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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Heilmeyer, Alexander: Frühjahrsausstellung der Münchener Sezession 1903
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0229

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Die R u n st - H a l l e.

Nr. f5


jüngeren Talenten, die uns hier begegnen, sind zu er-
wähnen: Ernst Stern, dessen Arbeitsfeld Metzgereien,
Rüchen, Arbeitsräume und wirthshausstuben bildet.
Ihm folgt Lsans parmann. Der Wiedergabe länd-
licher Interieurs aus der Dachauer Gegend wendet
sich Hermann Gröber zu; eine mehr oberländische
Spezies pflegt Josef Damberger. Mancher ältere
Rünstler wird vielleicht den oft rohen Zug in der
Technik Übelnehmen, wodurch manche Malfläche das
Aussehen eines grob gehobelten Brettes erhält. Dies
zugegeben, mag man Arthur Fitger wohl beistimmen,
wenn er sagt, daß setzt Studien vor die Geffentlichkeit
gezogen würden, die man früher in den hintersten
Winkel des Ateliers geschoben hätte, sobald ein fremder
Besucher der Thür nahte. Gb er damit auch sagen
will, daß diese Studien von damals den heutigen
gleichwertig gewesen sind? Denn das ist doch keine
Frage, daß das Malen den Jungen flott aus dein
Handgelenk geht.
Die Interieurs sind vielfach mit Figuren belebt.
Ls handelt sich dabei darum, diese geschickt in den
Raum zu stellen und so heraus zu modelliren, daß sie
nicht auf der Fläche kleben, sondern von Luft umflossen
sind. Naturgeinäß führt dieses Problem zur schärferen
Betonung der Figur, zum Porträt. Das Porträt in
seinem Zusammenhang mit der Stimmung des Innen-
raumes bildet eine Aufgabe, an der sich viele versucht
haben. Befriedigend löste sie Adolfo Levi er in dem
großen Repräsentationsporträt der Madame M. F.
Man kann es sich ganz gut in einem modernen Salon
denken. Auch Rorzendörfer geht diesem Problem in
einer koloristisch interessant behandelten Porträtstudie
nach. Lin Mädchenbildniß des gleichen Malers ver-
zichtet auf die Wiedergabe eines impressionistischen Ein-
drucks und giebt die Form schlicht und klar in ruhiger
gleichmäßiger Beleuchtung wieder. Dagegen hat
winternitz in einer Rückensigur die Lösung der Wieder-
gabe einer anmuthigen Frauengestalt bei unbestimmter
Beleuchtung versucht.
Licht und Farbe, das sind die beiden Hauptfaktoren
in der modernen Landschaftsmalerei. Die graufahle,
dämmerige Frühe, die thauige Frische des Morgens,
der erste Sonnenstrahl, die Heiterkeit eines Sommer-
vormittags, die sengende, glühende Mittagssonne mit
ihren tiefen blauen Schatten, der Dunst und die Schwüle
des Nachmittags, das erfrischende wehen am Abend,
die ziehenden Wolken, die reinen Lüfte, die strömenden
Bäche und stillen Wasser, die blühenden Bäume und
blumigen Wiesen, all dieses und noch vieles andere
bieten Motive in Hülle und Fülle und einen unerschöpf-
lichen Vuell der Anregung. Lin ausgesprochen lyrischer
Zug geht durch diese ganze Produktion. Diele dieser
Bilder erscheinen dem Auge wie ein zartes Gespinst
von Licht und Luft gewoben. Andere wieder gemahnen
an die Lrdenschwere und den materiellen Geist der
Dinge. Nicht selten erreichen manche eine Glut und
Glanz des Rolorits, wie sie sonst nur transparenten
Gemälden eigen sind, wir erinnern nur an das be-
kannte Motiv von Schramm-Zittau „Hühner in der
Sonne". Ueberhaupt hat sich durch die Zügel'sche
Schule ein gesunder, kräftiger Sinn für starke koloristische
Wirkungen ausgebildet. Sie führen in ihren Experi-
menten immer wieder die alten bekannten Modelle vor.
Den Schimmel in der Halbsonne oder im Schatten,
oder Ziegen in voller Sonne auf ödem, sandigen
Terrain. Emanuel Hegenbarth giebt nicht nur den
bekannten Schimmel in virtuoser weise, sondern er
versteht es auch die malerischen (Qualitäten der Geißen
ins rechte Licht zu rücken. Sein „Bergabhang mit

