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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Ebe, Gustav: Licht und Farbe als Ausdrucksmittel der Architektur neuer Richtung [2], Schluss
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52

Die Kunst-Halle.

Nr.

großartige Beispiele für Lichtwirkungen in geschlossenen
gewölbten Räumen geboten haben mögen, nur Trümmer
aus uns gekommen. Ohne uns bei diesen Bauten aus-
zuhalten, deren ehemalige Wirkung nicht mehr am
thatsächlich Vorhandenen sestgestellt werden kann, wenden
wir uns gleich den Denkmälern der altchristlichen Periode
zu, und nennen als vorzüglichstes Beispiel für die durch
hohes Beitenlicht hervorgerusene friedlich weihevolle
Stimmung das Innere der flachgedeckten Längsbasilika.
Die in Rom ausgesührten Längsbasiliken entbehrten
sogar die Lenster in den Seitenschiffen, was unzweifel-
haft zur Erhöhung der einheitlichen Stimmung beitrug.
— Die gewölbten Zentralbauten der altchristlichen
Periode, fast durchweg den basilikalen (Querschnitt zeigend,
machen sich ebenfalls die Zuführung des Lichts durch
hochgelegene Seitenwände zu nutze. Es finden sich
namentlich in Italien zahlreiche gut erhaltene Zentral-
bauten aus der genannten Periode. Aus dem Bereiche
der byzantinischen Kunst hebt sich die Sophienkirche in
Konstantinopel als Denkmal ersten Ranges hervor; sie
giebt zum ersten Male in größten Abmessungen eine
über dem Lichtkranze der am Luße der Kuppel ein-
geschnittenen Lenster schwebende Wölbung. Die spätere
byzantinische Kuppel ruht aus einem von Lichtöffnungen
durchbrochenen hohen Tambour und wird durch diese
Anordnung zum vorbilde der Renaissancekupxel.
Lür die hohe Schätzung, in der die Beleuchtung
durch hochgelegene Seitenfenster stand, spricht vor allem
das zielbewußte und nach unausgesetzten versuchen end-
lich mit Erfolg gekrönte Bestreben, diese Beleuchtungs-
art aus die gewölbte Längsbasilika zu übertragen, wie
dies in großartigster und wirkungsvollster Weise im
Bau der großen romanischen Dome am Mittelrhein
geschah. — Das Aeußerste des Lichtzaubers kommt
jedoch erst in den gothischen Kathedralen mit basilikalem
(Querschnitt zur vollen Entfaltung, in denen die Ober-
fenster fast den ganzen Raum zwischen den Strebepfeilern
aussüllen und überdem mit den setzt durchsichtig ge-
bildeten Trisorien zu einer überwältigend großartig
wirkenden Einheit zusammengezogen werden. Die breiten
Lichtflächen der Lenster werden dann wieder durch
Pfosten und Maßwerke getheilt und die im Uebermaße
einströmenden Lichtfluthen durch die Bemalung der
Lenster gemildert und poetisch verklärt. Der Gegensatz
zwischen dem himmelklaren Hochschiffe und den in
Dämmerung verschwimmenden Seitenschiffen, sowie der
phantastische Wechsel des Lichts in den Chorkapellen
gehört zu den höchsten jemals erreichten Innenwirkungen,
welche künstlerischer Phantasie und Gestaltungskraft
ihren Ursprung verdanken.
Eine wieder das Gebiet der Lichtzuführung be-
rührende Erfindung der Renaissance ist die Verbindung
einer Tambourkuppel mit einem basilikal angelegten
Langhause. Indem die Kuppel über einem reichlich
mit Lenster:: versehenen Tambour aussteigt und mit
einer lichtspendenden Laterne bekrönt wird, ergiebt sich
eine Lichtwirkung neuer Art. Der St. petersdom in
Nom, der in seiner ungeheuren Kuppelwölbung den
Ausdruck des frei Schwebenden in eindrucksvollster Weise
zur Geltung bringt, darf als unübertroffenes Vorbild
für diese ganze Klasse kirchlicher Bauwerke gelten. In
der Barockzeit kommt nur noch eine wesentliche Aende-
rung hinzu, indem das Mittelschiff nach dem Muster
des Gesn in Rom erheblich verbreitert und im unteren
Theile mit fensterlosen Kapellen von geringer Tiefe
und über denselben mit seitlich beleuchteten Emporen
umzogen wird. Die Beleuchtungsverhältnisse des Innern
bleiben so ziemlich dieselben wie in der Renaissance.
Als eine besondere Feinheit des Barockstils muß das

