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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schulze, Otto: Gegen die Überschätzung des goldenen Schnittes
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Barber, Ida: Einrichtung der Kinderzimmer, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0240

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Teile s38.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

September-Heft.

Das proportionale Theilverhältniß des goldenen Schnittes — ich
nenne als Steigerung der anfangs genannten Zahlenreihe noch: 8 : so
--5:8, s3:2s--8:s3, 2f : 5-f -- fS : 2f, oder auch umgesetzt:
Minor zum Major wie Major zur ganzen Linienlänge -- 5 : 5 -- 5 : 8,
5:8--8: so, 8:s3--s3:2s, sö : 2s ---2s : 5-s usw. kann auch
auf jeden Raum-Querschnitt, hori-
zontale oder vertikale Linie und
Fläche, so auf Fußboden, wand
und Decke ausgedehnt werden. Ls
muß hierbei einleuchtend sein, daß
bei kleineren Zimmern nur einmal
zwei gegenüberliegende wände den
goldenen Schnitt aufweifen können,
weil bei einem Zimmer von 3 : 5
Metern bei etwa 5,5 Meter Höhe
die Schmalwände fast eine quadra-
tische Fläche erhalten. Wir ersehen
schon hieraus, daß der goldene
Schnitt für einen Innenraum sehr
verhängnißvoll werden kann. Nichts-
destoweniger hat das Ausdehnen
des proportionalen Verhältnisses,
das Nachmessen im Sinne des gol-
denen Schnittes an Innen- und
Außenarchitekturen alter und neuer
Zeit zu einer Gesuchtheit und Un-
ehrlichkeit geführt, die die göttliche
Proportion in argen Mißkredit ge-
bracht hat. Ich will auf diese
Ergebnisse hier nicht näher ein-
gehen, bemerkt sei nur, daß es beim
Nachweisen von Proportionen nicht
gleich sein kann, ob man - je
nachdem es „klappen soll" — 'mal

von Unterkante bis Oberkante; 'mal mit, 'mal ohne Gebälk; 'mal mit,
'mal ohne Unterbau; 'mal von Mitte zu Mitte Säule oder den Zwischen-
raum mißt. In diesen Gewaltmessungen hat nie Einheitlichkeit geherrscht,
Jeder hat gemessen, wie ihm die Zahlen in seinen Kram paßten.

Ich glaube nicht, daß je unsere praktischen Aesthetiker wie Brinck-

" Abbildung Nummer 6H6. Erker-Einbau im Renaissance. Stil.

Gezeichnet von Lugen gack, (Siehe hierzu Grundriß U Seite (H2.)

mann-Hamburg, Falke-Wien, Lessing-Berlin, Luthmer-Franksurt a. M.,
Pabst-Köln, Schliepmann-Berlin, Stockbauer-Nürnberg u. A. darauf
verfallen sind, in diesen Wahnmessungen an den goldenen Schnitt zu
denken, ihn überhaupt als die Seele der Harmonie hinzustellen. Doch
wir wollen die Wirklichkeit zu Rathe ziehen, Nachmessungen kann Jeder

auf eigene Faust machen, noch zu-
mal wenn er den goldenen Zirkel
vonVr. Goeringer, Kunstmaler in
München, besitzt, der auf Grund-
lage des Pantographen (Storch-
schnabel) und des Reduktionszirkels
(mit über den Drehpunkt hinaus-
gehenden kürzeren Schenkeln) kon-
struirt ist. Or. Goeringer hat sich
seiner durch deutsches Reichs-Patent
geschützten Erfindung zu Liebe auch
zu einer Abhandlung über den
goldenen Schnitt verstiegen, die das
Material so wenig erweitert als
verbessert hat.

Sehr eigenthümlich ist, daß
weitaus die meisten Künstler den
goldenen Schnitt bewußt nicht an-
wenden. Halten wir Umschau auf
den Gebieten der modernen Archi-
tektur, Plastik und Malerei, sowie
des Kunstgewerbes, der göttlichen
Proportion begegnen wir hoch selten.
Denken wir uns eine Bauparzelle,
die schiefwinklig zur Straßenflucht
liegt, und bei großer Tiefe nur eine
geringe Straßenfront hat; — es ist
dies Verhältniß sehr häufig —
der Architekt muß mit der Wirk-

lichkeit rechnen: er gibt seiner Fassade eine viel bedeutendere Höhe, als
sie mit der Breite nach dein goldenen Schnitt übereinstimmend zu machen.
Jede Fenster- und Thürbreite kostet wandfläche, also: hohe und schmale
Thür- und Fensterlöcher, der goldene Schnitt wird dem Bedürfniß, der
Nothwendigkeit geopfert. Theater, Säle, Loggien, Gallerien, Kuppel-

