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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Die Ausstattung von Wohnungen einzelner Personen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0069

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März-Heft.

Illustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Innen-Dekoration.

Seite 37.

zu zwei Dritteln seiner Breite für Zigarren, sodaß rechts seitlich ein
genügender Raum für Kognac und Sherry frei blieb; oberhalb folgte
aus alter Liebhaberei die künstliche Schreibschieblade, der Neuzeit ent-
sprechend mit Sicherheitsschloß und Eisenblechfutter ausgestattet; dann
war ein freier Raum gelassen für die Setzlampe, Nippes und kleinen
Gebrauchsgegenstände und weiter oberhalb befand sich hinter einer Glas-
thür der freilich nur kleine Platz für eine Handbibliothek. Durfte dieser
Bücherschrank nicht größer gemacht werden, als der noch verfügbare
Raum an der Langwand des Zimmers zuließ, so hat dagegen der

Speiseschrank so
viel Platz, wie
überhaupt nur er-
forderlich war.
Auch hier befand
sich oberhalb eine
Schieblade für
Servietten und Re-
quisiten, die Platte
bot Raum für
Leuchter, Feuer-
zeug, Morastän-
der und derglei-
chen, die obere
Wand füllte ein
vorzüglich belich-
teter Spiegel und
darüber war ein
Arrangement von
künstlichen Blu-
men und ausgestopften Vögeln, das als dekorativ besonders geglückt !
bezeichnet werden darf. Nun aber kommt das Allerweltsmöbel, das
die Universalkommoden oder pultschränke der alten Tanten ersetzen
sollte, hier aber für Zwecke einzurichten war, wie sie jenen gewiß als
die unnützesten von der Welt erschienen sein würden. Von außen wurde
es einem zweithürigen Garderobenschrank nicht unähnlich gearbeitet,
muß aber als ziemlich hoch und groß bezeichnet werden. Es bot hinter
-er rechtsseitigen Thür ausreichenden Raum für alle üblicher weise im
Gebrauch erforderliche Kleidung, besaß aber auch noch ein großes oberes
und unteres Fach. Lrsteres für Hüte, Pelzschachteln rc., letzteres aus-
reichend zur Unterbringung von 30 Flaschen Bier. Die zweite schmälere
Thür barg in fünf sehr praktischer Weise vorne offenen Schiebladen
die Wäsche; unterhalb befand sich eine Fächereintheilung, in der ca.
73 Flaschen Wein gelagert werden konnten, und oberhalb war ein
größerer Raum, in dem sich neben 3 Dutzend verschiedenen Gläsern
auch allerlei Konfektkästen und dergleichen aufbewahren ließen. Seit- !
wärts am Schrank endlich befand sich Schirmgestell und Garderobenhalter.

Man sieht, daß die Einrichtung nicht nur den persönlichen Bedürf-
nissen, sondern auch der Gastfreiheit, trotz des kleinen Raumes ganz ^
weitgehend Rechnung tragen sollte. Ehe aber die Gäste geladen werden
durften, erübrigte noch die Einzelausschmückung mit tausenderlei Sachen, j
und wenn Sie glauben, meine Herren Leser, daß Sie den bisher er-
örterten Theil der Ausstattung nicht ohne die sachkundige Hülfe eines
Architekten hätten zu Stande bringen können, so beginnt hier das Gebiet,
das Ihnen die völlig ungetheilte Freude gewähren kann, Alles nach
eigenem Geschmack auszuwählen und anzuordnen. Man muß dabei
"ur nicht etwa an einem Nachmittag die Arbeit von Monaten verrichten
Zollen. Erst bei täglichem Sehen glaubt man zu empfinden, hier oder ^
dieser oder jener Gegenstand vorzüglich; man prüft und
erwägt, jst'g schließlich ein Irrthum, so muß getauscht werden, und
eventuell läßt sich ja auch in der Aufstellung der Sachen allerlei
Variation treffen. So ist auch die weitere Einrichtung des Verfassers
s. Z- ganz allmählich und mit immer von Neuem wiederholter noch
gegenwärtig lebhaft nachsühlbarer unendlicher Freude bei Hinzufügung
jedes einzelnen Stückes nach und nach entstanden. Der Platz über der
Zimmerthür und auf den Schränken wurde für Ziergefäße ausgenutzt,
für den Schmuck der Wände wurden die Melgemälde der Urgroßeltern
dem Staub des väterlichen Hausbodens glücklich entrissen und kamen
hier neben einigen neuen Bildern und gelegentlich in Kopenhagen
erworbenen Reliesplatten vortrefflich zur Geltung. Nm überall Form


und Farbe zu wecken, erhielt der untere Theil der Fensterscheiben dann
den Schmuck von Glasgemälden. Als Hauptstück aber wurde einst
nach einer pariser Reise ein bei Barbedienne entdeckter besonders zier-
licher Bronzelüster über den Tisch gehängt, der in dem Zimmer eine
so lange noch gar nicht gekannte Sonne ausstrahlen ließ, und dessen
schöner Metallglanz mit reichen Emaillen auch bei Tage immer von
Neuem Freude gewährte.

