Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

DOI Artikel:
Luthmer, Ferdinand: Abwege der modernen Möbel-Industrie
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0087

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
"Ä'n ler g von Profess o r ^Mevmmm Cd öl; heransgegeben von

Oreis halbjährlich für Deutschland Mk. 6.—, für Vester-
reich-Ungarn und das gesammte Ausland Mk. 9.—.
Telegramm-Adresse: Koch Verlag, Darmstadt.

Nachdruck nur mit spezieller Lrlaubniß und unter genauer Vuellen-Angabe gestattet.
Sämmtliche mit versehenen Illustrationen stehen unseren Abonnenten zur verwerthung frei.
LE" Dir Zeitschrift ist verbreitet in allen Kulturstaaten.

Illustrationen und textliche Beiträge nur an die Schriftleitung in Darmstadt erbeten.

Anfangs jeden Monats erscheint ein Heft.

Nur Spezial-Hefte sind einzeln a. Mk. 2.— erhältlich.
Buchh.-Vertreter: Eduard Schmidt, Leipzig.
Insertions-Bedingungen am Schluß der Zeitschrift.

IV. Jahrgang.

Darmstadt 1693.

Ngril-Hest.

Abwege dev nloderrrrn "Mödel-Dndustrie.

find

von Professor

infachheit predigen in der Wohnungs-Aus-
stattung — Entgegentreten den: Neber-
wuchern der „Aunstveredelung" — das erscheint
mi gegenwärtigen Augenblick als die wich-
tigste Aufgabe aller Derer, welche in dieser
Frage zum Worte aufgerufen werden. Be-
finden sich doch die Leiter unserer kunstgewerb-
lichen Bewegung schon seit lange in der Lage
des Göthe'schen Zauberlehrlings: die man
rief, die Geister, wird man nun nicht los! —
oder vielmehr die Geister zeigen sich ungebärdig
gegen ihre Zitirer, die ja wohl auch nicht
immer gerade Hexenmeister waren. Wer auf-
merksam liest, kann schon lange das beschwö-
rende „Besen, Besen, sei's gewesen" in den
Aeußerungen unserer am meisten beachteten
Autoritäten heraushören. Julius Lessing
variirt diese Grundmelodie in seiner Bespre-
chung über die vorjährige Berliner Möbel-
Ausstellung; in den Spalten dieses Blattes
klingt dasselbe Thema aus den Aufsätzen
Hans Schliepmann's, Robert Mielke's, Otto
Schulzens und Anderer mit beachtenswerther
Deutlichkeit, und wenn das Illustrations-
material nicht überall in gleichen Bahnen geht,
so muß man bedenken, daß ein allzu refor-
matorisches Borgehen an dieser Stelle die
Unternehmens gefährden würde, welches eben erst in
gefaßt hat. Aber mag der Stift des Er-
ers, der für die Allgemeinheit schafft, Rücksichten zu nehmen haben:

Existenz eines
greulicher Weise Wurzel

F. Luthmer.

die Feder soll rückhaltlos die Gefahren aufdecken, denen unsre Runst der
Hauseinrichtung auf dem bisher eingeschlagenen Wege entgegen geht
— selbst auf die Gefahr hin, daß sie bereits ausgesprochene Gedanken
wiederholt. Nicht blos die Eindringlichkeit der Warnung führt zum
Besseren, auch ihre unentwegte Wiederholung.

Die Schäden, gegen welche es Front zu machen gilt, sind offen-
kundig genug — nicht nur die oben genannten Warner deuten sie aufs
Alarste an, auch jede Ausstellung, ja jede Auslage unserer „besseren"
Möbelgeschäfte muß sie dem unbefangenen Blicke klar machen. Es
ist, um es mit Lessing's schlagenden Worten zu bezeichnen, die Uebex-
fütterung mit ornamentalen Motiven: das Ersticken des einzelnen Möbels
wie der gesammten Wohnungs-Ausstattung mit Zierformen, ein Ueber-
wuchern von Rringel- und Schnörkelwerk ohne Rücksicht auf gesunde
Form, Benutzbarkeit, Solidität und Reinlichkeit.

Der Schreiber dieser Zeilen hatte vor ungefähr zwölf Zähren ein
kleines Federgefecht mit dem von ihm verehrten Ludwig gfau wegen
eines von diesem letzteren in die Welt geworfenen Satzes: „Das Un-
glück unseres Aunstgewerbes sind die Architekten". Heute möchten wir
diesen in seiner Allgemeinheit immer anfechtbaren Satz fast unterschreiben,
soweit er sich auf die Möbel- und Haus-Industrie bezieht, zumal wenn
man ihn einschränkend so faßte: „Das Unglück unserer Möbel-
kunst sind die architektonischen Ordnungen". Mag es hier
noch einmal ausgesprochen werden, was jedem von uns bereits nur zu
geläufig ist: Im Großen und Ganzen betrachtet, ist unsere Erfindungs-
kraft lahm, sie kann nicht gehen ohne die Arücke der Ueberlieferung,
sie schafft nur unter steter Anlehnung an das, was vor uns gewesen
ist. Was unsere Museen an altem Möbelwerk enthalten, wird gewissen-
haft studirt, gezeichnet, nachgemesfen; was wir nicht im Original vor
Augen haben, liegt in Fotografien und Lichtdrucken auf unserem Arbeits-
tisch. Daneben liegen die Musterbücher der alten Meister, eines Vredeman
 
Annotationen