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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Dworaczek, Wilhelm: Kunstempfinden und Geschäftsgeist: (ein Wort über Wiener Kunstverhältnisse)
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Nr. 20

Die Aun st-Halle.

307

Lall. Der künstlerisch reinere und vornehmere Entwurf
Schachner's wird voraussichtlich den Machenschaften
der Otto Wagner-Hartei weichen müssen, und der
„geniale" Oberbaurath von Gnaden der Sezession und
ihrer Wortführer wird — der Himmel möge es ver-
hüten — neben den herrlichsten Prachtbau, den wir be-
sitzen, neben die Karlskirche Fischer v. Erlach's sein
nüchternes Experiment in Glas und Eisen stellen, wie
es ihm schon gelungen ist, die künstlerische Schönheit und
den feinen echt Wienerischen Reiz des neu umgestalteten
Karlsxlatzes durch die zwei Stadtbahnxavillons, die
feder Unwissende für Konditoreigeschäfte hält, zu ver-
unstalten !
Aber das Publikum ist dagegen machtlos — selbst
dann, wenn es sich um sein eigenes gutes Geld handelt,
wie beim Elisabeth-Denkmal; dessen Konkurrenzaus-
schreibung vielleicht unter den Denkmalausschreibungen
der vergangenen Jahre — bei welchen es niemals
ohne Skandal abging — den Vogel abgeschossen hat.
Nachdem man eine Konkurrenz ausgeschrieben, deren
Bedingungen vom Konnte nicht erfüllt wurden, die
also völlig rechtsungültig wäre und bei welcher schon die
Art der Hreiskrönung lebhaftes Befremden Hervorrufen
mußte, fiel es dem Komite plötzlich ein, ganz aä libi-
tum drei Künstler, die Herren Hans Bitterlich, Hermann
Klotz und Stefan Schwartz aufzufordern, Modell-
entwürfe auszuarbeiten für eine von Baurath Ghmann
vorher zu verfertigende Denkmalarchitektur. Man höre:
Zuerst von Herr Hofarchitekt Ghmann die Architektur
entworfen, und in diesen fertigen Rahmen hinein soll
nun die Figur hineinkomponirt werden. Abgesehen
davon, daß dies ein künstlerischer Nonsens ist, bleibt
die Frage offen: was berechtigt das Lxekutivkomits,
drei beliebige, nicht einmal erstklassige Bildhauer aus-
zuwählen, um ihnen einfach den großen und ehrenvollen
Auftrag zuzuschlagen? Wo bleiben die übrigen, zum
Theil ersten Künstler, die an der Konkurrenz sich be-
theiligten, während — man höre — Herr Bildhauer
Klotz dabei gar nicht einmal niitgethan hatte?
Aber die Einflüsse und Knterströmungen, welche
das Konnte bestimmten, waren jedenfalls mächtiger als
dessen gesunde Vernunft und sein Rechtsgefühl. Die
Antwort hierauf war ein muthiges und selten ein-
helliges Auflehnen der gesummten Künstlerschaft Wiens.
Künstlergenossenschaft, Sezession und Hagenbund xro-
testirten gegen ein derartiges Vorgehen, die ungarischen
Künstler sowie die Hrager Künstlervereinigung Manes
schlossen sich diesem Protest mit Sympathiekundgebungen
an. —
Was war die Folge? Das Kunstkomite, an dessen
Spitze ein paar Hoflieferanten rc. stehen, die sämmtlich
an akuten Knopflochschmerzen erkrankt sind, antworteten
in einer Form bodenloser Ueberhebung, die nicht scharf
genug zurückgewiesen werden kann und lehnten in vor-
nehmem Größenwahn jede weitere Debatte ab. Und
dieser Beschluß des Exekutivkomitbs wurde einstimmig
gefaßt! Selbstverständlich! Das darf nicht Wunder

nehmen! Die größten Meinungsdifferenzen sind be-
seitigt, sobald es gelingt, um sie ein gemeinsames Ordens-
band zu schlingen, und es giebt keinen österreichischen
Orden, der nicht von dem vielköpfigsten Komito per
Akklamation angenommen würde. Bedauerlich ist nur,
daß die Künstlerschaft Oesterreichs dazu herhalten soll,
sich und ihre ehrliche Arbeit einfach ausbeuten zu lassen,
um nachher geringschätzig von ein paar Geldprotzen,
die sich und ihren Einfluß bei einer so Lief in den
Symxathieen des Volkes wurzelnden Kunstangelegsnheit
in den Vordergrund drängen, bei Seite geschoben zu
werden. Die Unverfrorenheit dieses durchaus unfähigen
Kunstkomites ist wohl das Stärkste, was bisher in
unserem an derlei öffentlichen Skandalen durchaus nicht
armen Wien vorgekommen ist. Aber auch darauf
folgte die geziemende Antwort. Sämmtliche der
Künstlergenossenschaft, der Sezession und dem Hagen-
bund angehörigen Künstler meldeten ihren Austritt aus
dem Konnte, an, und eine Hrotestversammlung der
Wiener Kunstfreunde sprach in einer Resolution die
Erwartung aus, „daß kein österreichischer Künstler sich
herbeilassen werde, von diesem Komite einen Auftrag
entgegenzunehmen". Den so merkwürdig bevorzugten
Künstlern wird nun Gelegenheit geboten fein, ihr
Standesgefühl und ihr Rechtsbewußtsein angesichts der
großen Oeffentlichkeit zu dokumentiren. Freilich, es ist
eine schöne Sache um einen großen Auftrag, es ist
aber auch eine schöne Sache um ein ideales Künstler-
thum. — Ohne Bildhauer giebt es kein Denkmal!
Meister Hellmer, der das unvergleichlich schöne Denk-
mal der Kaiserin in Salzburg geschaffen, hat den ihm
mehrmals angebotenen Auftrag dieses Kunstkomites
rundweg abgelehnt. Er ist seinen Kollegen mit
leuchtendem Beispiel vorangegangen. Freilich bleibt
noch ein Bedenken offen. Selbst wenn kein Bildhauer
von Namen sich herbeiließe, den Auftrag anzunehmen,
dieses Komits würde das Denkmal auch bei einem
Steinmetz bestellen, ehe es abdankte und auf den heiß-
erstrebten Orden verzichtete. Und dagegen konnte die
Wiener Künstlerschaft nicht energisch genug Stellung
nehmen. Vielleicht werden solche Vorkommnisse auch
Künstler selbst zur Erkenntniß bringen, wohin es führt,
wenn die künstlerischen Ideale geschäftlichen oder strebe-
rischen Spekulationen ausgeliefert werden. Die Kunst-
verhältnisse in Wien sind bei soviel wahrem, echtem
und feinem Talent, über das wir verfügen, auf einen
traurigen Tiefstand gesunken, an dem die Künstler leider
nicht ganz schuldlos sind. Den Geschäftsgeist den sie
riefen, werden sie nun nicht mehr los. Die Kunst ist
so aber oft an Krämer und Handwerker ausgeliefert
worden, daß es nun nicht Wunder nehmen darf, wenn
Krämer und Handwerker sich herausnehmen, in Kunst-
angelegenheiten das große Wort zu führen. Vielleicht
aber — und das einmüthige Vorgehen der drei großen
Kunstvereinigungen ist ein gutes Vorzeichen hierfür —
kommt es endlich zu einer heilsamen Krise zwischen
Kunstempfinden und Geschäftsgeist und das erstere geht
 
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