabei berührt oder angezogen werden müssen, was zum Schaden
aber niemals ist. Es hat ja
Jeder schon die Erfahrung I
gemacht, daß er nach den:

Lesen irgend eines interessan-
ten Aufsatzes sich verwundert
sagen mußte: was da drinnen
steht, ist etwas Altes, aber es
ist gut dargestellt. Der Ver-
fasser ist unbescheiden genug,
zu hoffen, daß man das Gleiche
wenigstens von seiner Arbeit
behaupten kann. Ls gibt viele
Gedanken in jedem Kopf, die
erst bestimmteGestaltung durch
die Lektüre ähnlicher präzi-
sirter bekommen.

Für das Entwerfen eines
jeden Gegenstandes — so auch
des Gitterwerkes — ist immer
der Gedanke: wozu dient
derselbe? maßgebend. Die
Formgebung mit dem Zweck
in Einklang zu bringen, bleibt
stets der oberste Lehrsatz. Daß
man geschmackloser weise oft
von demselben abgewichen ist,
darf für uns kein Beispiel sein,
wenn unsere Damen heutzu-
tage ein harmloses Vergnügen
daran finden, einen Holzlöffel
mit Brandmalereien und far-
bigen Bändern geschmückt, als
Tücher- oder Schlüsselbrett zu
benützen, so kann uns diese
Naivität höchstens ein Lächeln
abnöthigen. Nachahmens-
werth wird es niemals wer-
den. Die schönen Gelegen-
heitsgeschenke, wie das Streit-
axt-Thermometer, dieLlephan-
ten und Hunde mit Uhren in
den Bäuchen usw. verschwur-
den, Gott sei Dank, nach und
nach wieder aus den Verkaufs-
läden. Schuld an derartigen
Verirrungen hat ja in erster
Linie das kaufende Publikum,
dessen Geschmack durch Wort
und Schrift, durch Ausstel-
lungen uudBlldwerke vor allen
Dingen geschult werden muß.

Kehren wir zu unseren
Gitterwerken zurück! Der ^

Zweck derselben kann ein ver-
schiedener sein, wir unter-
scheiden darnach: Linfriedig- ^
ungsgitter, Brüstungsgitter, ^

Trexxengitter, Füllungsgitter.

Die Linfriedigungsgitter für
Gärten, Anlagen, Gräber,

Denkmäler rc. haben denZweck
des Abschlusses gegen unbe-
fugtes Betreten durch Men-
schen und Thiere. Dieser Zweck
bestimmt die Höhe und die Größe der Zwischenräume. Auch darin können wieder
besondere Rücksichten obwalten. Die Einfriedigungen kleinerer, nach der Straße zu
gelegener Vorgärten vor den Häusern hält man, beispielsweise, so luftig und durch-
sichtig wie möglich, weil der im Garten befindliche Garteuschmuck in hohem Grade
der Wirkung der Gebäude zu Gute kommt. Bei anderen Umschließungen ist diese
Durchsicht geradezu Erforderniß und zur Einfriedigung von öffentlichen Anlagen,
Beeten, Gräbern rc. dienen nur niedrige Einfassungen. Eine engere Stellung der
Geländerstäbe als absolut nothwendig, verbietet an sich nicht nur schon der un-
nöthige Materialverbrauch, sondern besonders eine Beobachtung, die jeder Spazier-
gänger macht, wenn nämlich die Sonne so steht, daß die Schatten der Geländer

Abbildung Nummer 62q> Fcnlkevgittelf rnis Spüillkl. Ausgen. v. Arch. B- Rammelmeper.

Engelsköpfchen, Konsolen rc. getrieben und zweiseitig bearbeitet.

auf die Trottoirs fallen, so gibt es für die Augen kaum eine größere Oual, als
die durch das Gehen scheinbar in tanzende Bewegung gerathenen schmalen Schatten
mit den zwischenliegenden grellen Sonnenlichtern.

