November-Heft.
Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.
Seite f63
die Bekenner des Zslam im frühen Mittelalter die europäische Welt
beschenkt! Zene überreiche Ornamentik, jene unerreichten Glasuren,
die als spätes Lrbtheil noch in der spanischen Keramik fortgelebt haben!
Aber erst dem späteren Mittelalter war es Vorbehalten, die Keramik
wieder in das Gebiet der hohen Kunst zu heben. Große Meister, deren
Namen die Kunstgeschichte mit Ehrfurcht nennt, bedienten sich ihrer,
um dem werthlosen Thon Formen zu geben, welche gleich dem Marmor
und Erz die Jahr-
hunderte überdauern
sollten, kunstsinnige
Fürsten glaubten den
Glanz ihrer Herrschaft
zu erhöhen, wenn sie
Schulen gründeten für
die kunstvolle Formung
und Bemalung von
Majolikagefäßen. Zm
italienischen Auattro-
undTinquecento reihen
sich die Namen der
Thonplastiker, der Do-
natello, der Robbia an
diejenigen der Majo-
lika-Maler von Ilr-
bino, Gubbio,Rimini,
pesaro und Florenz,
der Maestro Giorgio,
Andreoli, Francesco
chanto, Grazio Fon-
tana und vieler An-
derer. Zn Frankreich
aber wandte der kunst-
frohe Heinrich II. der Kunsttöpferei seine besondere Gunst zu, und die
wenigen aber glänzenden Stücke, welche aus der Werkstatt seines Tausend-
künstlers Palissy und aus den Brennöfen des Schlosses <Diron hervor-
gingen, bilden noch heute die höchste Sehnsucht der Sammler.
Zu gleicher Zeit gewann in Venedig die alt-orientalische Kunst des
Glasblasens neues Leben: das entthronte Byzanz sandte mit andern
Meistern auch die Glaskünstler ins Abendland, wo sie in der Lagunen-
Abbildg. Nr. 68^—S85. Erzeugnisse dop Rönigl. Sicht. Porzellan - Manufaktur, Meißen.
stadt festen Fuß faßten und eine Technik begründeten, die noch heute
mit alter Meisterschaft geübt wird, Schößlinge aussendend, die überall, in
Deutschland, Holland und England Wurzel schlugen, und vor Allem in
Böhmen jene herrliche und ganz einzige Kunst des Glasschliffcs begründeten.
Aber auch die eigentliche Kunst des Brennofens fand die allge-
meine Verbreitung, welche im s6. und Z7. Jahrhundert als Folge-
erscheinung des gesteigerten Weltverkehrs uns entgegentritt. Am Nieder-
rhein sind die bedeu-
tendsten Formschneider
beflissen, der Kunst-
töpferei edelgezeichnete
Stempel zu liefern,
Franken schafft eine
eigene, farbenfrohe
Gattung von Zierge-
fäßen und in Frank-
reich und Holland ent-
wickelt sich jene an-
muthige Malerei aus
Fayence, die sich an
die Städte Rouen,
Moustier, Straßburg
und Delft anknüpft.
Zm s8. Jahrhundert
endlich wiederholt sich
jene Vorliebe gekrönter
Häupter für die Kunst
der Keramik, die uns
schon bei der italie-
nischen Majolika be-
gegnet war. Kaum
war es gelungen, das
sagenhafte Porzellan der Vstasiaten aus dem, im Feuer schmelzbaren
Kaolinthon herzustellen, als weltliche und geistliche Fürsten wetteifern,
in dem neuen, so wunderbar gefälligen Material Prunkgesäße und
Werke der Kleinplastik zu schaffen, deren volle künstlerische Würdigung
erst heute wieder ihren vollen Ausdruck in den Preisen findet, welche
diese Arbeiten im Kunsthandel erreicht haben.
Aber wir wollen aus diese Werthschätzung, welche der Kunst- und
sind in erster Linie dazu berufen, unser Heim gemüthlich auszustatten.
„Zm Herzen des Menschen wurzelt der Trieb, sein und seiner Lieben
Heim so schön auszuschmücken, wie er es vermag und versteht. Daher
wird der gesundeste Ausgangspunkt die Hausmannskunst sein, d. h. „die
Verwendung des Schönheitssinnes im eigenen Heim".
