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Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

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Mielke, Robert: Volkstümliche Wohnungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0183

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Seite s06.

Zllustr. kunstgewerbl. Zeitschrift für Znnen-Dekoration.

Zuli-Hest.

und Linienspiels verlustig und mehr und mehr einen brutalen Karakter
annehmend, nur Geschmacklosigkeit und Armseligkeit zur Folge; denn
die häßlichen und plumpen Mahagonimöbel, die bis vor kurzer Zeit
in jeder bürgerlichen Wohnung zu finden waren und die — als ob
des Jammers noch nicht genug wäre — auch noch nicht allzuselten
durch knallig roth gefärbtes Nadel- und Birkenholz ersetzt wurden, wird
Niemand schön finden. Auf solchem Grunde konnte eine national-
volksthümliche Wohnung, wie sie z. B. die letzten Zeiten der Renaissance
in Deutschland sahen, nicht erstehen; erst mußte mit der Herrschaft der
Politur gebrochen werden. Die vornehme Welt ging hier voran, aber
sie wendete sich dem theuren Eichenholzstil zu, wohin der weniger Be-
mittelte ihr nicht folgen konnte, sondern es kam bei ihm dann in den
letzten Zähren, in Verbindung
mit der sattsam bekannten
Musterbuch-Renaissance, das an
und für sich nicht zu verwerfende
Nußbaumholz zur Herrschaft,
ohne daß aus diesem wirklich
originelle Formen erzeugt wor-
den wären, vielmehr blieb sie
am Aeußerlichen haften, über-
trieb wohl auch noch die abge-
guckten Einzelheiten und führte
nun im Verein mit der protzen-
den Politur, mit Säulen, Leisten,

Kannellirungen und anderen
Flunkereien einen wahren Hexen-
sabbath von Geschmacklosigkeiten
auf. — Dieser Pseudokunst steht
eine Welt von entwickelungs-
sähigen Formen in unseren
Bauernmöbeln gegenüber, die,
nur in seltenen Fällen ein ge-
sundes Stilgefühl verleugnend,
uns manchen deutlichen Finger-
zeig zur Wiedergeburt einer volks-
thümlichen Wohnung geben. Be-
achte» wir diese, und gestatten
wir dem Hausfleiß eine ständige
Mitwirkung zur Verschönerung,
so könnte es wohl gelingen,

Schönheit und Karakter auch in
die Wohnung des kleinen Mannes
zu tragen, ohne seinen Etat von
vorn herein übermäßig zu be-
lasten. Die Hauptfrage wird
für den Tischler immer die Holz-
srage sein; er braucht sich dabei
aber nicht, was ja sehr nahe
liegt, auf Kienholz zu beschrän-
ken, obgleich dasselbe, vernünftig
bemalt, wie es bei den Wenden
und in Mberbayern bis vor nicht
langer Zeit noch zu finden war,
auch für bessere Wohnungen nicht
zu verachten ist. Ls ist ein Zrr-
thum, wenn man annimmt, daß unsere heimischen Hölzer für künst-
lerische Verwendung weniger geeignet seien als ausländische, nur muß
man die technische Bearbeitung aus der Natur des Materials, nicht
aus stilistischen Schlaumeiereien herleiten. Lins aber soll erst wieder
erworben werden: der Geschmack am Holze selbst. Gerade die
vielfachen künstlerischen Manipulationen, welche mit dem Kernholze
erlaubt sind, werden viel zu wenig angewandt; dafür sucht man lieber
durch Verhüllung desselben mittelst Furniere oder Färbung zu täuschen.
Hierbei will ich, um nicht in den Verdacht der Linseitigkeit zu kommen,
gleich bemerken, daß es nur fern liegt, beiden Prozeduren ihre Berech-
tigung abzusprechen, vielmehr dürften sie als Ergänzung oder aus
Gründen bestimmter Farbenharmonie manchmal wohl am Platze sein.
Auch wird der Fachmann in bestimmten Fällen das furnirte Holz aus

