Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Illustrirte kunstgewerbliche Zeitschrift für Innendekoration — 4.1893

DOI Artikel:
Bayerisches und Badisches Kunstgewerbe auf der Welt-Ausstellung in Chicago
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11380#0212

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
August-Heft.

Zllustr. kun st gewerkt. Zeitschrift für Zn neu-Dekoration.

Seite s23.

Münder geleistet, eine Entfaltung seines Kunstgewerbes zu Stande gebracht, wie
sie großartiger selbst von einem größeren Bundesstaate Deutschlands nicht hätte
erwartet werden können.

„Die Kunstgewerbeschule hat die Aufgabe", sagt der Prospektus der Anstalt,
„tüchtige Kräfte für die Bedürfnisse des Kunsthandwerkes, sowie Zeichenlehrer
heranznbilden und auf die Hebung und Förderung der Kunstgewerbe im Lande im
Allgemeinen anregend und unterstützend einzuwirken."

warum haben wir in den vereinigten Staaten, in Lhicago z. B., nicht solche
Schulen, die uns, was wir heute nicht besitzen, ein Kunstgewerbe schaffen könnten
und würden?

Die Ausstellung zeigt nicht so sehr den Lehrgang als vielmehr die Ergebnisse
desselben. Sie führt uns in die einzelnen Abteilungen, die Architckturschule, die
Bildhauerschule, die Liselirschule, die Dekorationsschule und die Zeichenlehrerschule,
plastische Arbeiten, Farbenstudien, Kompositionen der Schüler für dekorative Malerei;
pstanzenstudien, Thierbilder nach der Natur ausgenommen; Proben der Modellir-
kunst, Büsten, darunter Büsten aus Holz geschnitzt, prachtvolle Holzschnitzarbeiten,
die Hauptattraktion der Ausstellung, sind da ausgelegt. Freihandzeichnungen mit
der Feder, Tusche; künstlerisch ausgeführte Diplome, eine Spezialität der Schule,
Proben der architektonischen Formenlehre, der Glasmalerei und Keramik, der dckora-
tiven Malerei in den Stilarten der Gothik, der Renaissance, des Barocken, zeugen
von der Vielseitigkeit der Anstalt. Selbst-
ständige Entwürfe von künstlerisch ge-
formten Brunnen, Portalen, Vertäfelungen,

Möbeln, Schmiedeeisenarbeiten, Kunstwerke
der Buchbinderei beweisen, wie die Anstalt
in reger Fühlung mit der Praxis steht,
direkt ans die Industrie einzuwirken be-
müht ist. Die Metalltechnik, die Behand-
lung des Metalls im Graviren, Aetzen,

Liseliren findet in der Schule geziemende
Berücksichtigung.

Modelle zu Medaillen, Arbeiten von
eingelegtem Metall enthält die Ausstellung,
eine andere Abtheilung Tapetenmuster,
lithografische Arbeiten, Muster für Schmuck-
sachen und Edelmetalle; eine dritte Stilifir-
arbeiten, Zeichnungen von Thieren, die
dann stilistisch für (Ornamente verwcrthet
werden. Die Zeichnenlehre-Abtheilung ent-
hält Proben des methodischen Unterrichts. I

Interessant sind die vom Professor
Götz entworfenen Muster für Ehrengaben,

Prunkstücke und Prunkgemächer, die der-
selbe in einem ebenfalls ausgestellten, mit
Abbildungen versehenen Werk „Ehrenpreise
und Festgaben Sr.König!. Hoheit des Groß-
herzogs Friedrich von Baden" behandelt hat.