gelegentlich über der Mittelöffnung der unteren Kuppel-
schale angebrachte, scharf von unten durch Geffnungen
in der oberen Kuppel beleuchtete Bild gelten, dessen
Liguren in Lolge dieser Einrichtung frei im Aether zu
schweben scheinen.
Wenn die Beispiele für die obigen Erörterungen
meist von Tempeln und Kirchen hergenommen waren,
so erklärt sich das von selbst, da keine andere Gebäude-
klasse gleich vorzügliche Ergebnisse in jeder Art der
Beleuchtung eines Innenraumes bietet. Indeß hatte
die Lrage der Lichtzuführung auch für die großen
Saalanlagen und Treppenhäuser der öffentlichen und
privaten Profangebäude eine hervorragende Bedeutung
und hatte namentlich in der Barockzeit zu Anordnungen
von künstlerischer Wirksamkeit Veranlassung gegeben.
Doch würde es an dieser Stelle zu weit führen, wenn
man die Leistungen auf dem Gebiete der profanbauten
an einzelnen weiter verfolgen wollte.
Lür die Bauwerke des 1s>. Jahrhunderts ist kaum
eine wesentliche Neuerung in der Beleuchtung der
Räume durch Tageslicht zu verzeichnen. Auch die
neueste Richtung in der Architektur wird sich begnügen
müssen, die in den früheren Stilperioden ausgebildeten
Beleuchtungsarten zu verwenden, ohne dieselben durch
neue Erfindungen vermehren zu können. Die in letzter
Zeit wichtig gewordene elektrische Beleuchtung könnte
wohl, selbst abgesehen von ihrer Verwendung zu Bühnen-
zwecken, Gelegenheit zu neuen Lichtwirkungen bieten,
diese würden jedoch ganz anderer Art sein, als die
durch Tageslicht hervorgebrachten, da dieses von außen
einströmt, während die elektrischen Lichtquellen von
innen aus ihre Strahlen versenden.
An dieser Stelle ist noch die Umbildung zu er-
wähnen, welche die Glasmalerei in neuester Zeit er-
fahren hat, da dieselbe in engerem Zusammenhänge
mit den durch das Einströmen des Tageslichts be-
wirkten Raumstimmungen steht. Unter den Glas-
gemälden neuen Stils schließen sich die zum Schmucke
älterer Kirchen bestimmten mit Recht enger an mittel-
alterliche Vorbilder an, obgleich sie sich meist durch
ausführliche Behandlung des Landschaftlichen, durch die
Darstellung von Waldbäumen, Wasserläufen und der-
gleichen von der älteren Art unterscheiden, indem sich
ein moderner Zug einmischt. Andererseits ergehen sich
namentlich die zum Schmucke von Prosanbauten be-
stimmter: Bilder mit Vorliebe in Darstellungen ganz
modernen Charakters. Ls zeigen sich Jünglinge in der
Studirstube, andere Porträtfiguren, auch weibliche,
in modischer Kleidung, vor: Vögeln und anderem
Gethier, belebte Landschaften, Gruppen spielender Kinder
u. a. Das eigentlich Stilgemäße der Glasmalerei, die
den Hauptkontur bildenden Verbleiungen sind stets streng
innegehalten, ebenso wetteifern die neueren Glasbilder
mit den alten in der Verwendung satter, leuchtender
Larben.
Aus allen: vorgesagten läßt sich aus das ent-
schiedene Bestreben der neuen Richtung in der Archi-
tektur schließen, welches nicht allein in der plastischen
Lormgebung, sondern auch in der malerischen Aus-
stattung des Aeußeren und Inneren der Bauwerke ein
eigenartiges, das Bethätigen einer künstlerischen Indi-
vidualität voraussetzendes Schaffen an die Stelle der
gewohnheitsmäßigen Nachfolge des Ueberlieserten zu
setzen sucht. Die beigebrachten Beispiele, wenn auch
nur summarisch zusammengestellt, lassen den bereits
erreichten, bedeutenden Umfang der Leistungen dieser
Art erkennen.
 
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