Der Genuß, den solches Arbeiten am ersten eigenen Besitz gewährt,
wird leider nur von einem verschwindend kleinen Theil der Junggesellen
ausgekostet. Was hätte man auch für ein Interesse daran, eine Woh-
nung zu schmücken, deren Wirthin vielleicht schon im nächsten Monat
kündigt? Der Verfasser kann behaupten, daß es sich viel besser bewährt
hat, die Wirthinnen (denen ein Theil der Wohnung gegen Gegendienste
überlassen wurde) zu kündigen und die Wohnung zu behalten. Er hat
das Glück des Besitzes und Ausbaues derselben drei Jahre lang ge-
nossen und auch der Mitbewohnerinnen folgten einander drei, ohne daß
hiermit ein wesentlicher Nachtheil verbunden gewesen wäre, wenigstens
ist die Freude an der Sache durch diese Wechselfälle niemals gestört
worden und beim Zurückdenken an jene Zeit erwacht nur die Erinne-
rung an viele in stillem Frohsein einsam verlebte Stunden und an
ebensoviele in trautester Geselligkeit verbrachte Abende, die hier oft bis
tief in die Nacht hinein einen kleinen Kreis auserwählter Freunde ver-
einigt sahen, wenn aber hier das Urtheil aus Kindesmund die Ent-
scheidung enthalten soll, so kann der Verfasser versichern, daß es allen
seinen kleinen Gästen genau so ergangen ist, wie s. Z. ihm selbst bei
der alten, tauben Tante. Des Entzückens, Besehens und Entdeckens
war kein Ende, und stets bedurfte es des Aufwandes der ganzen elter-
lichen Autorität, wenn die kleinen Herren und Damen wieder mit nach
Hause sollten.

Unsere Leser aber werden schon lange die Stirne runzeln und
glauben, daß das Bewohnen dieses Zimmers unter Inkaufnahme all
der Unzulänglichkeiten, die bei Benutzung nur eines Rauines unver-
meidlich sind, denn doch Unsummen verschlungen haben müßte. Zu
seinem eigenen Erstaunen aber konnte der Verfasser sich in: Laufe jener
Seit stets nur klar machen, daß er trotz allen für sein Heim gemachten
Aufwandes dennoch billiger wohne, als er anderweit hätte miethen
können. Die an, Schluffe folgende Abrechnung möge zeigen, welche
Ausgaben einen, Herrn bei
solchem Unternehmen bevor-
stehen und dieselbe läßt zugleich
erkennen, wie Manches im Noth-
sall noch hätte gespart oder ver-
billigt werden können. Da bei
Repartirung der Gesammtwoh-
nungsmiethe aus das Zimmer
als solches nur ein Betrag von
nicht mehr als 20 Mark pro
Monat zu verrechnen ist, so
stellten sich die Kosten der möb-
lirten Wohnung bei der hohen
Annahme einer Verzinsung von
8"/» der angelegten Summe aus
nur 3-^ Mark pro Monat, einen
Preis, für den irgend besseren
Ansprüchen genügend sicher an-
derweit keine Wohnung hätte
gefunden werden können.

Wir hoffen, daß diese kleine
Anregung zur Klärung der Be- .

fürchtungen dienen möge, durch

die sich Junggesellen in oft ganz selbständigen Lebensstellungen von
dem Gedanken an eine eigene Wohnung abschrecken lassen, und wir
behaupten, daß zwar der Junggeselle, der bei seinen Eltern wohnt,
meistens nicht weiß, wie gut er's hat, daß aber derjenige, der bei
fremden Leuten wohnt, oft nicht weiß, wie gut er's haben könnte.
Vieles ließe sich auch heute noch aus den Wohnungen einzeln lebender
Damen lernen, die sich fast immer behaglicher einzurichten verstehen,
wenn auch die sumner nicht mehr einen so typischen Karakter zeigen
wie ehedem. — Das aber können wir für Alle hinzusügen, daß jedes
 
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