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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Ebe, Gustav: Licht und Farbe als Ausdrucksmittel der Architektur neuer Richtung [2], Schluss
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Nr. §

5s

Die K u n st - H a l l e.

formen bemalter Fries, während die glatt verputzte
Decke ein gemaltes, verstreutes Blumenmuster zeigt.
Linigemale hat man die in Ziegeln aufgeführten Wände
im unteren Theile einfach weiß gefugt und nur den
oberen Theil durch ein gemaltes Muster auf Putzgrund
belebt, während die Decke schlichte Holzbalken und
getäfelte oder verputzte Felder zeigt. Linen größeren
Spielraum für die Bethätigung der neuen Richtung hat
die Bekleidung der Wandflächen mit Papiertapeten ge-
boten, in deren Umbildung nach neuen Prinzipien die
Engländer vorangegangen sind. Das Studium der
Manzen nach der Natur hat die erfreulichsten An-
regungen zur Ausbildung neuer Muster geliefert, die
man in England nach den benutzten Blumenmotiven
zu benennen pflegt. So heißen die Tapeten.- Maß-
liebchen, Butterblume, Pfauengarten u. s. w.; auch der
stilisirte Baum kommt öfter als Tapetenmotiv vor und
wird dann „Wald" genannt. Weniger geschmackvoll
wirken die Taxetenmuster, auf denen menschliche Büsten
oder Genreszenen in regelmäßiger Wiederholung an-
gebracht sind, und noch weniger ist das Uebermaß im
Gebrauch des Bedeutungsvollen zu billigen, welches
sich in Märchenszenen und schreckhaften symbolischen
und fabelhaften Thier- und Menschengestalten ergeht,
und dem Charakter einer ruhigen Flächendekoration
geradezu widerspricht. — Sämmtliche Räume des Buuten
Theaters in Berlin, von Endell erbaut, sind im neuen
Stil dekorirt, sowohl was die Zeichnung als die Farbe
anbelangt. Der untere Theil der Wände des Zuschauer-
raumes ist mit Stoff bespannt und wird durch einen
Friesstreifen mit phantastischen, in ihrer Bedeutung
schwer zu enträtselnden Thiergestalten abgeschlossen;
der obere Wandtheil und die durch kein Gesims ab-
getrennte Decke sind mit einein bunten punktirten Muster
überzogen. Das Augenfälligste in der Ausstattung der
Theaterräume ist die gesucht fremdartige Musterung der
Wandbekleidungen in Form und Farbe, desgleichen der
Fußbodenteppiche. Man muß mindestens zugeben, daß
hier ein entschiedener Gegensatz zum Hergebrachten ge-
schaffen wurde, wenn auch die Schönheit des Dar-
gebotenen nicht für Jeden ausgemacht sein dürfte.
Für die figürlichen Wandsresken der neuen Richtung
ist die Freilichtmalerei ebenso maßgebend geworden,
wie für die Tafelmalerei, hat sich aber für jene als
besonders geeignet erwiesen, indem sie sür die Gesammt-
wirkung den Hellen Silberton, der schon die Deckenbilder
Tiepolos auszeichnete, wieder zur vollen Geltung kommen
läßt. Unter den Franzosen war es besonders puvis de
Thavannes, der für die Feststellung der Prinzipien einer
neuen Dekoration von poetischer Empfindung durch-
strömten Monumentalmalerei durch seine eigenen
Schöpfungen Bahn brach. Zn England vertreten noch
heute die Nachfolger der Präraffaeliten und noch schärfer
die Schule von Glasgow eine ähnliche Richtung, letztere
hat mit Dorliebe sagenhafte Vorgänge nach alten
klassischen Volksliedern als Motive ihrer Darstellungen
gewählt. Zn Deutschland haben Zsmael Gentz, W. Volz
u. A. Wandbilder von echt dekorativer Auffassung und
schöner Heller Färbung geschaffen, in denen die Eigen-
thümlichkeiten der Tafelmalerei neuer Richtung: das
vorwiegende Betonen der Farben- und Lichtwirkungen,
welches den Gedankeninhalt einigermaßen zurücktreten
läßt, den Verzicht aus kräftige Modellirung, an deren
Stelle eine flächige Behandlung tritt, sowie die intimere
Verbindung des Figürlichen mit der Landschaft gleich-
falls voll zur Geltung kommen.
Gehen wir nun auf die Lichtwirkungen näher ein,
zunächst auf das Hervorheben der plastischen Außen-
gliederung der Bauwerke durch den Gegensatz von Licht