technischen Gründen dem Kernholz vorziehen; das berechtigt aber nicht,
letzteres grundsätzlich von der Anwendung auszuschließen. Da bei
unserer rationellen Waldkultur die Eiche aus einem Nutzbaum immer
mehr zu einem Zierbaum wird, so dürfte sie, die jetzt schon theuer
bezahlt wird, in gar nicht langer Zeit für die Möbelindustrie nur noch
ausnahmsweis Verwendung finden und das vorwiegend für Lurus-
möbel. wir haben aber in dem Birn-, Pflaumen-, Kirsch-, Akazien-,
Pappel-, Buchen-, Birkenbaum u. a. andere Materialien genug; auch
den Nußbaum will ich, wenn sein Holz erst stilgemäß bearbeitet wird,
nicht verwerfen. Als vorzüglich ist aber für gewisse Zwecke als Stuhl-
und Tischfüße, überhaupt als gedrechselte Gegenstände, das Holz des
Birnbaums zu empfehlen, das, mit einer dunklen Beize überzogen und

mit matten: Glanz versehen,
einen prachtvollen, milden Ton
gibt, der sich besonders mit un-
gefärbtem Kiefernholz zu einer-
recht angenehmen Wirkung ver-
bindet. Doch das nur nebenbei;
als Hauptsache muß immer wie-
der betont werden, daß das
Holz in seiner schlichten Schön-
heit verwendet werde. Der
Tischler, welcher diesem Ge-
danken folgt, wird sicher am
Besten stilgemäß, schön und
billig schaffen können. Mir
schweben dabei Zimmer vor, die
man noch heute nicht allzu selten
in Friesland, Niedersachsen,
Bayern und Tyrol zu finden sind.

Nach diesem Ausflug in
das Gebiet des Materials, das
das nothwendigste Postulat einer
guten Wohnungseinrichtung ist,
verdient auch die Form und der
Schmuck einer kurzen Erwäh-
nung. Hier möchte ich weniger
einen bestimmten Stil empfehlen,
als die Beachtung der stofflichen
Eigenthümlichkeiten des Holzes,
die immer ihrem Zwecke ange-
messen sein sollten. Zum Bei-
spiel erfordert der Stuhl als
zum Sitzen geschaffen, eine glatte
Sitzfläche; die als Gegendruck
gegen die nach hinten wirkende
Last des Rückens vorhandene
Lehne müßte stets ohne Höcker,
Traillen, Reliefs sein, dafür aber

Stilrichtungen gekommen, die beide mit steigender Vorliebe verwendet,
nicht allzu kostspielig sind und sicher bei allgemeinerer Verwendung sich
in der Herstellung noch billiger stellen würden: der englische Ge-
schmack und die modernen Bauernmöbel. Beide kommender deutschen
Stilempfindung entgegen, und beide sind sie auch besonders entwicke-

lungssähig.

Als nothwendigste Voraussetzung zur Herstellung einer geschmack-
vollen und wohlseilen Wohnungsausstattung muß also hingestellt wer-
den: Schlichtheit des Materials und Wahrheit in der Kon-
struktion. Alle schmückenden Details werden sich demzufolge auch in
diesen Grenzen halten und leicht herzustellen sein müssen. Die Politur
möchte ich, wie schon bemerkt, höchstens als Füllung gelten lassen;
dafür ziehe ich für die Flächen wachs oder einen matten Lack vor,

Abbildg. so8. Lehnstuhl in Lrderschnitt-Arbrit. von A, L G. ch. Bühlcr, Stuttgart.

kann sie an den Rändern reich
profilirt werden. Gute Vorbilder
findet man auf Mönchgut, in
Pommern und im Elsaß. Am
nächsten sind dem Zdeal einer
solchen durch „Anpassung" ge-
fundenen Formenwelt zwei neuere
 
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