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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Marasse, Margarete: Urbino und Piero della Farncesca
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0262

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226

Die Aunst-Halle.

Nr. s5

— der flandrische Maler Roger van der Weyden be-
wundert hatte wie kein Kunstwerk Italiens, studiren
will, findet in dem kleinen Nest mit den alten Papier-
fabriken vielleicht eine neue (Quelle der Anregung.
Wird uns doch berichtet, daß sich von den schlichten
sinnigen umbrischen Malereien einiges in Privathäusern
erhalten habe. Das mag einen Besuch lohnen, im
übrigen möchte ich der sehr primitiven postbeförderung
von Pesaro nach Urbino ein Loblied singen, Pesaro
selbst mit seinem bewegten, bizarre Muscheln spendenden
Meer bleibt ein hell blühendes Bild in meiner Er-
innerung. Von der Fahrt herauf durch paradiesisches
Land will ich nicht lügnerisch behaupten, daß sie flug-
schnell vor sich ging, doch war sie nicht allein über-
glänzt von einem Himmel in der strahlenden Farbe der
Seligen, sondern auch von der Stimmung des Humors,
der alles verschönt, alles erträglich macht. Die Sonne
stand schon tief, als wir im wirthshaus zum „Tappone",
das so malerisch zwischen den Bäumen mit buntge-
särbtem Herbstlaub hervorlugte, die Pferde wechselten
und als wir bei den letzten Windungen der Straße
endlich den großartigen Palazzo Ducale mit seinen drei
Loggien, den beiden runden Thürmeu erblickten, war
der duftig dunkle Himmel durchsetzt mit silbernen Sternen.
Der herzogliche Palast ist Urbino, das übrige ist
ein reizend gelegenes unbedeutendes Städtchen nut
bergan steigenden Straßen und ohne jede Industrie.
Diesen Verhältnissen gemäß giebt es nur ein Hotel, den
Albergo d'Italia, in dem sich kein internationales
Publikum um die übrigeus recht löbliche Unterkunft
streitet. Nach wohliger Ermüdung schmeckt auch be-
scheidenes Essen trefflich und die Nächte in dein Lande
mit den: Silberglanz ehrwürdig großer Vergangenheit
erscheinen dem Erwartungsvollen immer kurz. Gar so
früh beginnen die Kirchenglocken zu läuten. Weihrauch
athmet der Fromme bei ihrem gedämpften Klang,
schönheitsfreudiges Heldenthum der Profane mit sen-
siblem Gemüth. Wer in den finsteren Winkeln des
nebelhaften Nordens die Gluth der Träume verstecken
muß, den treibt es im Süden hinaus in stürmischer
Ungeduld und Angst, eine Minute holdseliger Lebens-
verklärung zu versäumen.
Der berühmte Palast ist heute — wie in Italien
so viel andere Bauten mit ausgeprägten: Renaissance-
charakter — Regierungssitz und Archiv, seinen Zeit-
genossen galt er als fürstlicher Musterbau. Weder
groß, noch gewaltig, noch regelmäßig, zeigt das gut
erhaltene Schloß künstlerisch geadelten Geschmack, form-
reiche, phantasievolle Noblesse. Der Baumeister war
ein angesehener Dalmatiner Künstler, Luciano da Laurana,
die besten Theile des Palazzo, der wundervoll har-
monische Tortile werden ihm zugeschrieben. In der
Kunstgeschichte spricht man sonst nicht viel von diesen
Dalmatinern und doch hat auch Francesco da Laurana:
der sich in Frankreich — er lebte einige Jahre in
Avignon — um die Einführung der Renaissance ver-
dient machte, ein eigenartiges Talent. Seine Marmor-

büsten junger vornehmer Frauen sind von großem
Tharme. In unserem Berliner Museum besitzen wir
eine aristokratische Neapolitanerin, die in ihrer hoch-
müthig abweisenden Art, mit den heruntergeschlagenen
Augen, dem feinen Näschen an Desiderio da Settignano,
den Schöpfer der diskret bemalten Büsten der prin-
zesfinnen von Urbino erinnert. Sie gehört zu den
lieblich anmuthigen Werken des Francesco Laurana.
Der Palast wurde für Federigo da Montefeltro, für
den Fürsten, dessen Thaten Giovanni Santi, Raffaels
Vater, in Terzinen besang, in den Jahren lI68—82
erbaut; deu heute noch reizenden Innenschmuck über
den Thüren, den Fenstern und anheimelnden Kaminen
verdanken wir dem lombardischen Meister Ambrogio
da Milano. Federigo war vom Papst Sixtus IV. zum
Herzog von Urbino erhoben werden. Er ist der Be-
gründer des Idealstaates im Kreise der Mäzenaten, in
seinen: „Tortegiano" stellt der Graf Tastiglione den
Musensitz zu Urbino als Schule feinster Sitten hin. Als
Knabe schon sammelte Federigo Bücher und ist der
Stifter der berühmten urbmatischen Bibliothek, die sich
jetzt in: Vatikan befindet. Nach allen Richtungen hu:
entwickelte er schönheitpflegende Thätigkeit, sogar dem
gesundheitstärkenden Sport war er zugethan.
Franzesco Rovere, der Sohn eines armen Fischers
zu Savoua, der rücksichtslos aufstrebende Pontifex
,,äi bassissimL conäiUone", war als Sixtus IV. an einer
Verschwägerung seiner Familie mit den ersten Häusern
des Landes naturgemäß viel gelegen. Er verlobte seinen
Nepoten, Giovanni Rovere, einen Bruder des Kardinals
Julian, der sich später als Papst Julius II. unsterbliche
Verdienste um die Kunst erwerben sollte, mit einer
Tochter des neuernannteu Herzogs von Urbino.
Die Hochzeit wurde in Rom mit „persischen:" Luxus
gefeiert, nut jener Verschwendungslicbe bei großen Fest-
lichkeiten, die sich auch bei der Vermählungsfeier von
Federigos gichtkranken: Sohn Guidobaldo mit Elisabetta
Gonzaga bethätigte. Es ist interessant, aus Beschrei-
bungen zu erfahren, welchen Werth inan auf die
ästhetische Ausschmückung süßer Speisei: legte. Bei der
Hochzeit Guidobaldo's gab es: „Städte, Burgen, Fon-
tänen, sO Bäume, sehr uatürlich hergestellt, groß und
buiit, mit den dazugehörigen Früchten in Konfekt".
Mai: glaubt sich iu eineu modernen großstädtischen Fest-
saal versetzt.
Da ich die schöne Fürstenwohnung der Monte-
feltre's besuchte, litt ich unter der Begleitung von Leuten,
die im nüchternen Gewände unserer Zeit in den
glänzenden Renaissance - Räumen recht unsympathisch
wirkten. Sie stampften über den glatten Boden und
zeigten Staunei: und Bewunderung an: ungehörige::
Platz, mit der Philosophie der Unbewußten, wenn
man gern unbetretene Pfade wandelt, eine harte Plage!
vor einen: Bilde Piero della Francesca's vergaß ich
alle Welt, die Banalität der harmlosen Besucher. Ich
versenkte mich in die Betrachtung. Das Bild stellt
einen gänzlich unbelebten Platz dar, es ist nichts als
 
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