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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Zimmern, Helen: Davide Calandra
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0137

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Nr. 8 Die Kunst-Halle. ff5

lichen Plätze in Italien mit ihren erbärmlichen Pro-
duktionen verunzieren dürfen. Talandra hatte in
seinem Entwurf die Theorie verwirklicht, daß ein Denk-
mal, besonders ein Heldendenkmal, nicht aus zwei
verschiedenen Theilen, dem Postament und der Statue
bestehen soll, die nur äußerlich in Zusammenhang stehen,
sondern daß sie Eins sein, ein in sich zusammengehöriges,
aktuell und intellektuell mit einander verschmolzenes
Ganzes bilden sollten.
Mehr Glück hatte Talandra bei einer dritten Gari-
baldi-Konkurrenz, die von der Stadt Parma ausge-
schrieben war. Schlicht, groß und anspruchslos, wie
der Held im Leben war, so zeigt ihn das Standbild in
Bronze, eines der Denkmäler auf der Piazza Tentrale.
Auf dem Postament sind die drei entscheidensten Mo-
mente in der Laufbahn des Kriegers dargestellt, doch
nicht in der herkömmlichen Art des einfachen Basreliefs.
An den Ecken sind die Figuren in Hochrelief gemeißelt,
stellenweise sogar freistehend, während sich die plastische
Darstellung nach der Mitte hin allmälig zum zartesten
Basrelief abstuft, wodurch die Wirkung die einer
malerischen Vision erreicht.
Diese Neuerung, die übrigens schon vorbildlich in
den Ghibertl'schen Thüren zu finden ist, zu einem noch
vollkommeneren Stil zu entwickeln, war Talandra bei
Herstellung des Denkmals für den verstorbenen Herzog
von Aosta beschieden, dem Werk, womit er als einer
der kraftvollsten Bildhauer hervortrat, die Italien jetzt
besitzt. Das Monument ist in Wahrheit eine Apotheose
Amadeo's von Savoyen, und nicht nur seiner Person,
sondern auch der ganzen Dynastie von tapferen,
glänzenden Kriegern, welche den Nus der Beherztheit
und des Muthes zu einem sxruchwörtlichen für das
Haus gemacht haben. In streng historischem Nähme?:
gehalten, ist die Auffassung doch den neusten modernen
Theorien entsprechend, hinsichtlich des Individuums in
der Masse. Zum Beispiel habe?: wir in den Basreliefs
von Ghiberti und selbst denen des Individualisten
Donatello, die Menge nur als eine Anzahl von Figuren,
die m: und für sich ohne spezielle Bedeutung sind; Per-
sonen aber keine Persönlichkeiten. Sie haben sämmtlich
nur eine Stimme, eine Ausdrucksweise für den sie beherr-
schenden gleichen Impuls. Bei Talandra hingegen ist
Jedes der vielen ein Individuum, sie sind freilich von
dem gleichen Gefühl beseelt, drücken es aber verschieden
aus, je nach ihrem Alter, ihrem Tharakter, ihrer An-
schauung. Die Neiterstatue irr Bronze erhebt sich auf
einem massiven piedestal aus rohem Granit. Prinz
Amadeo ist in jugendlichen Mannesalter dargestellt, als
lebenskräftiger, glänzender Kavalier, ein edles Noß rei-
tend. Auf den Hinterbeinen zurückgebogen, bäumt sich
das feurige Thier, im ungestümen Nitt von seinem
furchtlosen Reiter bezwungen. Auf deir zu dem piede-
stal der Statue hinanreichenden Stufen, die in Absätzen
geordnet sind, stürmt und wogt eine Menschenmenge,
in einer Art „wilden Jagd" vorgeführt die Ahn-
herrn des Hauses Savoyen. An den vier Ecken des

Monuments treten Gruppen aus dem Relief hervor,
davon jede eine geschichtliche Epoche rexräsentirt.
Die erste zeigt die stolzen fürstlichen Begründer des
kriegerische?: Geschlechts im Mittelalter, kraftvolle Ritter
der Blut- und Eisenzeit, bekleidet mit panzern und schweren
Helmen. Der vorderste Reiter, aus der Ecke heraus ge-
arbeitet, ist Umberto Biancamano, der Erste der Dynastie.
Neben ihm reitet, mit eingelegter Lanze, Pietro I, ge-
nannt der kleine Tharlemagne, und hinter diesen Amadeo V,
der Große. Und wieder andere noch, immer mehr der
Heldengestalten reihen sich an vittorio Amadeo II, die
Kette seines Annunciatenordens in Ermangelung von
Geld unter sei?? verarmtes Landvolk vertheilend; der
berühmte Prinz Lugen, „der tapfere Ritter;" und zuletzt,
die Hufe?? seines Pferdes auf einem Tippus des römi-
schen Forum, steht Viktor Emanuel, erster König des
vereinte?? Italiens, da, und zwar so gestellt, daß er
gradewegs nach seinem große?? Vorfahren, der neun
Jahrhunderte vor ihm gelebt, Umberro Biancamano
hinüberblickt. Den Hintergrund eines jeden Reliefs
bildet eine Ansicht, die in irgend einer Beziehung zum
Hause Savoyen steht. Und im Vordergrund ist ein
Stammbaum angebracht, auf dem der savoyische Adler
thront, dei? Wappenschild des Hauses zwischen seine?:
Klauen. Vom Stamm, in den Eiche und Lorbeer ge-
meißelt sind, hängt das Wappen Spaniens, halb bedeckt
von dem reich drapirten Königsmantel, dessen Falten zu-
gleich die einfache Inschrift umgebe?? „^.nmäeo 61 8s.-
vois. Duos äi Des Weiteren ist noch auf
dem untere?? Rande des Postaments das Folgende zu
lesen, von de??? Künstler selber: Oou l'iäesls s von
I'686?npio äkZIl svi, procls, Akusross, muniüoo, pari uel
ssoriüRo 6 uslls mss8tü. Um de?? Fries, aus Bronze,
unter dem diese Inschrift steht, schlinge?? sich Liebes-
knoten (uocli sinore) das Emblem des Hauses Savoyen,
das auch auf den Münzen und in der Verzierung des
Ordens dell'Annunciata erhalten ist. Hierzu ist noch
das Wort Deick gesetzt, die Devise des Hauses.
Dies die Beschreibung des Denkmals, so weit nüchterne
Worte eben reichen. Der Platz dafür ist sehr glücklich
gewählt mit de??? schattigen Grün des Valentin-Parkes
als Hintergrund und im Rücken die belaubten, villen-
geschmückten Hügelterrassen, die von dem Ufer des Po
aufsteige?? bis zu dei? schneebedeckten Alpenhöhen.
Italien kann stolz sein auf das Monument und seinen
Schöpfer; und da dieser ein noch jüngerer Künstler ist,
so darf man sich wohl der Hoffnung hingeben, daß
noch manches ähnlich bedeutende monumentale Werk
dazu beitragen werde, die abfälligen Beurtheilungen
der modernen italienische?? Plastik und Plastiker allmälig
zum Schweigen zu bringen.
 
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