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Die Kunst-Halle — 8.1903

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Heilmeyer, Alexander: Internat: Ausstellung der Sezession 1903, (Schluss) [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.61999#0408

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356

Die Run st-Halle.

Nr. 23

in einem koloristisch zart gestimmten Interieur aus
Lüneburg auch eingehend mit dem Studium des Licht-
und Raumproblems. Er variirt dieses Thema in allen
möglichen Motiven. Einmal ist es das Innere einer
Kirche oder eines Schloßhofes, und ein andermal wieder
Ansichten von Straßen, Plätzen, einer belebten Stadt.
Vor Allem ist es ihm dabei um die Harmonisirung von
kühlen, Hellen Farbtönen zu thun. Dieselbe Neigung
bekundet auch Robert Haug in seinem Interieurstück
„Daheim". Es zeigt die trauliche Ecke einer Stube
mit weißgetünchten wänden, einen Ramin mit flackern-
dem Feuer und einen zum Mahle gedeckten Tisch. In
seiner „goldenen Scheuer" führt uns der Engländer
George Llausen einen alten Holzbau vor, wie er auf
dem Lande meist zur Aufbewahrung der Feldfrüchte
und Ackergeräthe dient. Ein paar Rnaben sind damit
beschäftigt, Getreide durchzusieben und in Säcke zu
füllen. Das anziehendste Moment aber ist das Licht,
das durch alle Fugen und Ritzen dringt und das
Innere der Scheune mit einem goldenen Schimmer er-
füllt. Derselbe warme goldige Ton bildet auch die
Grundstimmung von George Sauters Interieur „Zu
Hause". Sauter liebt überhaupt in Duft verfließende
zarte Farben. Das Gegenständliche und Räumliche er-
scheint wie in weiche Nebel aufgelöst. Eine klösterliche
Stille liegt über diesen vornehmen Räumen ausge-
breitet. Durch eine getreue, fast nüchterne Darstellungs-
weise erzielen mit ähnlichen Motiven Gemälde des
französischen Malers s)rinet und des skandinavischen
Künstlers G. w. Achen eine beruhigende Wirkung.
Sie geben beide getreu Bericht, wie es in der gut-
situirten bürgerlichen Sphäre ihrer Heimath aussieht.
Alle bisherigen Interieurs könnte man ganz gut
neben einander sehen, jedes einzelne Bild ist durch irgend
ein gemeinsames Moment mit dem anderen verbunden,
alle sind auf Helle, zarte Farben gestimmt; die Dar-
stellung von Licht und Luft im Innenraume ist die
Hauptsache. Im Gegensätze dazu giebt F. Borchardt
in seinen Interieurs „Am Kamin" und „Die Blumen-
malerin" einen in tiefe Dämmerung gehüllten Raum,
der nur durch den Kontrast schillernder Seidenkleider,
rosiger Gesichter, schön gepflegter Hände junger Damen
belebt wird. Nicht selten kommen dazu noch in
metallene Rahmen gefaßte Spiegel an den wänden,
kostbares Horzellan auf einem Tischchen, eine alterthüm-
liche Stehuhr auf einer geschweiften Kommode u. a. m.
Alle diese Dinge heben sich auf diesem Grunde wie
Vretiosen auf weichem, dunklem Sammet ab. Man
denkt bei diesen subtil durchgeführten Bildchen an
Mieris, Terborch und andere niederländische Klein-
meister. Die technische Behandlung ist wirklich virtuos.
Alle Vorzüge der Oelmalerei, ihre Tiefe und Leucht-
kraft, die angenehme Glätte, der zarte Glanz und
Schimmer der Oberfläche kommen hier zur Geltung.
Ernst Gppler verfügt über ein ähnliches technisches
Geschick, seine gediegene Malweise erinnert an Leibl.
Im klebrigen ist seine „Näherin" eine echte Holländerin
und vom gleichen Stamme, wie sie schon Vermeer und
andere gemalt haben.
Der Nebergang zur Landschaftsmalerei wird durch
ein paar Erscheinungen gebildet, welche die Landschaft
mit Figuren durchsetzen und diese sozusagen als Aus-
druck subjektiver Empfindung behandeln, oder auch nur
als Vorwurf der Gelegenheit zur Darstellung kühner,
phantastischer Experimente giebt. In diesem Sinne
sind die Gemälde von Hermen Anglada farben-
sprühende Feuerwerke, die auf das Auge so prickelnd
wirken wie Sekt auf die Zunge. Die Landschaften von
Renö Billotte „Steinbruch von Soisy" und „Festungs-

