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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Schulze, Otto: Die verschiedenen Gebiete der Keramik an der Hand unserer Abbildungen
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November-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.


Seite Z69.

" öer gesummten keramischen Industrie nimmt unstreitig
das Porzellan die erste Stelle ein. Ist schon sein Grund-
material, die Porzellanerde; das Uaolin mit seinen Fluß-
mitteln an Feldspathen und Quarzen, durch die langwierige Zubereitung
allen anderen Thonerden und Rohprodukten der edlen Töpferkunst
gegenüber am werthvollsten, die in ihm ruhenden Eigenschaften der
Bildfähigkeit, Transparenz, vollste Versinterung der Masse bis zu glas-
hartem Bruch, größte Dünnwandigkeit selbst für stärkste Hitzegrade,
haben es besonders in den Gestaltungen hochkünstlerischen Empfindens
in Gesäßen und Rleinplastik den Ldelmetallarbeiten ebenbürtig an die
Seite gestellt. Eine fast zweihundertjährige Geschichte kündet den Ruhm
des Porzellans aus europäischem Boden, das ostasiatische Weichporzellan
mit seiner Wiege Ehina blickt gar aus eine tausendjährige Vergangenheit
zurück. Wer hätte, um auf dem heimischen Boden zu bleiben, nicht
schon die entzückenden Erzeugnisse der noch jetzt in edelstem Wettstreit
schaffenden Manufak-
turen von Berlin,

Meißen, Nymphen-
burg, Fürstenberg u. a.
gesehen, oder rühmt
sich gar des Besitzes
dieser unübertroffenen
kostbaren Porzellane,
welches Wort auch für
Sevres ein begehrliches
wünschen einschl.eßt
— Ropenhagener Fa-
brikat dagegen sehr in
Schatten stellt. Wollen
wir uns nicht engher-
zigen Partikularismus
zeihen, dann gebührt
heute neidlos der
Aöniglichen Por-
zellan-Manufaktur
Berlin-Lharlottenburg die Ehre: von allen zur Zeit arbeitenden
Manufakturen, Sevres mitgerechnet, in künstlerischer Hinsicht sowohl als
in technischen Errungenschaften die bedeutendste zu sein. Technik und Runst
ergänzen sich aber auch hier in seltenster Vollkommenheit durch Männer
wie De. Seeger und Modelleur Paul Schley als Ehemiker und Techniker,
und Maler Prof. A. Rips als artistischer Leiter, welch' letzterer durch
weisen Beschluß der Aufsichtsbehörde dein rühmlich bekannten früheren
Leiter Prof. Sußmann - Hellborn, Bildhauer, folgte. Hierin liegt der
Schwerpunkt für den beispielslosen Aufschwung der Manufaktur -— ein
Maler löste den Bildhauer ab, eine malerische Ausdrucksweise schuf
neue Modelle, und nebenbei noch steht Berlin in der Blumenmalerei
unerreicht da. Die Erfindung des china-ähnlichen Weichporzellans durch
De. Seeger, des sogenannten Seeger-Porzellans, hat die Produktion zu
Gunsten größter plastischer und malerischer Freiheiten wesentlich ver-
schoben, die volle Brennbarkeit selbst vieler Farben unter Glasur bei
Z300° L. hat hier die schönsten, für alle Zeit mustergültigsten Werke
gezeitigt. Die Ansangsvignette: 2,50 in hohe Stand-Uhr aus
Porzellan mit tadellos figürlichem und malerischem Schmuck in graziösen:
Aufbau, wie auch die Vase in Gestalt einer Weinkanne auf der zweiten
Aunstbeilage und nicht minder die lebhaft bewegte, sigurenreiche Riesen -
Bowle, Abbildung Nr. 728, 90 cm hoch und ZOO cm breit, sämmt-
lich im sormsprudelnden Stil Louis XV. gehalten, mögen das vor-
stehende Urtheil bestätigen.