Daß die Anstalt sich in solchen Prunk-
stücken üben kann, das badische Kunstge-
werbe Anregung erhält, verdankt sie der
Generosität des Großhcrzogs, der Tausende
von Mark jedes Zahr verausgabt, um in
seinem Lande Pokale, Ehrengaben für die
Rennen in Baden-Baden, Mannheim und
andere festliche Gelegenheiten Herstellen zu
lassen. Unter diesen Entwürfen fallen be-
sonders die gelegentlich des Einzugs des
alten Kaiser Wilhelm und seines Enkels,
des Lrbgroßherzogs, im Jahre H885 in
Karlsruhe erbauten Ehrenpforten, das zum
500jährigen Jubiläum der Universität
Heidelberg gestiftete Banner, eine Salon-
einrichtung des Karlsruher Theaterintendanten Or. Luerklin ins Auge. — Diese
Schule ist die Grundlage, die Nährmutter der Ausstellung des badischen Kunst,
gcwerbes im Hauptstockwerk gewesen. Auch hier stößt der Besucher überall auf
Hermann Götz's Thätigkeit und Kunstsinn. Der große auf die Eolnmbia Avenue
schauende Pavillon, sowie die übrigen Gruppen Badens sind von ihm arrangirt.
Hier fanden auch einige Ehrengeschenke des großherzoglichen Hauses Aufstellung,
unter diesen vor Allem der Tafelaufsatz der badischen Gemeinden, den diese dem
Erbgroßherzog zur Hochzeit darboten. Der Aufsatz, eine Karlsruher Arbeit, besteht
aus einer silbergetricbenen, vergoldeten Mittelfigur, deren Reliefs die Jagd, die

Landwirthschaft, die Fischerei und die das Land durchschneidcnden Flüsse, Rhein und
Donau, darstellen. Lin Genius mit Fackel und Blüthcn krönt das Mittelstück; die
kleineren Aufsätze sind Kandelaber und Schalen mit wappenthiercn, dem badischen
Greis und dem Nassauer Löwen. In diesem Pavillon haben auch die Arbeiten der
Heidelberger Juweliere, unter denen ein getriebener Teller mit der Ansicht „Alt-
Heidelbergs der Feinen", auffällt, Aufstellung gefunden. Bemerkenswerth sind eine
Truhe der Großherzogin, eine zum Jubiläum gestiftete Schnitzarbeit, ein Bronze-
medaillon des Großherzogs, der erste versuch der badischen Bronzetechnik, ein Ge-
schenk der badischen Kriegervereine. Die Spezialität Karlsruhes auf dem Gebiet der
Kunstmöbelindustrie sind jene wunderherrlichen Schränke und Büffets mit eingelegter
Arbeit in der Naturfarbe der Hölzer, sodaß die Arbeiten wie Malereien ausschauen.
— Zwei Figuren, Werke des Professor Heer, Lehrer an der Karlsruher Kunst-

Abbildung Nr. 629. Joly's patvntirtp Trepph im Rokoko-Stil.

Ausgesührt für das deutsche Repräscntations - Baus in Ehicago vom Eisenwerk Jolx, Miltenberg

gewerbeschulc, der jetzt mit der Ausführung des Kaiserdenkmals der badischen Landes-
Hauptstadt betraut ist, schmücken die Nischen des Pavillons, und rechts von ihnen
sind zwei von Professor Götz entworfene Adressenschreine aufgehängt, eine Variation
von den ewigen Adressen in Buchform, der eine von den badischen Gewerben an
den Großherzog, der andere von der liberalen Fraktion der Kammer an den Kammer-
präsidenten Karl Friderich zu seinem <xo jährigen Dienstjubiläum. Ueber diesem
hängt ein kostbarer gemalter Fächer, dessen Fassung, Perlmutter mit Gold und
Brillanten, ein Werk des Karlsruher Professors Eyth, auf der Karlsruher Fächer-
ausstellung im Zahre s89s den ersten Preis erhielt. Erwähnen wir noch die
Llfenbeinfigürchen mit Goldfassung von Bertsch und die durch ihre formvollendete
Durchführung ins Auge fallende Kasette des Meisters und Lehrers der deutschen
Liseleure, des Professor Rudolf Mayer in Karlsruhe.

An dem Rokoko - Boudoir des Karlsruher Möbelfabrikanten Diestel Horst,
dessen Einrichtung in lichtem Ahornholz mit eingelegten Blumen und vergoldetem
Bronzbeschlag gehalten, eine mäßig theuere Saloneinrichtung, in Deutschland würde
sie 5000 Mark kosten, darstellt, vorbei, gelangen wir in den rechts von der Berliner
Porzellanmanufaktur gelegenen zweiten Pavillon Badens.

