Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0039
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Luthmer, Ferdinand: Wand-Bilder
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XlIur/H^usschmückung„LiurichtunpDrwllmsiumc1?L- ^
^ntkr^llitnnrkrlnb von Professor M)t'VMllUN ("§03 kkraus^eyetien von MllsieD ^v0th.
Zu beziehen nur durch den Buchhandel.
Preis halbjährlich für Deutschland Mk. 8.—, für Mester-
reich-Ungarn und das gestimmte Ausland Mk. 9.—.
' Telegramm-Adresse: Noch Verlag, Darmstadt.
LE" Die Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten,
Illustrationen und textliche Beiträge nur an die Schriftleitung in Darmstadt erbeten.
Anfangs jeden Monats erscheint ein Heft.
Nur Spezial-Hefte sind einzeln ä. Mk. 2.— erhältlich.
Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.
IV. Jahrgang.
-iss
Darmstadt 1893.
A>-
Jedruar-Heft.
ine Eigenthümlichkeit, welche
^ die moderne Dekorationsmalerei
nicht zu ihrem Vortheil von
derjenigen vergangener Zeiten,
besonders des vorigen Jahr-
hunderts unterscheidet, ist das
Zurücktreten der menschlichen
Gestalt in ihren Darstellungen.
Der hauptbedarf an Dekorations-
motiven wird, soweit wenigstens der
Privatbau in Betracht kommt, durch
ornamentale Bildungen, allenfalls ein Blu-
menstück oder Still-Leben bestritten. wo
einmal sich ein Paar fliegende Engel an
einen Plafond verirren, möchte man in den
meisten Fällen wünschen, sie wären schon
aus dem Gesichtsfeld fortgeflogen. Dies
völlige Verzichten auf die menschliche Ge-
stalt ist ein Armuthszeugniß, verglichen mit
den Leistungen, welche wir selbst in kleineren
Anlagen der Rokokozeit noch erhalten sehen.
Zelten daß nicht eine Decke mit allegorischen Figuren oder Gottheiten,
eine Thürbekrönung oder Wandfüllung mit tanzenden Schäfern und
Schäferinnen im Watteau - Karakter uns fesselt.
Allerdings hat ja auch unsere Zeit noch ihre Wandmalerei, allein
^ ist fast ausnahmslos auf öffentliche Gebäude, Sitzungssäle von Raths-
und Gerichtshäusern, Aulen von Universitäten, Kirchen und Aehnliches
'Achränkt. hier werden sie rnit großem Aufwand mit Unterstützung
^ Staates oder des „Vereins für historische Kunst" ausgeführt. Die
Zeeigneten Künstler, meist Akademieprofessoren mit stolzen Namen
werden auf dem Wege mühsamer Wettbewerbungen ausgewählt —
kurz, da-, Ganze trägt den Karakter großer Haupt- und Staatsaktionen
und hat mit der Frage der ^Mnen-Dekoration welche uns hier beschäftigt
so wenig etwas zu thun, wie es sich mit der flotten und allgemein
verbreiteten Praxis vergleichen kann, welche für diese Dinge noch im
vorigen Jahrhundert herrschte. Darum ist diese Art der monumentalen
Wandmalerei, so ausgezeichnete Werke sie auch geschaffen haben mag,
für die Ausschmückung des Bürgerhauses mit siguralen Motiven auch
ohne Einfluß, wir glauben nicht, daß die Ausführung großer Fresko-
bilder im Rathhaussaal einer Stadt so leicht einen Bürger auf den
Gedanken bringen würde, bei demselben Künstler sich ein Deckenbild
für seinen Salon zu bestellen. Es sind zwei Dinge, die in der Vor-
stellung unseres Publikums Nichts miteinander zu thun haben.
Die Antwort auf die Frage, warum unsere Dekorationsmalerei im
Allgemeinen so völlig aus das Edelste und Inhaltreichste verzichtet,
was sich ihrer Darstellung bietet, ist einfach: weil keine Künstler
da sind, welche dergleichen machen können oder innerhalb
der Preise, die man vernünftiger Weise aufwenden kann,
machen wollen. Das klingt auf den ersten Anblick absurd, wenn
man daran denkt, welche Fülle von Fachschulen sich selbst in kleineren
und kleinsten Städten den Dekorationsmalern aufthun, oder welche An-
zahl von Malern an gewissen Kunst - Mittelpunkten — man denke an
München mit seinen über 3000 Malern — zur Verfügung stehn!
Und doch ist es so — im geeigneten Moment fehlt die Hand,
welche die Absichten des wohlmeinenden Bestellers ausführen könnte.
Woher kommt das? Unsere Zeit hat eine verhängnißvolle Scheidung
zwischen „hoher Kunst" und „dekorativer Kunst" eingeführt, von der
keine der vor uns blühenden Kunstperioden etwas gewußt hat. Wer
sich der „hohen Kunst" zuwenden will, bezieht eine Akademie und ist
darauf eingerichtet, seinem Studium sieben bis acht Jahre zu opfern,
wie auch die Jünger anderer „höherer" Berufsarten, der Arzneikunde,
Rechtsgelehrsamkeit ic. Wer dazu keine Neigung oder keine Mittel
hat, lernt die Dekorationsmalerei praktisch, d. h. er trägt Farbtöpfe
^ntkr^llitnnrkrlnb von Professor M)t'VMllUN ("§03 kkraus^eyetien von MllsieD ^v0th.