Altem Ruhme, alten Ueberlieferungen getreu, arbeitet die könig-
liche Porzellan-Manufaktur Meißen nach wie vor in Hartporzellan
mit den durch Z600—Z800° L. Brennbarkeit bedingten Verfahren und
Dekorationsweisen. Bahnbrechend ist Meißen in neuerer Zeit nicht
gewesen; die theils übertriebene Verwendung alter Modelle legt sich
wie ein Hemmschuh in die Zeitbahn. Wir müssen aber trotzdem un-
bedingt den neuzeitlichen Erzeugnissen dieser Manufaktur vollste Aner-
kennung zollen für die wenigen, aber um so glücklicheren Treffer der
letzten Jahre. Eine gewisse Schwere in Komposition und Masse hat
Meißen besonders in figürlichen Arbeiten nach alten Mustern bewahrt,
dagegen ist die Malerei nahe daran, Berlin schärfste Konkurrenz zu
machen. Die Abbildungen Nr. 68s—683: zwei Leuchter und eine
Aamin-Uhr, sowie die erste Aunstbeilage: Iuwelsnschrank mit
gemalten: und plastischem Porzellanschmuck zeigen uns im Rokokostil
durchgeführte neuere Meißener Arbeiten, ebenso die beiden 60 cm

hohen antikisirenden
Vasen, Abbildungen
Nr. 7-ZZ u. 7H2 mit
der Entführung der
Europa und Leda mit
dem Schwan nach Ent-
würfen von Prof. vr.
Größe-Dresden, wäh-
rend uns Abbildung
Nr. 727 eine neue
Arbeit nach altem,
bisher nicht benutztem
MeißenerModellzsigt.
Der Iuwelsnschrank
nach Entwurf von
Prof. Sturm, Malerei-
vorsteher der Manu-
faktur Meißen, ist be-
merkenswert!) durch
seine duftigen gate-
sm-gätc-Malereien, bei welchen die dünnflüssige weiße Porzellanmasse,
ein Beguß, aus gebranntem dunkelfarbigen: Grund malend zu hauch-
artigem Relief ausgetragen wird, in den lichten, dünnsten Partien den
Grund durchscheinen lassend, während die pastoser ausgetragenen zarten
Modellirungen die Weiße der Porzellanmasse in zartester, feinster Ab-
stufung zeigen. Natürlich ist ein Nachbrand für die Malerei erforderlich.

Auch die „Nymphenburger Manufaktur", von der wir unter
Abbildung Nr. 738—7H0 drei Arbeiten vorführen, zehrt vielfach von
ihren alten Modellen, die früher geschätzt waren. Bei dem hohen
Stande des Münchener Aunstgewerbes könnte die königliche Manufaktur
Nymphenburg eigentlich mehr leisten. Es mag dies an finanziellen
Verhältnissen liegen, an welchen die Staats-Manufakturen im Allge-
meinen mehr oder weniger kranken. Sie sollen sich nicht nur selbst
erhalten, nein, sie sollen sogar Gewinn abwerfen — und hierdurch
werden sie gezwungen, den Privat-Manusakturen Aonkurrenz zu machen,
ein Arbeitsplan, an dem schon das beste künstlerische wollen gescheitert ist.

Viel bekannter und verbreiteter, weil weniger kostspielig, sind die
Produkte einer zweiten großen keramischen Gruppe:

Majolika, Fayrnrp, Steingut und Steinzeug

mit mehreren, nur technisch unterscheidbaren Unterabtheilungen, je
nachdem mehr oder weniger Flußmittel oder auch geringere kalkhaltige
Erden, Thone — im Gegensinne feinste pfeisenthone zur Verarbeitung

Abbildung Nr. 7Z8—?40. Erzeugnisse der König!. Porzellan-Manufaktur, Nymphenburg.

NL

Verschiedenen der »Heraunlr an der "Mand unserer Mvdildungen.
 
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