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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 1
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0015

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ästhetischen Urteils in der Architektur rnit ihrer Ljilse zu be-
antworten. Arn einfachsten gestaltet sich Antwort und Be-
gründung gegenüber der Frage „woraus beruht die wir-
kung des edlen Materials in der Architektur und
im Aunstgewerbe?" Am Beisxiel einer polierten recht-
eckigen Malachitplatte ergiebt sich, daß der überaus seine Ein-
druck zu stande komrnt durch das Zusammenwirken oder gleich-
zeitige Ausfassen von 7 an sich ziemlich gleichgiltigen Lindrücken,
nämlich der Lbene, der rechteckigen Umrißlinie, der Zeichnung
oder des Liniensystems auf der Platte, der Äontraste heller
und dunkler Streisen, der Farbe, des Glanzes und eines leichten
Grades von Durchscheinen der Vberfläche. Ls läßt sich immer
ein Gebilde denken, dem einer dieser Eindrücke sehlt, und
wenn man dieses Gebilde vergleicht mit der vollcndeten jAatte,
so ergiebt sich leicht, daß der Linzeleindruck an sich kaum einen
Schönheitswert einschließt, aber zur Schönheit der jdlatte sehr
viel beiträgt. Läßt man nacheinander die 7 Eindrücke herzu-
treten, so sieht man die Schönheit der jdlatte entspringen,
wachsen und sich vollenden, als an sich arme psychologische
Faktoren erzeugen sie lediglich durch ihr Zusammentreten
im Bewußtsein eines Augenblicks das reiche psycho-
logische Produkt des Schönen.

Die Zergliederung der zusammenwirkenden Borstellungen
ist durchgeführt in der Abhandlung: „Ueber ein neuent-
decktes Gesetz der Formästhetik." Das entwickelte Ge-
setz bildet in der zuvor ausgesprochenen Definition der Schön-
heit denjenigen besonderen Fall, in welchem das Gebilde gefällt,
ohne Gedanken zu erwecken und ohne Abbildung anderer Dinge
zu sein, überhaupt ohne an andere Gebilde zu erinnern, es ist
das Gesetz aller „reinen" oder „bedeutungslosen Form"
und gilt gleichmäßig sür die architektonischen Formen und ge-
sälligen linearen Figuren, wie sür die musikalischen Töne und
Akkorde, wie für das versmaß in allen seinen Gestalten's wie
für den Reim als Lndreim, Assonanz, Aehrreim und Alliteration,
wie sür den musikalischen Rythmus, wie sür die Bewegungs-
sormen des Tanzes. Nennt man die Auseinandersolge irgend
welchev gleichgeftalteter vorstellungselemente eine „Reihe,"
z. B. die Aufeinandersolge gleich langer Zeitinaße eine „Reihe"
von Zeitmaßen, so sagt das gefundene Gesetz, daß die Schön-
heit all' jener bedeutungslosen Formen aus der gleichzeitigen
Auffassung einer größeren Zahl von Reihen be-
ruhe und daß die Störung einer einmal wahrgenom-
menen Reihe eine Störung der Schönheit sei.
Der musikalische Ton mit seinen und seiner Gbertöne Luft-
schwingungen, der Akkord, versmaß und Rythmus, Reim und
Allitteration, jdcrlstäbe, Zahnschnitte, Aonsolreihen der Archi-
tektur n. s. s. verrathen das Reihengesetz auf den crsten Blick.

(Schluß foigt.) R. Göller.

von drei neuen künstleriscbeii, Liekerungswerkcn,
die gegenwärtig erscheinen, liegen rckis chie ersten ksefte vor.
wir nennen zuerst: „Die Meisterrverke des Rijks-
museum zu Amsterdam", ein im verlage von Franz
bsansstaengl in München mit erläuterndem Texte von
A. Bredius erschienenes „j)hotogravüre-j)rachtwerk", aus das
wir ftolz sein können, denn seine Nachbildungcn dürstcn un-
übertrosfen und allcr wahrscheinlichkeit nach auch unerreicht
dastehen. Ferner: „Die vervielsältigende Aunst der
Gegenwart", eine von dcr „Gesellschast sür vervielfältigende
Aunst" in wien herausgegebene und unter Mitwirkung bc-
deutender Fachmänner von LLtzow redigierte Geschichte ihres
Gegenstandes. Die zahlreichen Bciblätter und in den Text
gedruckten Facsimilenachbildungen gebcn eine vorzügliche Antho-
logie aus den Echöpsungen der behandelten Aunst. 5ind
die beiden genanntcn Werke durch den hohen j)reis ihrer
Aunstblätter und den gediegenen Luxus ihrer Ausstattung
nur vermögenden zugänglich, so wendet sich ein drittes, Rosen-
bergs „Münchner Malerschule", das E. A. Eeemann
in Leipzig vcrlegt und mit Textbildern, Radierungcn und
^eliogravüren ausgcstattet hat, an viel weitere Areise. D?ir
werden über den Fortgang dieser Mcrke denr Leser Aenntnis
geben und nach ihrem vollstandigen Trscheincn dcs Näheren
auf sie eingehen. Eine Besprechung des Bredins'schen Merks
hat uns bereits jdrofessor Larl rvoermann in Aussicht gestellt.

vom Tage: Aus dem „Lktlon der Lurückgcwiese--
nen" iu Berlin wird nichts. Dcr Ausschuß schreibt: „Die
Mpposition gegen die Iury ist in Ivahrheit vorhanden, kann aber
nur aus allerhand Rücksichten keinen Mut sinden, öffentlich
auszutreten. Dazu kam, daß uns eine Liste der zurückge-
wiesenen Arbciten nicht zur versügung stand. Der j)lan,
dessen Durchsührung wir in diesem Iahre sallen laffen, soll

im nächsten srühzeitiger und mit doppelter Lnergie in Angriff
genommen werden."

