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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Volbehr, Theodor: Das Kunstgewerbe im Alltagsleben
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Hornig, Fr.: Das Makart-Bouquet
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0317

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Dezember-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite s7y.


Regelmäßigkeit zum nöthigsten Gebrauch bereit stehen? Rann überhaupt
von häuslichem Behagen die Rede sein, wo die Nützlichkeit die erste
und letzte Frage that? Man wende nicht ein, daß in den bescheidenen
Verhältnissen eine Enthaltsamkeit von allem Ueberfluß nöthig sei, und
daß man auch zwischen kahlen Wänden,
ein frohes und zufriedenes Herz behalten
könne, wenn man nur genug zum nackten
Leben habe. Zeder Blick in das wirkliche
Leben kann das Gegentheil lehren. Und
wenn es nur die farbigen Bilder eines
Ralenders sind, die eine Wand schmücken,
trockene Gräser, die hinter den Spiegel
gesteckt sind: irgend etwas von primitiven
Schmuck findet man immer dort, wo ein
behagliches Leben im Hause ist. Wie
leicht ist es auch jetzt Jedem gemacht,
der Noth, den Bedürfnissen des Tages
ein gefälliges Mäntelchen umzuhängen.

Man gehe doch durch die Straßen jeder
größeren Stadt und blicke in die über-
füllten Ladensenster: Geräth an Geräth,
aber kaum ein Geräth, das nicht den
Stempel des Verschönern-Wollens trägt.

Die Fabriken haben sich längst der Ge-
danken bemächtigt, die seit bald einem
halben Jahrhundert von den Praktikern
und den Theoretikern des Runstgewerbes
gepredigt werden, und die Maschine lie-
fert zu Hunderten das, was die fleißigen
Hände in der kunstgewerblichen Werkstatt
nur langsam und in Linzelstücken schaffen
können. — Man liebt es, die Fabrik-
ware mit einen: Achselzucken abzufer-
tigen, sobald der Standpunkt des Runst-
gewerbes vertreten werden soll. Nichts_

kann falscher sein. Die geschulte Fabrik ist der beste Pionier für das
eigentliche Runsthandwerk. Nur wenn in Massen eine geschmackvolle
Waare ins Volk gebracht wird, kann von einer „Erziehung aller
Schichten" für das Schöne, für das „mit Nutzen Gefällige" die Rede

FH
HF-

Entwurf von

Abbildg. Nr. 826. Gol'chnisttrr Wandspiegel in Rokoko

sein. Ist einmal der Sinn in dieser Hinsicht geweckt, dann ist es nur
ein kleiner Schritt, von der Leistung der Maschine weiter zu leiten zu
der Leistung der Hand. Wer überhaupt erst ein inneres Interesse zu
der Welt des Schönen gefunden hat, der wird leicht das verständniß

, für den persönlichen Reiz, für das In-
dividuelle, das in dem Werke der leben-
digen Hand liegt, bekommen und dann
leicht und sicher zu Gunsten des letzteren
entscheiden. Die erste Bedingung ist eben:
allüberall im Leben mit Einfach-Schönem
sich selbst umgeben und darnach streben,
daß allgemein das Gleiche geschieht.
Ein plumper Stuhl ist ebenso theuer,
wie ein solcher von einfacher Gefälligkeit.
And es müßte ein merkwürdig organi-
sirter Mensch sein, der sich nicht lieber
auf den letzteren niederläßt. Die Kon-
sequenz solcher Thatsachen aber ist
fraglos, daß ein Mensch sich wohler
fühlt in einem Heim, das von dem Hauche
des Runstgewerbes freundlich berührt
worden, als in kahlen, freudlosen „vier
Wänden". Ist aber dem so, dann hat
Jeder — um seiner selbst willen schon
—- die innerliche Pflicht, im Hause das
^ Runstgewerbe zur Geltung kommen zu
lassen, nicht nur im sogenannten „besten
Zimmer", sondern auch im Wohnzimmer,
in der Schlafstube, in der Rüche, kurz
überall.

Die Gefahr, mißverstanden zu wer-
den, ist auf keinen: Gebiet so groß, wie
auf dem hier besprochenen. And es mag
^ noch einmal betont sein, das Runstge-
werbe ist nicht nur für den Reichen da,
Gerade Derjenige, der für eine Verbreitung der
Gefälligen zu wirken sucht, gerade der wird

L. ffärring.

an:

sondern für alle Welt.

