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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Galland, Georg: Die Reform der Künstler-Jury [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0028

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(8 D i e K u n st - L) a l l e. Nr. 2

könnten. Ls wäre zugleich die Frage zu erwägen,
ob und in welcher Zahl auch Nichtkünstler, die zur
bildenden Kunst in naher Beziehung stehen, in diese
Körperschaft berufen werden sollen. Widerstrebt auch
bei uns (im Gegensatz z. B. zu Dresden) der Mehr-
heit der ausübenden Kräfte sonderbarerweise der
„dilettantische" Einfluß bei Ausstellungen, so wird
dennoch diese Mehrheit die alte Erfahrung nicht aus
der Welt schaffen können: daß auf keiner Seite über
lebende Künstler so hart, subjektiv und daher ungerecht
geurtheilt zu werden pflegt, wie im Kreise der Genossen
selbst — und ferner wird sie nicht leugnen können, daß
Leute, denen ein maßgebendes Urtheil über Werke ver-
gangener Epochen allgemein eingeräumt wird, nicht
minder auch der lebenden Kunst das erforderliche Ver-
ständniß entgegenbringen. Wie nun auch diese Zury
endgültig zusammengesetzt sein möge, Bedingung muß
fein, daß ihre Mitglieder nach Annahme der Berufung
einen Lid in die Hand des Ministers oder dessen Ver-
treters leisten.
Die gewählte Körperschaft würde alsdann in zwei
Gruppen zu theilen sein: eine Hauptjury und eine
Vertretungsjury. Die Funktion der ersteren wäre
es, unter den Einsendungen für eine Kunstausstellung
die Auswahl zu treffen, nach kritischen Gesichtspunkten
und gleichzeitig im Nahmen des Bedarfs. Wenn sich
auch, nach wie vor, die Bedarfsfrage nicht wird unter-
drücken lassen, so soll sie doch nur da nicht von sekun-
därer Bedeutung sein, wo entweder viel zu wenig oder
bei weitem zu viel Einsendungen gemacht sind. Die
Mitglieder der Vertretungsjury würden, was der Name
ihrer Körperschaft schon besagt, die Anderen eventuell
ersetzen müssen. Aber es läge ferner nahe, an sie auch
für die später noch zu erörterirden Fälle einer Revision
von Ablehnungen der Hauptjury zu denken. Selbst-
verständlich wäre für die kleineren Ausstellungen in den
Provinzen blos eine beschränkte Zahl von Juroren zu
designiren, die in ihrer Gesammtheit nur bei den großen
Zahresausstellungen der Hauxtkunstorte in Thätigkeit
zu treten hätten.
Der wesentliche Unterschied der vorgeschlagenen
Einrichtung gegen früher würde demnach sein, daß
nicht mehr „die eigenen Leute" selbstherrlich die Aus-
wahl treffen, jedenfalls sie nicht allein, von allen bis-
her gegen die lokalen Zurys geschleuderten Verdächti-
gungen klingt wohl jene bereits zitirte Aeußerung am
unangenehmsten: Die Zuroren-Künftler verfahren manch-
mal so rigoros, um sich unbequeme Konkurrenten vom
Halse zu schaffen. Um solchen Verdächtigungen — so
grundlos sie auch in der Mehrzahl der Fälle sicherlich
sein dürften — wirksam zu begegnen, giebt es freilich
keinen besseren Ausweg, als ihnen den Boden zu ent-
ziehen. Nicht aber führt hier eine VogelstraußWolitik
zum Ziele; sie würde die Stimmen der Gegner niemals
zum Schweigen bringen. Durch die vorgeschlagene
Reform des Wahlsystems, welches eine Zentralisirung
der Künstlerjurys eines Landes bezweckt, wird aber

endlich ein Weg gewiesen, auf welchem eine Verständi-
gung aller Elemente zu ermöglichen ist. Sind erst „die
eigenen Leute" so viel wie angängig aus der Zensur-
behörde einer Ausstellung eliminirt oder wenigstens in
den Hintergrund getreten, dann verliert am Orte der
Thal auch jener fatale verdacht eines unlauteren
Wettbewerbs zweifellos jede Unterlage und Be-
rechtigung.
Lin Ehrenamt bleibt die Thätigkeit des künftigen
Zurors demungeachtet, selbst wenn die Betonung mehr
auf das Amt, als auf die Ehren zu legen ist.
Sonst würde sich von Neuem leicht wieder die Auf-
fassung einbürgern, daß es ein Amt sei, für dessen
Träger nichts über die eigene Ehrung gehe. Nein,
meine Herren, dies persönliche Bewußtsein sei kein
zweiter Leibesschatten, über den Niemand springen
kann, vielmehr ein Amt, das lediglich dazu geschaffen
sein soll: die künstlerische Ehre des Andern zu fördern
und zwar durch das höchste Maß von Ehrlichkeit, mit
dein ein zeder Juror seine Aufgabe zu erfüllen hätte.
Ze weniger der durch irgendwelche Rücksichten ge-
bunden ist, um so leichter wird ihm die Ehrlichkeit ge-
macht. Ich finde es aber auch nur berechtigt, daß
man die Mitglieder der Zury für ihre amtliche Thätig-
keit finanziell entschädigt, gleichgültig, ob man dies
Bezahlung oder mit einem Lhrensold beschenken nennen
will. Die Frage, ob der Staat oder aber die betreffende
Ausstellung die Kosten der aktiven Zury zu tragen habe,
erscheint mir einstweilen von geringem Belang. Sicher-
lich braucht auch nicht jeder Juror sich verpflichtet zu
fühlen, eine Entschädigung für seine Arbeit anzu-
nehmen.
von noch größerer Bedeutung, als das vorherige,
ist zweifellos das verhältniß der Jury zu den Zurirten,
das mir im hohen Grade reformbedürftig erscheint.
Gehört es doch beispielsweise zu den alle Zahre ge-
machten Erfahrungen vieler Künstler, daß sie selbst am
Tage der feierlicher: Ausstellungs-Eröffnung noch nicht
wissen, ob ihre der Leitung anvertrauten Werke ange-
nommen oder abgelehnt sind. Sie erfahren deren
Schicksal oft erst aus dem gedruckten Katalog. Das
erweckt bittere Gefühle! So bedingungslos, so auf
Gnade oder Ungnade, sich dem Urtheil einer Zury,
deren Legitimität manchmal auf nur schwachen Füßen
ruht, mag sich nicht jeder auf sich etwas haltende
Künstler unterwerfen, auch wenn sein Stolz nicht auf
dem Glück einer goldenen oder silbernen Medaille
basirt. Er meidet lieber die Ausstellungen überhaupt
und hilft die Reihen der Mißvergnügten und Verkannten
vergrößern. Lin angenehmer sozialer Zustand ist das
wohl kaum zu nennen.
Mir schwebt hierbei folgender selbsterlebter Fall
vor, der sich in Berlin vor einigen Zähren ereignete.
Lin hier ansässiger Maler sandte der „Großen Berliner"
drei Gemälde ein, nennen wir sie: Vanitas — Ein
fetter Bissen — Vielliebchen. Die Titel lauteten na-
türlich anders. Der Linsender erhielt kurz vor der
 
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