Von einer Kunst fürs Volk, für uns Alle, wäre also diejenige
zu unterscheiden, welche das Volk selbst aus übt, aber nicht blos „die
unteren sOOO", sondern Zeder, der ein Herz hat und fünf ordentliche
Sinne. Besser als es hier gesagt werden mag, setzt uns das Schwindraz-
heim auseinander, der für die Sache selbst das richtige Herz und
eine Begeisterung besitzt, wie sie den lauen jungen Männern „von heute"
meist fehlt. Es ist zu bedauern, daß sich noch kein kleines Gemein-
wesen gefunden hat, das seine Ziele und Zdeen in die Praxis übersetzt;
ein Einzelner kann ja da gut reden, wenn die große Mehrzahl sich
nicht erwärmt. Es wäre in erster Linie in Handarbeitsschulen und
zugleich in Familien der Versuch zu machen, und die großen Herren
Künstler sollten sich nicht zu groß für so kleine, nein, für so hochbe-
deutende Probleme halten. Dann würden wir früher schon das erreichen,
was die „innere Politik" zum Theil vergeblich versucht, größere Zu-
friedenheit, mehr Pietät, Nationalstolz, weniger Pedanten, praktischere,
glücklichere Menschen, und statt übertriebener Kirchlichkeit, freiere, natür-
lichere, reinere Sittlichleit, eine gewisse Ergänzung der Religion durch
die Kunst und endlich eine nothwendige Duldsamkeit aus Grund von
Gerechtigkeit und —- Nächstenliebe.
Man kann dabei für eine allgemeine Volkskunst sein, welche alle
Menschen nach ihrer Art erfreut und für eine besondere ebensowohl,
für uns, für das deutsche Volk. Selbst wenn es der Fall würde, daß
die Nationen nicht mehr strenge sich gegen einander abschlössen durch
Grenzen, Festungen, Rassenhaß und Klassenhaß und Massenhaß, und
verbrüderter in Wettbewerb träten, würde dennoch eine Volkskunst sich
nach einzelnen Stammesunterschieden karakterisiren, so gut wie sie es
ja heute auch innerhalb unseres Reiches selbst thut und gethan hat;
was der nordische Bauer fertigt, sieht anders drein, als was der südliche
schafft, die Arbeiten sind so verschieden wie die Trachten und die Art.
Line Volkskunst hebt am richtigsten an beim Kunstgewerbe, beim
Kleinkunstgewerbe, und erhält von ihr und vorn Hause aus Einfluß
auf die übrigen Künste. Gerade im Kunstgewerbe ist noch Vieles zu
bessern, nachzuholen, wennschon hinzugefügt werden muß, welch große
Fortschritte im Vergleich zu anderen Künsten gerade es in den letzten
Zahrzehnten gemacht hat. Aber besonders in der Mrnamentation
sind wir noch weit zurück, nein, wir sind noch petresakten, die unver-
besserlichen gleichen Alten, wie schwer wird es doch, die Künstler
zunächst zu veranlassen, daß sie nicht mehr ausschließlich die alten
Ornamente kopiren oder modifiziren, sondern unsere heimische Flora
verwenden. Und dann weiter: welch herrlicher, ungehobener Schatz
ruht in unseren Sagen, Märchen, in der Geschichte, der Volkspoesie!
Die herrlichen, naiven Bilder von Gehrts, Vogel u. A. entzücken auch
uns große Kinder, sie gelten uns aber für etwas Neues, das man
— ach — so selten trifft. Noch wenig von all dem ist in die Plastik
übersetzt, in die Stoffwirkungen eingewoben, noch so viel des Herrlichen
aus dem Born der Natur zu schöpfen, was so rein und lauter an-
muthet, wie unsere Müllerlieder. Man kommt nun wieder mit: unsere
Zeit, unsere Zeit — — die nervöse, hastende rc. Nun, wer sich's
selbst nicht gemüthlich zu machen weiß, ist selbst Schuld!
Vereinzelt schon hat man an eine Reinigung, Läuterung der Kunst
gedacht, größere Natürlichkeit, Verständlichkeit gepriesen, aber niemals
für's Ganze gedacht und gearbeitet, für die Allgemeinheit, für das
Volk als große Gemeinde. <schi»ß säte
Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.