Zu beziehen nur durch den Buchhandel.
Preis halbjährlich für Deutschland Mk. 8.—, für Mester-
reich-Ungarn und das gestimmte Ausland Mk. 9.—.
' Telegramm-Adresse: Noch Verlag, Darmstadt.
LE" Die Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten,
Illustrationen und textliche Beiträge nur an die Schriftleitung in Darmstadt erbeten.
Anfangs jeden Monats erscheint ein Heft.
Nur Spezial-Hefte sind einzeln ä. Mk. 2.— erhältlich.
Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.
IV. Jahrgang.
-iss
Darmstadt 1893.
A>-
Jedruar-Heft.
ine Eigenthümlichkeit, welche
^ die moderne Dekorationsmalerei
nicht zu ihrem Vortheil von
derjenigen vergangener Zeiten,
besonders des vorigen Jahr-
hunderts unterscheidet, ist das
Zurücktreten der menschlichen
Gestalt in ihren Darstellungen.
Der hauptbedarf an Dekorations-
motiven wird, soweit wenigstens der
Privatbau in Betracht kommt, durch
ornamentale Bildungen, allenfalls ein Blu-
menstück oder Still-Leben bestritten. wo
einmal sich ein Paar fliegende Engel an
einen Plafond verirren, möchte man in den
meisten Fällen wünschen, sie wären schon
aus dem Gesichtsfeld fortgeflogen. Dies
völlige Verzichten auf die menschliche Ge-
stalt ist ein Armuthszeugniß, verglichen mit
den Leistungen, welche wir selbst in kleineren
Anlagen der Rokokozeit noch erhalten sehen.
Zelten daß nicht eine Decke mit allegorischen Figuren oder Gottheiten,
eine Thürbekrönung oder Wandfüllung mit tanzenden Schäfern und
Schäferinnen im Watteau - Karakter uns fesselt.
Allerdings hat ja auch unsere Zeit noch ihre Wandmalerei, allein
^ ist fast ausnahmslos auf öffentliche Gebäude, Sitzungssäle von Raths-
und Gerichtshäusern, Aulen von Universitäten, Kirchen und Aehnliches
'Achränkt. hier werden sie rnit großem Aufwand mit Unterstützung
^ Staates oder des „Vereins für historische Kunst" ausgeführt. Die
Zeeigneten Künstler, meist Akademieprofessoren mit stolzen Namen
werden auf dem Wege mühsamer Wettbewerbungen ausgewählt —
kurz, da-, Ganze trägt den Karakter großer Haupt- und Staatsaktionen
und hat mit der Frage der ^Mnen-Dekoration welche uns hier beschäftigt
so wenig etwas zu thun, wie es sich mit der flotten und allgemein
verbreiteten Praxis vergleichen kann, welche für diese Dinge noch im
vorigen Jahrhundert herrschte. Darum ist diese Art der monumentalen
Wandmalerei, so ausgezeichnete Werke sie auch geschaffen haben mag,
für die Ausschmückung des Bürgerhauses mit siguralen Motiven auch
ohne Einfluß, wir glauben nicht, daß die Ausführung großer Fresko-
bilder im Rathhaussaal einer Stadt so leicht einen Bürger auf den
Gedanken bringen würde, bei demselben Künstler sich ein Deckenbild
für seinen Salon zu bestellen. Es sind zwei Dinge, die in der Vor-
stellung unseres Publikums Nichts miteinander zu thun haben.
Die Antwort auf die Frage, warum unsere Dekorationsmalerei im
Allgemeinen so völlig aus das Edelste und Inhaltreichste verzichtet,
was sich ihrer Darstellung bietet, ist einfach: weil keine Künstler
da sind, welche dergleichen machen können oder innerhalb
der Preise, die man vernünftiger Weise aufwenden kann,
machen wollen. Das klingt auf den ersten Anblick absurd, wenn
man daran denkt, welche Fülle von Fachschulen sich selbst in kleineren
und kleinsten Städten den Dekorationsmalern aufthun, oder welche An-
zahl von Malern an gewissen Kunst - Mittelpunkten — man denke an
München mit seinen über 3000 Malern — zur Verfügung stehn!
Und doch ist es so — im geeigneten Moment fehlt die Hand,
welche die Absichten des wohlmeinenden Bestellers ausführen könnte.
Woher kommt das? Unsere Zeit hat eine verhängnißvolle Scheidung
zwischen „hoher Kunst" und „dekorativer Kunst" eingeführt, von der
keine der vor uns blühenden Kunstperioden etwas gewußt hat. Wer
sich der „hohen Kunst" zuwenden will, bezieht eine Akademie und ist
darauf eingerichtet, seinem Studium sieben bis acht Jahre zu opfern,
wie auch die Jünger anderer „höherer" Berufsarten, der Arzneikunde,
Rechtsgelehrsamkeit ic. Wer dazu keine Neigung oder keine Mittel
hat, lernt die Dekorationsmalerei praktisch, d. h. er trägt Farbtöpfe