Minrichtung der »Mmderzinnner.

von )da Barbe r. (Schluß von Seile (3(.)

ine Hauptsache ist, denn Schlafen die Füße warm zu haben;
zu diesem Zwecke empfehlen sich die ihrem hygienischen
Werthe nach lange noch nicht genügend gewürdigten Fuß-
rollen, die, am Ende des Bettes liegend, die Füße zur Genüge wärmen,
ohne den übrigen Körper zu erhitzen. Namentlich wo die Betten aus
Eisen hergestellt sind und die Füße durch Berührung mit dem Metall
eine unangenehme Empfindung haben, sollten diese Fußrollen nie fehlen.
Noch schädlicher als für die Zudeck, sind die Federn als Füllung des
Kopfkissens; der Kopf, der in zwei und drei Federpolstern ruht, wird
übermäßig erhitzt, sehr leicht entsteht Blutandrang, Zahnschmerz, Kon-
gestion; als Stütze für den Kopf müssen, soll er nicht zwischen den
Federn einsinken und stundenlang in einer schlechten Luftschicht verharren,
festere, elastische Unterlagen genommen werden, Roßhaarkissen, Polster,
die mit Pflanzenfasern, Kapok-Schafwolle, Indiafaser gefüllt sind. Die
Kissenthürme sind überall eher vom Uebel, als vom Guten; am zu-
träglichsten ist eine analog der Fußrolle geformte Kopfrolle, die die
ganze Breite des Bettes hat und nur so hoch ist, daß der Raum
zwischen Schulter und Kopf ausgefüllt wird.

Bezüglich der Unterbetten wird wohl noch von zärtlichen Müttern,
die ihre Kleinen gern recht weich betten, viel gesündigt, doch macht
sich die Vorliebe für gute Matrazen von Jahr zu Jahr mehr geltend.
Statt der polstermatrazen, die oft als bester Staubfänger gelten können,
legt man unten in die Bettstelle einen mit Drahtspiralen oder Patent-
spiralfedern versehenen Boden, darüber eine dreitheilige Roßhaarmatraze,
ein Leintuch oder ein aus Reformbaumwolle gewebtes Laken.

Betten mit Gitterwänden sind für Kinder bis zu Jahren den

offenen vorzuziehen. Dann wähle man ein langes, nicht zu schmales
Bett, das für etliche Jahre hinreicht. Die Mütter haben oft keine
Idee, wie sehr sie sich an dem Wachsthum ihrer Kinder versündigen,
wenn sie ihnen zu kurze Betten geben; die Kleinen leiden oft in diesen
noch hübschen Schaustücken, die man, weil sie elegant ausgestattet sind,
nicht in die Rumpelkammer stellen will, wahre Prokrustesqualen. —
Sehr wichtig ist auch die Wandbekleidung des Bettes; die Kälte, die
durch die Zimmerwand geht, entzieht dem Körper, wenn das Bett
längs der wand steht, Wärme. Selbst Teppiche schützen oft nicht ge-
nügend wenn man an einer freien wandmauer schläft: es empfiehlt
sich in diesem Falle, das Bett mit dein Kopfende an die wand und so
zu stellen, daß das Gesicht nie direkt von der Sonne beschienen werden
kann, da hierdurch bei nervenschwachen Personen sehr leicht Kopfschmerz
hervorgerufen wird. Auch empfiehlt es sich, das Kopfende des Bettes
nicht direkt an die wand, sondern möglichst frei und luftig aufzustellen.

Lin Gegenstand von hoher Bedeutung für das Kinderzimmer ist
ferner das Turnreck. Nnd wenn man noch so beschränkt wohnt, zwischen
der Thür können oben ein Paar Haken eingeschraubt werden, an denen
das Turnreck befestigt wird. Dieses Geräth ist wichtiger, als alle Luxus-
gegenstände, polsterwände, Schaukelstühle, Butzenscheiben, mit denen
vorsorgliche Mütter das Kinderzimmer zu schmücken belieben.

Ebenso dienlich zur Stärkung der Brust und der Arm-Muskeln
sind die sogenannten Hanteln, die, mit geringem Gewicht anfangend,
allmählich schwerer angeschafft werden können und bei zweckentsprechender
Anwendung in gleicher Weise wie die „Muskel-Strecker" — der
körperlichen Entwickelung vorzügliche Dienste leisten.

Die Kästen wähle man möglichst tief und niedrig, so daß die
kleinen Leute selbst Ordnung halten können; das ist von Wichtigkeit
fürs ganze Leben. Man stelle nicht alte unpraktische hohe Schränke,
 
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