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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Faulwasser, Julius: Ein Hamburger Familienhaus
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0174

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Zuli-Hest.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Zn neu-Dekoration.

immerhin auch 0,H2 rn Höhe, so reichen hier alle Spiegelscheiben bis
hinab aus den Fußboden und nur eine ganz niedrige Täfelung gibt
den wänden einen unteren Abschluß. Darüber beginnt sogleich die
Tapete von tiefrothem Ton und mit Feldertheilung durch breite Borten
und Leisteneinfassungen. Auch die Decke ist reich getheilt und vorwie-
gend wieder roth und schwarz gehalten. Bezüglich der Dekoration do-
minirt natürlich vor Allem der Ramm in luxuriösem Nlarmoraufbau,
geschmückt mit pendule, Girandolen und Bronzen und rückwärts einein
bis zur Decke reichenden Spiegel. Den Bogensturz vor der Nische bildet
ein zierliches säulengetragenes Gebälk und nach dein Raum zu schließen
sich an die Postamente zwei weitere kleine, runde Sofas an. Ist hier-
nach die Raminnische und ihre Umgebung mit Aufwand aller Ulittel
dekorirt, die erreichbar waren, fo zeigt die ganze übrige Ausstattung
des Zimmers die wahrhaft vornehme Enthaltsamkeit des Besitzers, denn
hier finden sich nur ganz wenige, aber dafür auserlesen schöne Stücke.
Gerade im Gegensatz zu den
Abmessungen des Raumes, der
die Aufstellung von Fantasie-
schränken, Flügel, Ranapees rc.
ebensoleicht ermöglicht hätte,
liegt in dieser zurückhaltenden
Anordnung ein großer Reiz.

An der einen Langwand steht
nur ein Sofa in rothemSammt-
überzug mit Goldstickerei, an
der andern tragen die beiden
Heizkörper der Dampfheizung
Schrankumkleidungen, die in
Etageren endigen, woraus ein-
zelne kostbare Schmuckgegen-
stände zur Schau gebracht sind.

Zn der Mitte steht ein herr-
licher Tisch, dessen Platte durch
eine porzellanschale gebildet
wird, die in einen mit reichen
Zntarsien geschmückten Eben-
holzrand eingelassen ist. Der
zweite ovale Tisch am Fenster
hat eine polirte Malachitplatte.

Zn den beiden vorderen Ecken
des Zimmers befinden sich
Postamente mit Lampen aus
vergoldeter Bronze und ferner
ist die Marmorgruppe des
schlummernden Ehristusknaben
im Hintergrund des Zimmers
ein den Blick gewiß nie ermü-
dendes Runstwerk. Links in
der Ecke daselbst finden wir
ferner aus reichem Postament
eine Marmorkopie der Venus
von Rnidos und an den Haupt-
wänden Bilder von Achenbach, Bautier, Reller und Fahrbach, pu dem
Allen besitzt dieses Zimmer den weiteren unschätzbaren Reiz des freien
Blickes über den herrlichen Alstcrsluß, sowie die Möglichkeit des Aus-
trittes auf eine Terrasse und in den zwar räumlich nur beschränkten
Bordergarten, der aber den werthvollen Bortheil hat, um reichlich einen
Nieter höher zu liegen als die Straße. Rückwärts wiederum öffnet sich
der Salon mittelst großer Spiegelscheiben nach dem Wintergarten und
erhält hierdurch ein weiteres, ganz eigenartiges Gepräge.

Durchschreiten wir diese Glasthüren, so empfängt uns unmittelbar
die seuchtlvarme Lust des pal inen Haus es, das sein Licht wesentlich
durch sein großes Glasdach empfangt, in welch letzterem natürlich aller
Raffinement von Ventilation und doppelten Scheiben rc. vorgesehen ist.
Rings herum führt im Fußboden ein mit eisernen Gittern abgedeckter
Ranal, durch den die warme Lust eintritt, die in dem unterhalb des
öalons liegenden: Heizraum erzeugt wird. Nach der Gartenseite ist
Zur besseren Erhaltung der Temperatur ein kleiner besonders abge-
schlossener Glasraum vorgebaut, der nach seiner Lage zur Ueberwinte-