Seite f63
die Bekenner des Zslam im frühen Mittelalter die europäische Welt
beschenkt! Zene überreiche Ornamentik, jene unerreichten Glasuren,
die als spätes Lrbtheil noch in der spanischen Keramik fortgelebt haben!
Aber erst dem späteren Mittelalter war es Vorbehalten, die Keramik
wieder in das Gebiet der hohen Kunst zu heben. Große Meister, deren
Namen die Kunstgeschichte mit Ehrfurcht nennt, bedienten sich ihrer,
um dem werthlosen Thon Formen zu geben, welche gleich dem Marmor
und Erz die Jahr-
hunderte überdauern
sollten, kunstsinnige
Fürsten glaubten den
Glanz ihrer Herrschaft
zu erhöhen, wenn sie
Schulen gründeten für
die kunstvolle Formung
und Bemalung von
Majolikagefäßen. Zm
italienischen Auattro-
undTinquecento reihen
sich die Namen der
Thonplastiker, der Do-
natello, der Robbia an
diejenigen der Majo-
lika-Maler von Ilr-
bino, Gubbio,Rimini,
pesaro und Florenz,
der Maestro Giorgio,
Andreoli, Francesco
chanto, Grazio Fon-
tana und vieler An-
derer. Zn Frankreich
aber wandte der kunst-
frohe Heinrich II. der Kunsttöpferei seine besondere Gunst zu, und die
wenigen aber glänzenden Stücke, welche aus der Werkstatt seines Tausend-
künstlers Palissy und aus den Brennöfen des Schlosses <Diron hervor-
gingen, bilden noch heute die höchste Sehnsucht der Sammler.
Zu gleicher Zeit gewann in Venedig die alt-orientalische Kunst des
Glasblasens neues Leben: das entthronte Byzanz sandte mit andern
Meistern auch die Glaskünstler ins Abendland, wo sie in der Lagunen-
Abbildg. Nr. 68^—S85. Erzeugnisse dop Rönigl. Sicht. Porzellan - Manufaktur, Meißen.
stadt festen Fuß faßten und eine Technik begründeten, die noch heute
mit alter Meisterschaft geübt wird, Schößlinge aussendend, die überall, in
Deutschland, Holland und England Wurzel schlugen, und vor Allem in
Böhmen jene herrliche und ganz einzige Kunst des Glasschliffcs begründeten.
Aber auch die eigentliche Kunst des Brennofens fand die allge-
meine Verbreitung, welche im s6. und Z7. Jahrhundert als Folge-
erscheinung des gesteigerten Weltverkehrs uns entgegentritt. Am Nieder-
rhein sind die bedeu-
tendsten Formschneider
beflissen, der Kunst-
töpferei edelgezeichnete
Stempel zu liefern,
Franken schafft eine
eigene, farbenfrohe
Gattung von Zierge-
fäßen und in Frank-
reich und Holland ent-
wickelt sich jene an-
muthige Malerei aus
Fayence, die sich an
die Städte Rouen,
Moustier, Straßburg
und Delft anknüpft.
Zm s8. Jahrhundert
endlich wiederholt sich
jene Vorliebe gekrönter
Häupter für die Kunst
der Keramik, die uns
schon bei der italie-
nischen Majolika be-
gegnet war. Kaum
war es gelungen, das
sagenhafte Porzellan der Vstasiaten aus dem, im Feuer schmelzbaren
Kaolinthon herzustellen, als weltliche und geistliche Fürsten wetteifern,
in dem neuen, so wunderbar gefälligen Material Prunkgesäße und
Werke der Kleinplastik zu schaffen, deren volle künstlerische Würdigung
erst heute wieder ihren vollen Ausdruck in den Preisen findet, welche
diese Arbeiten im Kunsthandel erreicht haben.
Aber wir wollen aus diese Werthschätzung, welche der Kunst- und
sind in erster Linie dazu berufen, unser Heim gemüthlich auszustatten.
„Zm Herzen des Menschen wurzelt der Trieb, sein und seiner Lieben
Heim so schön auszuschmücken, wie er es vermag und versteht. Daher
wird der gesundeste Ausgangspunkt die Hausmannskunst sein, d. h. „die
Verwendung des Schönheitssinnes im eigenen Heim".