Durch ein in Vffenburg gefertigtes Thorgittcr, nicht ganz so interessant wie das,
welches den Mittelbau gegen die Lolumbia Avenue abschließt, aber doch ein schönes
Stück der Kunstschmiedcarbcit, tritt man in den Raum, der die prachtvollen Prunk-

schränke und Büffets mit eingelegten Schnitz-
arbeiten , die ausfchauen wie Alalereien,
die Ledermosaikarbeiten, die Schwarzwalder
Majoliken, alle entworfen nach Mustern,
die aus der Karlsruher Schule hervorge-
gangen und in der Ausstellung ausgelegt
sind, enthält. Ein breiter Glasschrank ist
gefüllt mit den trefflichen Produkten der
unter dein Protektorat der Großherzogin
stehenden Kunststickereischule.

Bevor wir scheiden, öffnet sich die
Thür der großen, mit schmiedeeisernen (Or-
namenten verzierten Standuhr und der
Trompeter von Säckingen bläst uns den
Abschiedsgruß zu, während Kater Hedigeigei
weiterphilosophirt und Margarethe den be-
strickenden Tönen des Trompeters lauscht.

Diese Scheffeluhr ist nicht die einzige
in der Kollektiv-Ausstellung der berühmten
Schwarzwälder Uhrenindustrie, die ununter,
krochen ganze Schaaren Neugieriger und
andächtig und bewundernd Lauschender um
sich sammelt. Auf ein Zeichen öffnet sich
die Thür jener kunstvoll ornamentirten
Uhr und heraustretcn zwei Flötenspieler,
die Lins blasen, oder der Papagei hoch
oben auf der Ahr oder der Singvogel öffnet
sein Schnäbelchen und schnattert oder
schmettert darauf los.

Die Uhrausstellung der Fabrikanten
von Furtwangen, Triberg, Neustadt,
Eisenbach und villingen macht dem Ruf
des Schwarzwaldes alle Ehre.

Noch immer nicht das Ende der ba-
dischen Ausstellung, die an Großartigkeit
und Reichhaltigkeit selbst größere Staaten
übertrifft. Da sind noch die Schmiede-
eisenarbeiten, zu Gittern und (Ornamenten
z. B. an den Wanduhren verwendet, da
ist der große (Ofenschirm mit Reichsadler
aus Gaggenau, eine Lmaillearbeit auf
Eisen, ein Geschenk des Großherzogs an
Kaiser Wilhelm, zu nennen; da sind die im deutschen Haus aufgestellten Kirchen-
figuren und Paramente; da die Häbler'schen Elfenbeinschnitzereien aus Baden-Baden;
da die Karlsruher Glasmalereien auf der Gallerie, unter denen besonders das
Gemälde „wein, Weib und Gesang" von H. Drinneberg in Karlsruhe hevorragt.

Wahrlich, Badens 250 Aussteller, von denen allein ((2 im Kunstgewerbe
ausgestellt haben, leisten Großartiges!") —

RrinipniNtt der; Vildrrralxinvn. Bei der Reinigung von Holzvergoldung
an Spiegeln und Bilderrahmcn möge man sehr vorsichtig verfahren, weil das Gold
auf diesen Gegenständen nur sehr dünn aufgetragen ist und bei seiner Weichheit
ungemein leicht abgeputzt wird; wenn jedoch Fliegenschmutz oder andere Unreinlich,
keiten eine Reinigung unbedingt erforderlich machen, so bediene man sich einer
Mischung von so Gramm Salmiakgeist und -so Gramm Seifenspiritus. —

-st Allen Denjenigen, welche vorstehenden, die Erfolge des süddeutschen Uunstgewerbes schildernden
Bericht mit Interesse gelesen haben, wird auch die soeben ini Verlag von Alexander Uoch, Darmstadt
erschienene Broschüre von Mart. Aimbrl, Breslau t „Nottzruf des Aunstgriverbr», Schulung
und Niedergang drslelden in Preutzrn", Preis Mk. 1.5,0. eine willkommene und beherzigenswerthe
Lektüre sein. — ^kr Verfasser schildert darin in ungeschminkter objektiver weise hervortretende Mängel
der kunstgewerblichen und gewerblichen Erziehung in Preußen und verlangt eine gründliche Reorga-
nisation unter Anführung gesunder Refor mvorschläge. Die Schrikkletkuug.
 
Annotationen