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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Volbehr, Theodor: Das Kunstgewerbe im Alltagsleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0315

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IV. Jahrgang.

Darmstadt 1893.

Dezember-Heft.

as HmUtgelverbe im Mlltagslebrn.

^rilwur^

von Ol-. Th. volbohr.

^,as Wort Luxus hat noch immer einen
(M gewissen Beigeschmack. Die nüchterne
Zeit, die nach dem 30 jährigen Kriege in
Deutschland anbrach, wurde auch durch
das Zeitalter des Rokoko nicht aufgehoben,
wenigstens nicht in den breiteren Kreisen
des Mittelstandes. Man hielt und hält
theilweise noch immer ein Verschönern des
Lebens für unberechtigte Aeppigkeit. Frei-
lich , seitdem der Nationalwohlstand sich
hob und die neue Einrichtung der Welt-
ausstellungen orientalische Fracht der Woh-
nungsausstattung vor Augen führte, begann
man auch in Deutschlands wohlsituirten
Kreisen wieder ein verständniß für reich
und wann ausgestattete Zimmer zu be-
kommen, man fing an, das kalte Weiß
der Thüren und der Decken zu verbannen,
Teppiche und Portieren zu verwenden, die
kalten Lteinwände mit Vertäfelung zu
überkleiden, mit einem Wort, man suchte
den Eindruck des Zimmers wärmer zu
machen. So thaten die Reichen. Die anderen Kreise aber fuhren fort
und fahren zum größten Theile noch heute fort, allen Schmuck des
Lebens zu verbannen, sich mit einer gewissen Bitterkeit alles das selbst-
quälerisch ZU versagen, das dazu dienen könnte, ihnen den Aufenthalt
in ihren vier Wänden behaglicher und heimischer zu machen. Die
Kinder werden dazu erzogen, das Alles für Luxus zu halten, was über
das dringend Nothwendige hinausgeht, und es wird ihnen gelehrt, daß
der Luxus verweichliche, wohl gar, daß der Lurus ein Anrecht an den

Mitmenschen sei. And doch ist es tief in der menschlichen Natur be-
gründet, über das reine vegetiren hinauszugehen, nicht nur die nüch-
ternen, nothwendigen Funktionen des Lebens zu vollziehen, wie es die
Pflanze und das Thier auch thut, sondern den Genuß beim Genießen
zu verfeinern, sich das gesammte Leben zu schmücken. Der Wilde selbst
begnügt sich nicht mit dem nöthigsten Schutz gegen die Anbilden der
Witterung, er schmückt sich mit allerlei Tand und bunten Putz; er
schmückt auch seine Hütte mit Trophäen und was seinen Augen sonst
als Schmuck erscheint. Es ist einmal nicht anders: der Mensch braucht
zu seinem Wohlbehagen ein plus über das nackte Leben hinaus, sei
es nun nach materieller oder nach geistiger Seite hin. Und da nun
im Menschen Geist und Körper sich nie ganz trennen lassen, so wird
er dies Streben nach einem Zuwachs an Lebensgenuß aus denjenigen
Gebieten besonders nachhaltig empfinden, wo materielles und geistiges
Behagen sich berühren, und ein solches Gebiet ist eben das Kunst-
gewerbe überall da, wo es für das verschönern des Hauses sorgt.
And das Kunstgewerbe ist gleichzeitig dasjenige Gebiet, auf dein sich
mit den geringsten Kosten dieser Doppelgenuß erreichen läßt, denn es
kommen nur diejenigen Kosten in Betracht, die ein kunstgewerblicher
Gegenstand über einen rein gewerblichen hinaus verlangt, es ist nur
ein Draufzahlen, eine Dreingabe auf ein so wie so nothwendiges oder
wünschenswerthes Geräth des Hauses erforderlich.

Wer aber auf diesem Standpunkt steht, wer also das natürliche
verlangen des Menschen nach vollerein Lebensgenuß als berechtigt
anerkennt und glaubt, daß durch das Kunstgewerbe dieses verlangen
am leichtesten befriedigt werden könne, für den ergeben sich die Kon-
sequenzen dieses Gedankens von selbst. Der muß dahin wirken, daß
dem Kunstgewerbe die volle Möglichkeit gegeben werde, den verschie-
densten Kreisen und den verschiedensten Bedürfnissen zu genügen und
dadurch Freude — und das heißt Genügen — am Dasein zu schaffen;
der muß das Kunstgewerbe als Bildungsmittel im höheren Sinne be-
nutzen. Es kommt nicht darauf an, daß jeder Bürger ein Aebermaß
von Wissen in sich aufnimmt, gerade in der Beschränkung des An-
 
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