Von einer Kunst fürs Volk, für uns Alle, wäre also diejenige
zu unterscheiden, welche das Volk selbst aus übt, aber nicht blos „die
unteren sOOO", sondern Zeder, der ein Herz hat und fünf ordentliche
Sinne. Besser als es hier gesagt werden mag, setzt uns das Schwindraz-
heim auseinander, der für die Sache selbst das richtige Herz und
eine Begeisterung besitzt, wie sie den lauen jungen Männern „von heute"
meist fehlt. Es ist zu bedauern, daß sich noch kein kleines Gemein-
wesen gefunden hat, das seine Ziele und Zdeen in die Praxis übersetzt;
ein Einzelner kann ja da gut reden, wenn die große Mehrzahl sich
nicht erwärmt. Es wäre in erster Linie in Handarbeitsschulen und
zugleich in Familien der Versuch zu machen, und die großen Herren
Künstler sollten sich nicht zu groß für so kleine, nein, für so hochbe-
deutende Probleme halten. Dann würden wir früher schon das erreichen,
was die „innere Politik" zum Theil vergeblich versucht, größere Zu-
friedenheit, mehr Pietät, Nationalstolz, weniger Pedanten, praktischere,
glücklichere Menschen, und statt übertriebener Kirchlichkeit, freiere, natür-
lichere, reinere Sittlichleit, eine gewisse Ergänzung der Religion durch
die Kunst und endlich eine nothwendige Duldsamkeit aus Grund von
Gerechtigkeit und —- Nächstenliebe.
Man kann dabei für eine allgemeine Volkskunst sein, welche alle
Menschen nach ihrer Art erfreut und für eine besondere ebensowohl,
für uns, für das deutsche Volk. Selbst wenn es der Fall würde, daß
die Nationen nicht mehr strenge sich gegen einander abschlössen durch
Grenzen, Festungen, Rassenhaß und Klassenhaß und Massenhaß, und
verbrüderter in Wettbewerb träten, würde dennoch eine Volkskunst sich
nach einzelnen Stammesunterschieden karakterisiren, so gut wie sie es
ja heute auch innerhalb unseres Reiches selbst thut und gethan hat;
was der nordische Bauer fertigt, sieht anders drein, als was der südliche
schafft, die Arbeiten sind so verschieden wie die Trachten und die Art.
Line Volkskunst hebt am richtigsten an beim Kunstgewerbe, beim
Kleinkunstgewerbe, und erhält von ihr und vorn Hause aus Einfluß
auf die übrigen Künste. Gerade im Kunstgewerbe ist noch Vieles zu
bessern, nachzuholen, wennschon hinzugefügt werden muß, welch große
Fortschritte im Vergleich zu anderen Künsten gerade es in den letzten
Zahrzehnten gemacht hat. Aber besonders in der Mrnamentation
sind wir noch weit zurück, nein, wir sind noch petresakten, die unver-
besserlichen gleichen Alten, wie schwer wird es doch, die Künstler
zunächst zu veranlassen, daß sie nicht mehr ausschließlich die alten
Ornamente kopiren oder modifiziren, sondern unsere heimische Flora
verwenden. Und dann weiter: welch herrlicher, ungehobener Schatz
ruht in unseren Sagen, Märchen, in der Geschichte, der Volkspoesie!
Die herrlichen, naiven Bilder von Gehrts, Vogel u. A. entzücken auch
uns große Kinder, sie gelten uns aber für etwas Neues, das man
— ach — so selten trifft. Noch wenig von all dem ist in die Plastik
übersetzt, in die Stoffwirkungen eingewoben, noch so viel des Herrlichen
aus dem Born der Natur zu schöpfen, was so rein und lauter an-
muthet, wie unsere Müllerlieder. Man kommt nun wieder mit: unsere
Zeit, unsere Zeit — — die nervöse, hastende rc. Nun, wer sich's
selbst nicht gemüthlich zu machen weiß, ist selbst Schuld!
Vereinzelt schon hat man an eine Reinigung, Läuterung der Kunst
gedacht, größere Natürlichkeit, Verständlichkeit gepriesen, aber niemals
für's Ganze gedacht und gearbeitet, für die Allgemeinheit, für das
Volk als große Gemeinde. <schi»ß säte