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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Dankwardt, L.: Berliner Kunst-Stickerei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0328

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Seite s88.

Dezember-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Werliner sMuMt-Stickerei. ^

von L. Dankwardt.

Lichthofe des Berliner Kunstgewerbemuseums ist gegen-
"wärtig eine große Auswahl von mustergültigen Stücken aus
dem reichen Stickereischatze des Museums ausgestellt, die
geeignet ist, in das Verständniß der zeichnerischen Entwickelung der
Stickerei einzuführen. Die zweite Hälfte des Raumes ist mit Erzeug-
nissen der gegenwärtigen Stickereikunst angefüllt, die der Mehrzahl nach
der Sammlung der Freifrau von Lipperheide entstammen und im Kebrigen
aus Berliner Stickerei-Ateliers hervorgegangen sind. Die Ausstellung
gibt keineswegs ein umfassendes Bild von dem, was auch nur in
Berlin geleistet wird, viel weniger kann sie als maßgebend für den
Stand der Kunst-Stickerei in Deutschland aufgefaßt werden. Dennoch

sich von durchgehenden stilisirten Pflanzenmustern bedeckt, die theils, wie
z. B. zwei türkische Tambourirarbeiten in der Zeichnung üppig und
fast naturalistisch gehalten sind, theils, wie z.B. eine prachtvolle indisch-
portugiesische Arbeit, durch ihr verschlungenes Linienspiel die Fantasie
anregen und beschäftigen. Ein Triumph des Farben- und Liniensinnes
ist eine persische Arbeit in Tuchmosaik aus dem s8. Jahrhundert.
Einige persische Tambourirarbeiten kommen im Schmelz der Schattirung
den japanischen und chinesischen Plattstich-Stickereien gleich. Die ältere
europäische Kunst ist vorwiegend durch Kirchen-Stickereien, durch spanische,
italienische und deutsche Aufnäharbeiten vertreten. Auch an deutschen
Segeltuch- und Glasperlarbeiten fehlt es nicht. Eine große Decke mit
Aufnäharbeit aus Leinenband in Verbindung mit Füllstichen und Vaticella-
arbeit, aus Klm stammend, zieht die Aufmerksamkeit durch die kräftige
und vornehm zurückhaltende Karakteristik der Zeichnung auf sich. Sie


Abbildung Nr. 8Z7. Nordfriestschp Bauvrnstubp. Nach der Uatnr gezeichnet roll Fritz Schütz, Schüler der Fachschule für Kunsttischler IN Flensburg.

hat gerade diese Ausstellung, die das Fremde dem heimischen, das
Vergangene dem Lebenden gegenüberstellt, ihre ganz eigenthümlichen
Vorzüge, deren Vortheile sich nicht oft vereint finden werden. Zunächst
ist es von wesentlichem Werthe, daß man sich nicht vor einer Fülle
von Ausstellungsgegenständen befindet, die man niemals vollständig zu
übersehen hoffen darf. Weiter ist hier in dem aus der Vergangenheit
Gebotenen nicht nach einem trockenen wissenschaftlichen System verfahren
worden. Das Gegenwärtige leidet ebenfalls nicht unter langweiliger
schematischer Aufstellung. Wir sehen Gewesenes und Gewordenes neben
einander. Indem uns die feierlich träumerische Arbeitsweise des Morgen-
landes, namentlich Persiens und Indiens, hineinzieht in den poetischen
Geist der Drnamentik, wie er sich in der Stickerei speziell gestaltet hat,
bietet sie uns die sichere Grundlage für die Beurtheilung dessen, was
wir selbst an Form- und Farbendichtungen zu leisten vermögen. Die
Hauptaufmerksamkeit ziehen reiche seidene Vorhänge und Decken aus

scheint gewissermaßen den Ausgangspunkt zu bilden für ähnliche Arbeit
die Frau Dernburg, die Lehrerin unserer Kunstgewerbeschule und
Frau von lVedell, die Vorsteherin der Stickereischule des Lettevereins,
ausgestellt haben. Das tüchtige zielbewußte Streben beider Damen ist
in hohem Grade anzuerkennen. Namentlich Frau Dernburg ist ein
überaus fein entwickelter Sinn für das Wesen der Stickerei nachzurühmen.
Sie läßt sich niemals verführen nach Effekten zu streben, die ausschließlich
das Vorrecht der Malerei und vor Allem des Tafelbildes bleiben.
Wohl sind ihre Arbeiten, wie zwei in reich dekorativen und doch ein-
fachen Linien entworfene Streifen mit Aufnäharbeiten und vor Allem
ein Plattstichkissen in persischer Wolle beweisen, Nadelmalereien im
besten Sinne des Wortes. Aber sie weiß, daß ihre Aufgabe nicht ist,
im Sinne der monumentalen Kunst zu arbeiten, sondern sie versteht es,
den Schmuck der Gegenstände ihrem Zweck anzupassen und durch Ver-
edelung der Form die Gesetze innerer Harmonie zum Besten des trauten
 
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