In früheren Zeiten hatten die Gitterwerke in viel höherem Maße die Auf-
gabe des Zurückhaltens von Eindringlingen zu erfüllen, als heutzutage. Dieser
Gedanke ist deshalb in den alten Gitterwerken am kräftigsten, ja manchmal in
geradezu roher Weise ausgedrückt. Heute erfüllen die Gitter mehr die Aufgabe
der Zierde und werden die Formbildungen, die aus jenem ursprünglichen Zwecke
hervorgegaugen, vielfach nur noch gewohnheitsgemäß angebracht. Die Abgelegenheit

j des Grundstückes, die beson-
dere Kostbarkeit des Inhaltes
I eines Hauses führen nothwen-
digerweise öfter auf eine in-
tensivere Betonung jenes Ge-
! dankens, sonst ist meist wenig
noch davon zu bemerken. Die
! spitzeil Endigungen der Stäbe,
die Lanzenspitzen rc. sind noch
Ueberbleibsel der alten Sicher-
heitsvorrichtungeu. Durch die
- schärfere oder schwächere Be-
tonung derartiger Bestand-
theile wird aber sicherlich der
j Karakter des Gitters bestimmt.

Um jene Unannehmlich-
keit der schädlichen Einwirkung
aus die Augen aufzuheben,
ohne jedoch dem Zwecke des
^ Zurückhaltens von Menschen
! und Thieren damit Abbruch
zu thun, stellt man die Stäbe
^ nicht enger, als nothwendig
ist, um das Durchschlüpfen von
j Menschen zu verhindern, wäh-
I rend man zur Abhaltung von
Hunden in der unteren Parthie
kleine Zwischenstäbe in Entfer-
nungen von 8-tocrci. anordnet.

Wir haben bisher die
Geländer im Auge gehabt,
die durch Stäbe staketenartig
gebildet sind; öfter wendet
man jedoch auch solche an, die
rautenförmig eingetheilt und
mit begleitendem Rankenwerk
versehen, demselben Zwecke
dienen. Das geometrische
Muster der Diagonalverstre-
bung bedingt eine kleinere
Anzahl der senkrechten Stützen
und gewährt oft eine größere
Freiheit in der Komposition.
Zu bemerken ist hierbei, daß
die Befestigung der Diago-
nalen genau in den Ecken
etwas schwierig ist und den
Hauptstab schwächt. Man kann
deshalb die Ecken brechen, so
daß die Endpunkte der Dia-
gonalen von den Eckpunkten
entfernt liegen, wobei eine
, Nietenbesestigung leicht auzu-
bringen ist. Vst werden zwei
und mehr parallele Diagonal-
stäbe angebracht.

Ein häufig vorkoinmen-
der besonderer Fall von Ge-
läuderbilduug mag der voll-
ständigkeit wegen hier auch
noch Erwähnung finden. Bei
Straßen von sehr starkem Ge-
fälle wird eine Abtreppung

----_j des Gitters erforderlich. Diese

wird in der weise hergestellt, daß der gemauerte oder aus Sandstein gehauene
Sockel in einzelnen gleichen Abständen verschiedene Höhen bekommt mit horizontaler
Oberkante (also treppenartig), worauf das in Höhe und Ausbildung stets gleich
bleibende Gitter befestigt wird. Des besseren Aussehens wegen wird inan zu er-
reichen suchen, daß die Längsstäbe in gewissen Beziehungen zu einander stehen;
vielleicht in der Art, daß die untere Längsschiene des einen Stückes zugleich in der
Verlängerung die obere Längsschiene des anderen wird.

Was nun die ornamentale Ausbildung betrifft, so ist zu bemerken, daß die
reichsten Geländerfüllungeu über das Gebiet der eigentlichen geometrischen Formen
hinausgehen und außer denselben Formen der Pflanzen- und Thierwelt benutzen.
 
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