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rung von Pflanzen, die keines geheizten Raumes bedürfen, willkommen
ist, im Nebrigen aber nur durch Eisen und Glas getrennt, den,
Ausblick ins Freie keine Schranken setzt. Eine kleine Diensttreppe am
Ende führt auf das Glasdach und ermöglicht dessen jederzeitige Rei-
nigung von Schnee und Staub. Die architektonische Durchbildung des
Wintergartens erfolgte völlig abweichend von den übrigen Bautheilen
in maurischen Stilsormen, wobei nur zu bedauern ist, daß die Effekte
mittelst vergänglicher Malerei und nicht durch glasirte, farbige Ton-
platten erreicht sind. Die neuerdings für Wintergärten beliebt gewor-
dene Bekleidung der ganzen wände mit Tropfstein war damals noch
nicht Mode. Nur in der Witte der einen Langwand ist ein kleines
wasserbassin in dieser Art ausgeführt, in welches eine Marmornire
einen Wasserstrahl entsendet, dessen gleichmäßig plätscherndes Geräusch,
mit der ganzen übrigen Umgebung vereint, Zeden zu sorglosem Ver-
weilen einlädt. — wir wollen uns aber nicht dem Dolce INr nienke

hingeben, in das uns das Rau-
schen dieser Palmen einwiegen
möchte, sondern werfen vor den:
Verlassen des Wintergartens
schnell noch einen Blick nach
dem Obergeschoß, von wo ober-
halb der Glasthüren des Salons
ein reizender Balkon-Ausbau
in die Palmenwipsel hinein-
ragt. Auf diese gelangt man
aus dem Badezimmer, das
in unmittelbarer Verbindung
mit dem herrschaftlichen Schlaf-
zimmer über dem Salon an-
geordnet und gleichfalls in mau-
rischem Stil durchgebildet ist.
Zn die Wanne führen vier
Stufen hinab und es mußte
deshalb im Erdgeschoß ein Theil
des Raumes eine niedrigere Decke
erhalten. Dies ließ sich in dem
vom Salon durch eine Tapeten-
thür getrennten kleinen Rabinet
durchführen, das dem Haus-
stand zur Aufbewahrung von
Gläsern und Gesellschafts-Uten-
silien ganz willkommen war,
aber weiter keinerlei Zweck er-
füllen soll. Hinzugesügt sei,
daß der Raum oberhalb der
Raminnische in der Art mit
dem Schlafzimmer in Verbin-
dung steht, daß hier ein Rloset
mit abgeschlossenem Vorraum
angeordnet ist. Auf derartige
Einrichtungen legt der Ham-
burger besonderen Werth, denn
er will ersteren Raum erreichen können, ohne sich vorher zu einem Gang
über den allgemeinen Vorplatz ausrüsten zu müssen und findet den Vor-
raum wichtig, weil man hier auf Augenblicke verschwinden kann, wäh-
rend etwa die Dienstboten irgend eine Verrichtung in: Schlafzimmer
vornehmen.

Nehren wir nach dieser Abschweifung zurück zu den unteren Räu-
men, so gelangen wir hier endlich von: Wintergarten weiterschreitend
in das Speisezimmer, einen stattlichen Raum von 5,q. rrr zu 8 n:.
Die ganze Schmalwand wird eingenommen durch einen ungeheuren bis
zur Decke reichenden Marmorkamin. Zm Nebrigen sind die wände
s,5^ Ni hoch mit Nußbaumholz bekleidet und wir wollen nicht über-
sehen, daß diese Täfelung insofern zu einen: wichtigen praktischen Nutzen
gebracht ist, als sich an fünf verschiedenen Stellen einzelne Füllungen
derselben in Tischhöhe herausklappcn lassen und so bei der Bedienung
aus das Angenehmste zu Statten kommen. Der obere Theil der wände
ist mit einer kräftig reliefirten Ledertapete belegt, die durch dezente Ver-
goldung vorsichtig belebt ist. Die Decke ist wiederum in reicher Theilung

Abbildung Ar. 600. Lrrpprn - Nnlagv riues Wvhnbaul'rs in tchuuburg.
 
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