Ziegen" ist ein virtuos ausgeführtes koloristisches Pot-
pourri von blauen, violetten, schwärzlichen und röth-
lichen Tinten. Zwei Ziegen I und zwei Ziegen II sind
prächtig gelungene Momentaufnahmen. Doch man
würde ungerecht gegen den Rünstler, wollte man ihn
nur von dieser Seite betrachten; er versteht es, Land-
schaft und Thiere zu einer Einheit zusammenzustimmen.
Eben dieser Moment verleiht auch Eckenfelder's
„Pflügender Bauer" seinen eigenen Reiz.
Die Landschaft an sich ist sehr zahlreich vertreten,
ihre Stärke beträgt etwa 70 o/g von 265 Nummern im
Ganzen; gewiß auch ein kleiner Beweis für die domi-
nirende Stellung dieses Genres in der modernen Runst.
Man beginnt jetzt allenthalben die Resultate der bis-
herigen Studien zu verarbeiten. Der Komposition wird
wieder mehr Augenmerk zugewendet. Man versucht
hübsche Motive, die nicht nur als Farbflecke wirken,
sondern auch räumliche Anregungen geben, in hübscher
Form im Rahmen auszubreiten. Und das ist recht.
Denn was bietet eine Landschaft ohne räumliche Dis-
position? Der Blick muß darin mit Lust umherwandern
und durch alle Dimensionen, Höhen, Tiefen und weiten
geführt werden können. Man unterscheidet Landschaften,
welche durch eine einheitlich durchgeführte Farbstimmung
wirken, und solche, welche sich neben der Lösung eines
koloristischen Problems die Durchgestaltung und Bildung
des Räumlichen zur Aufgabe gemacht haben. Von der
letzteren Gattung sind die Werke von Friedrich Fehr
und zum Theil auch solche von Paul Trödel, letztere
aber nur bedingt. Denn häufig geben sie das optische
Bild etwas verschwommen, wie durch ein welliges
Glas gesehen. Es ist das ein Fehler, der sehr häufig
wiederkehrt, indem ein Ueberschwang koloristischen Ge-
fühls alles Räumliche unbestimmt und unsicher erscheinen
läßt. Auch Roch, Walter, Bürgers, wielandt lieben
eine Malerei, der jeder feste Ausgangspunkt mangelt.
In den entgegengesetzten Fehler verfällt Hell, der die
Luft und das Terrain behandelt wie Majolika oder
Stein, so daß die Farben wie Glasuren aussehen. Liner
ganz entgegengesetzten Anschauung huldigt wieder
Richard Pietz sch. Er sucht seinen Werken die Wirkung
von Gobelins zu geben. Darin trifft er mit den Be-
strebungen des Holländers van Gogh zusammen, der
die Landschaft einer völligen Zersetzung entgegenführte.
In seinem Bilde „Regenstimmung" werden alle räum-
lichen werthe in bloße Farbteilchen aufgelöst. Lin
ganz anderes Verfahren zeigt wieder sein Landsmann
Rarsen, der eine feste kompakte Malerei liebt.
Unter den wenigen Schwarzkunstblättern erregen
wohl die Radirungen von Legrand in Paris, nebst den
Zeichnungen von Ian Toorop das meiste Interesse,
auch hier schroffe Gegensätze. Legrand, ein Vertreter-
einer alten künstlerischen Kultur, die ihre Vorstellungen
wie ihre Ausdrucksmittel raffinirt verfeinert hat, Ian
Toorop ein Rind, mit reicher Phantasie begaht, dabei
scharfäugig und positiv in der Wiedergabe des Ge-
sehenen, im ganzen aber, für uns in seiner Mischung
von Naivität, Archaismus und Raffinement doch un-
genießbar — eine unserer Rasse und Tradition konträre
Erscheinung. Seltsam, wie sich hier in diesen Räumen
die naiven Anfänge der Runst der ausgebildeten
Virtuosität und Beherrschung aller Mittel gegenüber-
stehen, als ein Anfang und ein Ende.
A. Heilmeyer.
 
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