Die Werllner Oationalgalerie bereitet eine Aus-
stellung von werken jdsannschmidts vor.

Gabriel tDax' „Lin vaterunser", sein neuestes Bild,
erregt gegenwärtig in wien Aufsehen. Lin Mädchen kniet
betend in ihrem Bett, neben ihr liegt ein geöffneter Brief,
an der wand hängt ein Blätterkranz? Die „N. sr. j)r." hält
das Urteil sür ziemlich allgemein, „daß der Meister mit
diesem Bilde alle seine Leistungen der letzten Iahre über-
troffen habe." „bsat er sich von den übersinnlichen j)hantas-
magorien des Spiritismus bcfreit und ist er aus immer in das
leuchtende Reich seiner ernsten, herrlichen Runst: der Seelen-
malerei in ihrer Beschränkung auf das vollgesunde, zurück-
gekehrt?"

Der voranschlag des bairischen Staatshaushalts wird in
zfforderungen für Ikunst verlangen: ein Aapital, dessen
Zinsen zum Ankauf von Aunstwerken bestimnrt sind (es soll
nach Lage der Finanzen von Zeit zu Zeit vergrößert werden),
eine besondere Summe zu Ankäusen auf der internationalen
Inbiläums-Ausstellung (München (888), serner Geld zur Lr-
werbung eines Bildes von Makart, der, ein Schüler Münchens,
in den Münchner Galcrieen merkwürdigerweise fehlt.

Kunstbandvverk.

Ueber den „kranzösiscbcn Gescbmack" schreibt I- v.
Falke in „Unsere Zeit" (ksest VIII). Lr sucht seinen Gegen-
ftand „in seincm Lntstehen zu begreisen und in seinem
wandel zu vcrsolgen". Ludwig XIV. „wollte Frankreich eine
eigene Aunstindustrie geben, und sein Minister Lolbert ersand
die rechten wege dazu." „))edes Aunstgewerbe wurde durch
Austräge und bsilse gefördert und untcrstützt, aber die Lehr-
meister wurden ans der Fremde geholt. Dann aber geschah
es, daß sich in Frankreich nicht blos eine blühende Aunst-
industrie, sondern mit dieser auch ein eigener Geschmack.erhob,
welche beide vereint vom zivilisirten Luropa angenommen
wurden. von dem an kann man von einem eigentümlichen
sranzösischen Geschmack reden, der aber das wesentlich behalten
hat, was er von Ansang an hatte, nämlich die Ausnahme
sremder Motive, sremder Anregungen und die
verwandlung derselben in ein Ligenes, in ein
spezisisch Französisches. Der sranzösische Geist wird er-
finderisch, aber nur in dem Sinne, daß er aus Allem, was sich
ihm darbietet, sosort etwas Neues und Besonderes zu machen
weiß, und so ift er im Stande, der welt sort und sort etwas
zu bringen, was neu und überraschend erscheint. So macht
seine Lrsindungsgabe den Lindruck, als sei sie unerschöpslich,
als gebäre sie neue Formen, neue Motive in unaushörlichem
wechsel, während sie doch in den meisten Fällen nur die glück-
liche Gabe der Assimilierung ist. Aber es ist die Gabe, das
Geheimnis, wcnn man will, mit wclcher Frankreich bisher
stets an der Spitze des Geschmacks einhcrzuschreiten vermochte,
mit welcher es die Moden leitete und den Absatz seiner Aunst-
arbeiten sich gesichert hat." Als eine bleibende Ligenschast
der sranzösischen Aunstindustrie erkennt Falke sreilich neben
deni Besprochenen und neben der Feinheit und Zierlichkeit,
neben einer gewiffen „Aoketterie" ihrer Lrzeugniffe die „noch
immcr vorzügliche Technik" an. Gb ihr die Iserrschast in
Luropa bleiben wird, hält er indcs sür fraglich, „heute, da
in allen Ländern eine Resorm dcr Runstindustrie aus gerade
antisranzösischer Grnndlage erstrebt wird".

vom Tage: In der j)orzellansabrik von Sövres werden
jetzt Übelstände beseitigt, die durch eine zu schablonenhaft
gleichartige Behandlung dcr Aünstler und Arbeiter entstandcn
scheinen. ' Man hatte srüher sür jene wie sür diese die Be-
zahlung nach Stücken abgeschast und die nach der Zeit einge-
sührt. Alles künstlerische Streben war denn auch eingeschlafen:
cs wurden jcne vascnmonstra gcmacht, wclche die Regierung
als j)reise sür allerhand Feste vergab und sogenannte „diplo-
matische Geschenke". Unter Deck, dem neuen Leiter der chabrik,
wurde' nun neuerdings die Anstaltsordnung geändert, die
Arbeit nach dem Stück wieder eingesührt und den Rünstlern
zugleich mehr Sxielraum sür ihre ^hantasie gcwährt.

vermiscbtes.

vom Tage: über Garten- und jparkanlagen ameri-
kaniscker Großstädte, als nachahmungswert sür Berlin, be-
ricklet'e Baurat bsobrecht im dortigen Magistrat. Besonders
lobte er die Boulevard-Anlagen in Lhicago. Rasen wechselt
 
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