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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Luthmer, Ferdinand: Schmucke Küchen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0267

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Dktober-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite f53.

rchuurcke «Hiichrn.

Den Prof. F. Luthmer.

Stelle des altfranzösischen Scherzwortes: „Herr Bauch war
aller Künste Vater und Lehrmeister", hört man auch wohl
eine deutsche Mutter ihrer Tochter zuraunen: „Der Weg
zum Herzen des Mannes geht durch den Blagen". In dieser, unseres
Wissens noch nicht bestrittenen Wahrheit liegt aber für unsere Frauen
und Mädchen die Mahnung: Werdet der Küche nicht fremd! Neber-
laßt der Köchin, und wäre sie noch
so geschickt, nicht die letzte Ent-
scheidung in den Fragen Eurer
Küche — gebt den Kommandostab
nicht aus der Hand! Wenn Euer!

Gatte, wenn Eure Gäste finden,
daß man nirgends so gut speist,
wie an Eurem Tische, so sorgt,
daß Ihr dies Lob selber einheimsen
könnt, und nicht zum besseren Theil
mit Euren Dienstboten theilen müßt!

Zum Glück ist ja den deutschen
Frauen die Gewohnheit, ihre Küche
zu betreten, noch nicht abhanden:
gekommen, und unsere Jungfern:

Köchinnen fühlen sich noch nicht
gleich in ihrer Berufsehre gekränkt,!
wenn die Hausfrau oder die er-
wachsene Tochter über die Zuthaten
der Sauce oder den Hitzegrad des!

Bratofens eine sachverständige Be-
stimmung trifft. Daß dieser sehr
wünschenswerthc Zustand aber be-
steht und erhalten bleibt, daran
hat einen großen Antheil derRaum,
in dem die Speisen zubereitet wer-!
den. In einem künstlerisch durch-
geführten Hause die Küche nicht zu
vernachlässigen, sondern auch diese
schmuck zu gestalten, ist ein Gebot
der Pflicht und der Klugheit zu
gleicher Zeit.

Viel kommt auf die Lage an,
welche die Küche im Haufe, zumal
im Einzelhaus, erhält. ImMieths-

hause, d. h. i,i der Etagenwohnung__

wird sie ja meist von selbst in bequemer Erreichbarkeit von den Wohn-
zimmern an einem Nebenkorridor liegen; hier hat man nur dafür zu
sorgen, daß ihr Licht und Luft in möglichst unbeschränktem Maße zu-
geführt werden und daß sie diese unentbehrlichen Lebensbedingungen
nicht wie in manchen alten Berliner Häusern von einem „Lichthof"
genannten Schacht aus bestreiten muß. Im Einzel- und Eigenhaus
sollte man suchen, die Küche möglichst im Erdgeschoß, wenn möglich
in einem rückwärts frei vorgeschobenen Anbau unterzubringen. Die
eingehende Beschreibung, welche Herr Architekt Faulwasser in vor-
liegendem Heft von der „Hamburger Küche" gegeben hat, beweist
ja, daß in dieser Hauptstadt des kulinarischen Deutschlands ein hohes
Souterrain der übliche Platz für die Küche ist. Bei der entscheidenden
Rolle, welche in allen Wohnungsfragen die Gewohnheit spielt, ist gegen
eine solche durch Generationen hindurch eingewöhnte Sitte nichts ein-
zuwenden. Dennoch wird jede Treppe, welche wir der Hausfrau beim

Betreten der Küche sparen können, der Beschäftigung in derselben zu
Gute kommen. Aber wo die Küche im Hause auch ihren Platz finden
möge: überall ist größtmöglichste Helligkeit Haupterforderniß, denn nur
durch diese läßt sich die Eigenschaft befördern, die wir als erste Tugend
der Küche aufstellen müssen, die absolute Reinlichkeit. Keine Frage,
der Blick, den der Gast in eine recht saubere Küche werfen kann, erhöht
die Eßlust. Bei jener unglücklichen Menschenklasse, die ihre Nahrung
dauernd in Speisehäusern aufzusuchen gezwungen ist, gilt ja allerdings
aus guten Gründen die umgekehrte Regel, sich nicht darum zu kümmern,
wie es in der Küche aussieht: „und begehre nimmer und nimmer zu

schauen rc." — Aber selbst kluge
Speisewirthe verschmähen es nicht,
mit der appetitlichen Einrichtung
ihrer Küche zu kokettiren. Die be-
kannten 6cki11-rooiD8 englischer
Restaurants beruhen auf diesem
Gedanken; in südlichen Ländern
aber findet man nicht selten, daß
namentlich in ländlichen Speise-
häusern in demselben Raum ge-
kocht wird, in welchem die Gäste
ihre Nahrung einnehmen. Ans ist
! von einem Aufenthalt in Rom,
der allerdings ein Viertel Jahr-
hundert zurückliegt, die Erinnerung
an eine treffliche Trattorie in Tras-
! tevere noch heute lebendig, in der
vor den Augen der Gäste auf einem
riesenhaften Herde in sauberen
- blanken Kupfergefäßen alle die
Brühen, Frittüren und Arrosti
schmorten, die der weißgekleidete
! padrone direkt vom Feuer seinen
Gästen auftrug.

In früheren Zeiten, im spä-
teren Mittelalter und der Renaif-
: fancezeit muß diese Vereinigung
von Koch- und Speiseraum noch
allgemeiner gewesen sein, wir be-
sitzen alte Darstellungen derartiger
Küchen, welche allerdings beweisen,
daß in solchem Falle die Ausstat-
tung der Küche eine luxuriösere
!war, als wir sie heute kennen.
Große, architektonisch geschmückte

_ Kamine umschließen die Kochstelle,

in welchen an blanken Zahnstangen die glänzenden Kupferkessel über
dem offenen Feuer hängen. Ein schmuckes Mobiliar, welches an das-
jenige der Speisezimmer erinnert, Schränke und Büffets in architekto-
nischem Aufbau, steht an den Wänden, die im klebrigen mit hölzernen
Vertäfelungen, zum Theil auch wohl mit Wandschränken versehen sind.
Auf schicklich angeordneten Bortbrettern glänzt das blanke Geschirr;
zwischen den kupfernen Kesseln und Kasserolen, den bronzenen Mörsern
und Leuchtern bemerken wir aber auch Ziergeräth, dessen Material
nicht selten Silber war, wenn auch der Bürger sich wohl meist mit
dem in künstlerischen Formen gearbeiteten Zinn begnügte.

Groß wird der Luxus, wenn wir die Küchen in den Schlössern
des Mittelalterlichen Adels betrachten. Es sei erlaubt, hierfür das
Zeugniß Havards*) anzuführen, der diesen Einrichtungen eine eingehende

ch Bevr^ KavarL, öie1:ioii2.aiie cle 1'ameubleiveirt et cle 1a äeeoratiorr.
iZuevtiw. Th. I, Seite sOL-l ff.

Abbildurig Nr. sss. Vsenpelzirnr. Liitrv. van L. Pausen.

Umrahmung in geschnitztem Holz, Füllung in Stoff-Malerei.
 
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