werke im Schnee", sind von einer ermüdenden Ein-
förmigkeit — von einer süßen Melancholie erfüllt. Auch
die Schotten wirken auf uns ermüdend. Sie sagen
nichts Neues mehr. Der Grundzug ihrer Kunst ist
lyrische Stimmung, die beständig ein und dasselbe
Motiv wiederholt. Es ist so, als wenn man in einem
fort auf dem Klavier Lieder wie: In einem kühlen
Grunde . . ., oder: Ich weiß nicht, was soll es be-
deuten ... zu hören bekäme. Erstaunlich ist die Summe
von Energie und malerischem Können, welche aus diesen
Werken spricht. Aber viele Momente weisen darauf
hin, daß eine gewisse Höhe künstlerischer Kultur bereits
überschritten ist. Freilich Künstler wie Lameron,
Macgregor stehen noch auf der Höhe. Ein Bild wie
Tameron's „Schottisches Moorland" findet nicht leicht
seinesgleichen, da ist Stimmung, malerischer Reiz,
lebendig gefühlte Schönheit. Und doch besteht das
ganze Bild genau genommen fast nur aus zwei Tönen,
gelb und goldbraun. Und doch, welchen Neichthum,
welche Fülle von Empfindungen erzeugt diese einfache
Harmonie. Trotz der starken Betonung von gegen-
ständlich interessanten Erscheinungen erweckt die durch
„Heimkehrende Fischer" belebte Abendlandschaft von
Ancher weitaus geringeres Interesse, sie wirkt wie
eine schlichte Erzählung gegen ein schwungvolles Ge-
dicht. Unübertrefflich schildern der Schwede Fjaestad
und der Russe Filipkiewicz die traurige Gede, aber
auch den eigentümlichen Reiz des grimmigen nordischen
winters. Besonders hat es der erstere verstanden, die
koloristische Wirkung eines großen Schneefeldes in der
Beleuchtung einer sternhellen Nacht wiederzugeben.
Unter den deutschen Landschaften ist vor allem Karl
Haider zu nennen. Er giebt seinem eigenen sinnigen
und innigen Naturgefühl Ausdruck. Haider hat den
Hintersee bei Berchtesgaden so gemalt, wie ihn etwa
Adalbert Stifter schildern würde. Eine der stifterischen
Hoesie verwandte Stimmung ist auch dem alten Schlosse
von Richard Kaiser eigen. Rudolf Niemerschmid
gebt bei seinem Temperagemälde „Jäger" gleichfalls
von der landschaftlichen Stimmung aus. Die ein-
gehende Behandlung giebt jedes Detail scharf und
deutlich wieder. Es ist, als wenn wir die Landschaft
im glatten Spiegel eines klaren Wassers erblickten.
Diese ungemein optische Klarheit des Bildes spricht
wohl am besten für das Können des Malers. Die
Temperafarbe erleichterte es ihm auf jeden Fall, so
lichte und rosige Farbtöne so brillant darzustellen. Eines
der liebenswürdigsten Talente der Sezession, Adolf
Hengeler, verbindet in seinen Bildern: „Der Blumen-
mann", „Duett" und „Frühling" landschaftliche und
figürliche Motive zu einem poesievollen Ganzen.
Die Maler, welche vorzüglich neue Farbwerthe aus
der Natur entnehmen und zu allen Tages- und Jahres-
zeiten mit der Palette und dem j)insel in der Hand
auf ihrem Platze stehen, um jeden günstigen Moment
fixiren zu können, gruppiren sich meist uni Zügel. Der
Meister selbst ist mit ein paar kleinen Bildchen „Hunde
in der Sonne" und„Eine Schweineheerde unterBäumens
vertreten. In dem ersteren ist der Gegensatz von
warmen, lichten und gelben Farben gegen kalte, violette
und blaue Töne wirkungsvoll herausgearbeitet und im
letzteren das Flimmern und Schillern des Sonnenlichtes,
welches durch das wschselvolle Spiel von Licht und
Schatten erzeugt wird, mit sicherer Hand festgehalten,
ohne daß jedoch der Eindruck einer lebhaft bewegten
Heerde verwischt ist. Zügel behandelt in diesem Bilde
das Hroblem der freien malerischen Uebersetzung einer
farbigen Momentaufnahme. Hayek, Schramm-Zittau,
Thomann-Zürich bilden die Gruppe der um Zügel ge-
 
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