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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Die Stoff-Tapete in Sens: von unserem Spezial-Korrespondenten in Paris
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Bothmer, Heinrich: Die Gobelins, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0333

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Leite syO.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-D ekoration.

Dezember-Pest.

und goldene Läden durch dieselben; aus den Teppichen, die die Stufen
bedecken, leuchtet ein wundervolles Blau, das auch in der Kleidung
bemerkbar ist, welche Bandeaux weißen Pelzwerks umgeben, die in all
dem Farbenreichthum einen angenehmen Ruhepunkt für das Auge bilden.
Aus den Stufen des Thrones von Bathseba liegen zwei Diadems.
Säulen aus Marmor und farbig emaillirt schmücken die Pallen; die
Basis, die Statuen, welche sich aus denselben befinden, und die Kapitäle
find aus Gold, die Throne verschwinden unter Goldstoffen, die mit
edlen Steinen übersäet sind. Jedem einzelnen Gegenstand ist die größte
Aufmerksamkeit gewidmet worden und das Auge ruht mit gleichem
Vergnügen auf dem von einem Bandeau umgebenen Turban, als
auf den schmalberandeten !

Mützen aus Pelzwerk,
ruht hier auf den langen
Schuhen, welche so spitz
ausgehen, hier auf der
Rette, welche mehrfach
um den pals geht, kurz
auf allen den Details, von
denen die Tapisserie solch
eine Menge besitzt und
die mit einer Naturwahr-
heit wiedergegeben sind,
die erstaunenswerth ist.

Die größte Geschicklichkeit
aber hat der Künstler bei
den Köpfen und pänden
bewiesen, welche, trotzdem
so vielerlei in dem Ge-
webe zu sehen ist, doch
den Betrachtenden am
meisten fesseln. Die
Frauen sind klein und
etwas puppenhaft, von
großer Zartheit, aber
machen gerade deshalb
den Eindruck des Jugend-
lichen und Frischen, aus
den etwas geschlitzten
Augen von blauer resp.
hellbrauner Farbe blickt
Vertrauen und Unschuld.

Viel ausdrucksvoller er-
scheinen die Männerköpfe
unter ihren lang herab-
wallenden blonden paa-
ren und unter diesen ragt
besonders Salomon durch
Würde und vornehme
paltung hervor.

Bis jetzt hat die
Tapisserie von Sens, ob-
gleich sie mindestens 100
Jahre zählen muß, dem
Einfluß der Zeit wider-
standen, die Farben sind
noch so leuchtend, das

gestellte Ansuchen, das Kunstwerk für Ausstellungen herzuleihen, ist
stets abschlägig beschieden worden- Vielleicht wird eine große Summe
sie aber doch bestimmen, besonders da der Vorschlag gemacht wird,
die Gobelinfabrik solle eine Kopie des panneaus für die Kathedrale
Herstellen, so daß sie es nicht ganz und gar verliert.

Abbildung Nummer 8H0. Büffet-Schränk in ostfriesischem Bauernstil.
Entworfen und gezeichnet in der Fachschule für Aunsttischler in Flensburg.

Gold so glänzend, die Steine so brillirend, als ob sie heute entstanden
wären, aber man fürchtet, daß nun das Kunstwerk verloren gehen
könnte. In einem Glasschrank eingeschlossen, an einem Grte, wo
Feuchtigkeit sich bemerkbar zu machen beginnt, erregt es die Aufmerk-
samkeit nur Weniger, nur Derer, welche wissen, was für ein Schatz
sich hinter den Scheiben verbirgt. Man macht daher Anstrengungen,
um die Kirchenväter in Sens zu bestimmen, das panneau gegen einen
hohen Preis dem Staate zu verkaufen, damit dieser es dem Louvre-
Museum einverleibt, nicht allein, weil es so vor jedem Schaden behütet
bliebe, sondern auch als ein wundervolles Vorbild für die heutigen
Tapissiers dienen könnte. Bis jetzt hat man sich in Sens sehr ablehnend
gezeigt, die Priester grollen ja der Republik und selbst jedes an sie

Uy dvbelins.

Bon ^elurlcl^ Boll^mer. Schluß von Heile H8H.)

Im Jahre s6ß1 mußte er, da dem König die Gelder ausgingen,
einen großen Theil der Arbeiter entlassen, und erst gegen das Lebens-

I ende Ludwig s XIV.
konnten die Arbeiten in
größerem Amfange wie-
der aufgenommenwerden,
indem der frömmelnde
Gemahl der Madame de
Naintenon Noil Eoypel
und Michel Torneille be-
auftragte, sittsamere Ta-
petenkartons auszufüh-
ren, als er sie früher nach
seinem Geschmack gefun-
^ den hatte. — Im Laufe
des t8. Jahrhunderts er-
scheinen aus den Gobelins
an Stelle der göttlich-
nackten Figuren der frühe-
ren Muster, schüchterne
Gottheiten im Kostüme
jener Zeit, von Restout,

^ Don ^uilotte und Venlor
entworfen. Die bedeu-
' tendsten Gobelins dieser
Zeit stellen die Thaten
des Don Quichotte, die
großen Kompositionen
Jean Jouvenets und die
! Geschichte der Esther von
Frangois de Troy dar.

^ Dann erscheinen der Thier-
maler Gudry und „der
Maler der Grazien", wie
man ihn nannte, Frangois
Boucher aus dem plane.
Diese bestanden daraus,

^ daß man ihre Entwürfe
! genau mit den Zwischen-
und Uebergangsfarben
darstellen müsse. Der
Ehemiker Auennet stellte
in der Gobelinfärberei zu
diesem Zwecke sOOO ver-
schiedene Farbennuancen
her, aber die Gobelin-
arbeiter ließen sich erst
nach hartem Kampfe be-
wegen, dieser neuen Mode zu folgen und die Zwischentöne sklavisch
nachzuahmen. Soweit es sich um vornehmlich dekorative und leichte
Malerei handelte, ging die Sache noch an, aber kopirte man wirkliche
Gemälde, wollte man die farbenkalten Bilder Davids und seiner Zeit-
genossen als Gobelins wiedergeben, so blieben sie Harmonielos und
ohne Leichtigkeit, ihre Farben verloren sich, während die alten Gobelins
mit ihren sein abgetönten Farben die ursprüngliche parmonie ganz
und voll bewahren.

Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts litt die Gobelinmanufaktur
sehr durch die fortwährenden Striks der Arbeiter, da ihnen die Unter-
nehmer, als welche die Werkführer die Arbeiten vergaben, häufig den
Lohn vorenthielten oder unregelmüßig auszahlten. Im Jahre s78ß
 
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