und Schatten, so finden wir dies Element bereits in
der griechischen und römischen Antike, namentlich in den
um einen festen Kern gelagerten Säulenhallen von ent-
schiedener, den Eindruck bestimmender Wichtigkeit. Zm
Mittelalter tritt die Schattengebung als Mittel zur Be-
lebung der gruppirten Baumassen mächtig hervor, wird
aber in bewußter Weise als künstlerisches Stimmungs-
mittel erst seit dem Auftreten der Renaissance benutzt.
Endlich verleiht der Barockstil dem Streben nach Licht-
und Schattenwirkung einen triumphirenden Ausdruck;
man darf wohl sagen, daß das Barock diesem Bemühen
ganz eigentlich sein Hervorwachsen aus der Renaissance
verdankt. — Mit dem plastischen Uebermaß des Barocks
will nun aber unsere neueste Richtung keineswegs wett-
eifern, sondern sie drängt ganz im Gegensätze zu diesem
auf möglichste Eiufachheit der plastischen Gliederung
hin. Es ist demnach ersichtlich, daß die Moderne auf
diesem Gebiete darauf verzichten muß, das Alte an
Wirkung zu übertreffen.
Die Anordnung der Lichtzuführung für die Znnen-
räume, welche durch Lage und Größe der Lichtöffnungen
bedingt ist, muß als eines der vorzüglichsten Kunstmittel
gelten, um eine vom Künstler gewollte Stimmung hervor-
zurufen; sie ist wohl schon früh in diesem Sinne benutzt
worden und hat manche Wandlungen erfahren. Der
von fensterlosen Wänden umschlossene, einzig durch ein
Deckenlicht erhellte Raum bildet die Regel sür die An-
lage der ältesten Wohnungen, sowohl in den altnordischen
einräumigen Bauernhäusern als in dem Männersale des
altgriechischen Anaktenhauses. Auch die galerieartigen
Säle des altgriechischen Königspalastes waren vermuth-
lich fensterlos und wurden durch Deckenlicht erleuchtet.
Gb die Einrichtung der Deckenöffnung von dem grie-
chischen Wohnhause auf den griechischen Tempel über-
gegangen ist, bleibt eine offene Frage, namentlich da
auch Pausanias nichts derartiges erwähnt; nothwendig
war diese Uebertragung nicht, da dein Tempel der
Herd fehlte. Die für den Zeustempel in Olympia
bezeugte Anlage eines Gpaions kann eine örtliche Be-
sonderheit gewesen sein, von der nicht ohne weiteres
ein Schluß aufs Allgemeine gezogen werden darf. —-
Das großartigste Beispiel eines Kuppelbaues mit kon-
zentrirtem Oberlicht hat uns die römische Antike in dem
Pantheon überliefert, nirgendwo anders ist der Ausdruck
einer traumhaft weihevollen, majestätisch feierlichen
Ruhe besser erreicht worden. Von dem reinen Ober-
licht hat die antike Baukunst selbst nur noch selten Ge-
brauch gemacht, noch weniger die späteren Perioden,
vielmehr tritt stets eine Verbindung der Scheitelöffnung
in der Kuppel mit Lichtöffnungen in den Schildmauern auf.
Ganz andere Raumstimmungen wie das konzen-
trirte Deckenlicht bringt das hochgelegene Seitenlicht
hervor: während das Deckenlicht die plastische Wirkung
der Einzelgliederungen zurückdrängt und sogar fast ver-
nichtet, so werden diese vom Hochliegenden Seitenlicht
erst recht in lebendigster Weise hervorgehoben. Zn den
großen Säulensälen der ägyptischen Tempel, welche
wie der in Karnak ein erhöhtes Mittelschiff und Licht-
öffnungen in den Gbermauern desselben haben, muß
der Gegensatz der scharfen Beleuchtung durch die Hoch-
liegenden Lichtgitter zu dem fensterlosen Dunkel der
Seitenschiffe einen feierlich ergreifenden und zugleich
geheimnißvollen Eindruck hervorgebracht haben, von
dem wir uns heute allerdings, wegen des ruinenhaften
Zustandes, nicht mehr durch den Augenschein überzeugen
können. Nicht besser erhalten als die ägyptischen sind
die meisten der antiken Bauwerke, welche von dem
hohen Seitenlicht Gebrauch gemacht hatten; so sind von
den römischen Thermen des Taracalla, welche jedenfalls
 
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