Freude an: Schönen
sich dem lastenden Prunk der Ueberladung auf's Energischste entgegen-
stemmen. Wo das Runstgewerbe zur Künstelei wird, wo es die natür-

versuch noch durch Bronzirung einzelner palmblätter ausgefallen. In
Stahlgrün und Rupfer schillernd hebt sich diese kleine Extravaganz
nicht gerade übel von den übrigen naturfarbenen Gräsern ab. Später-
hin hat man auch Gold- und Silberbronzen dazu gezogen, aber da-
durch ist der Rarakter des Iahrmarktsmäßigen, des Flitterhaften auf
das Bouquet übertragen worden; Laienhände, und — selbst auf die
Gefahr hin, in Ungnade zu fallen, muß es gesagt sein — Damenhände
haben sich anheischig gemacht „Makart-Bouquets" selbst zu binden,
und die Fantasie ist schließlich mit dem Geschmack auf und davon
geflogen. „Fett vergoldete Mohnköpfe, silberstrotzende Schilf-Blüthen-
kolben und ähnliches Schöne" wurden hineingebunden, und schließlich
steckte man sogar die ebenfalls eigenhändigst fabrizirten und immer
noch von der Mode beschützten — Papierblumen hinein! Nun war
das Unheil fertig! Gute Tanten bewunderten diese ganz funkelnagel-
neue Art des Makart-Bouquets, kleine Geschäfte übernahmen wohl auch
den verkauf solcher Produkte der „Kunst in: Hause", wie man gerne
sagt, und der vielleicht billige Preis trug dazu bei, Käufer anzulocken,
und den Geschmack des Publikums irre zu leiten. Um noch eine Abart
des Makart-Bouquets zu erwähnen, sei eines jüngst von mir gesehenen
Straußes aus dunkelgrünen und weißgebleichten ausländischen Schilf-
wedeln von fast b/4 IN Länge gedacht, die mit naturfarbenen palm-
blättern und goldbronzirten Aehren, Mohnköpfen und Grasbüscheln
verbunden, ein unleugbar apartes Ansehen hatten, und sehr wohl ein
Zimmerschmuck genannt werden dürften.

Alle Variationen, und seien sie auch wirklich einmal hübsch zu
nennen, können aber doch nicht die ruhige Wirkung der noblen Einfachheit
der ursprünglichen Makart-Bouquet-Form erreichen. Letzteres wird
darum auch immer in stilvollen Einrichtungen mehr Beachtung und
Freunde finden, während die ersterwähnten Abarten — nennen wir sie

einmal etwas kühn „Epigonen" — mit ihren brillirenden Farben und
ohne reellen Runstwerth, sich stets in den stillos gehaltenen Zimmern
der großen Volksmenge breit machen werden. Aber „Makart-Bouquets"
sollte man solche farbige Gräserbüsche wenigstens nicht nennen, dies sei
zur Ehrenrettung der Stammform beantragt.

Die Gepflogenheiten, hinter ein schräg nach vorn gehängtes Bild,
(was nie ein Delbild sein darf) oder hinter eine Fotografie einen langen
Palmen- oder Schilfwedel zu stecken, über dem Sofa eine Stoffdraperie
mit einem palmblätter-Fächer zu halten u. dergl. datiren alle wohl
vom Regierungsantritt des Makart-Bouquets her, und sicher ist, daß selbige
als sehr neutrales und annehmbares Beiwerk in der Innen-Dekoration
gute Verwendung finden. — Lin gut Theil der Mißachtung, welche nun
einmal der Gegenstand unserer Erörterung unleugbar zu tragen hat, rührt
auch von der falschen plazirung her, die er sich oft gefallen lassen muß.
Ein Schmuckstück soll und will das Makart-Bouquet gar nicht sein,
sondern nur —- wie oben gesagt — ein neutrales Beiwerk, ein stiller nicht
störender Lückenbüßer, und als solches gehört es in eine Ecke, oder in
die Nische eines Schrankes, kurz an einen Platz, der nicht leer bleiben soll,
aber auch nicht in's Auge fallen darf, wenn man dem Makartstrauß
jedoch, wie dies nicht selten geschieht, einen Standort auf dem Nipp-
tisch, Schreibtisch, Raminsims, oder auf einem Schrank anweist, so geht
das wider seine natürliche Bestimmung und er hat seinen Beruf verfehlt.
Schon seine halbseitige, niemals runde Form weist darauf hin, daß er
bescheidentliches „Mauerblümchen" sein will. Das Makart-Bouquet
wird mit dem Renaissance-Stil stehen und fallen; letzterer kann es als
Beiwerk kaum entbehren, ein Zeichen, daß es am rechten Platze gar
wohl seine Schuldigkeit thut. — Möge das Publikum nur ferner die
dilettantenhaften Nachahmungen von der Urform unterscheiden, dann
wird sicher auch der Makartstrauß wieder zu Ehren kommen. —
 
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