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cinem Grte, wie dieser Zeitschrist , wo gerade eine
freiere ästhetische Aufsassung wiederholt schon wort ge-
wonnen, ausgesprochen werden, daß k^eines Lebens-
arbeit bei allem kleinlich Subjektiven, das in solch
miserabelen Zeiten und solch erbärmlicher Lebenslage
notwendig mit unterlies, im Grunde doch ein Kamps
war sür das, was wir heute erstrebcn und zum Teil
schon besitzen: sreie weltanschauung, kühnes Festhalten
am jDositwen bei kühnster Rritik der haltlosen Schab-
lone, der haltlosen, inetaphysischen chpekulation. Zn
gewissem Änne war bseine der A'lärtyrer unseres
modernen Realismus. Erwachsen in der verknöchern-
den Alassizität einerseits, iu der kiudischen, tändelnden No-
mantik andrerseits, hat er versucht, sich loszuringen
zu eiuer mehr der wirklichkeit angepaßten Runstforin,
ohne doch in vielen Fällen mehr zu erreichen, als ein
Fixieren des Nisses zwischen Alt und Neu. wenn
wir in vielen Dingen heute weiter sind und mehr
vermögen (es mag gesagt sein, daß es auch damit
noch nicht gerade so weit her ist!), wenn wir im ^tande
sind, heute mit verhältnismäßiger Leichtigkeit zu sagen:
„Dort lag der Fehler"— so ist das denn doch noch
lange kein Grund zum unschönen Schmähen. Sand-
voß vergleicht auch bseine mit walther von der vogel-
weide. Wozu diese unglüekliche Neigung, alles ver-
gleichen zu wollen? walthers Zeit und kseines Zeit:
sie vergleiche mau, dann sieht jedes Rind, warum das
Licht sich in jedem der beiden Männer anders bricht.
Grade das aber, was Sandvoß an walther rühmt,
die „ widerrömische und widerpsäfsische Gesinnung",
paßt sogar trotz des gewaltigen Zeitunterschiedes auch
aus bseine, der vielleicht nicht immer ein guter Deutscher
im modernen chinne war, weil das echte Deutschland
von damals manchmal in der Tarnkappe der Sage
herumwandelte, aber unzweifelhast nie ein Dersechter
mittelalterlicher Geistesknechtung genannt werden konnte.
Die „Lntartung unserer Rultur" endlich, die Sand-
voß im Gesolge der erhöhten wertschätzung cheines
herannahen sieht, sürchte ich, wie ich offen gestehen
muß, weder von dieser noch überhaupt von irgend
einer ^eite. Lin Niesenbau, wie unsere moderne
Rultur, scheitert nicht an ein paar Scherzworten eines
Toten, der ohnehin in ernsterer Stunde die besten
worte zu ihrer Derherrlichung sand. bseine hat zwar
selbst den stolzen vers gedichtet von der „That von
meinen Gedanken." Aber wo steht dieser Ders? Dort,
wo der Dichter nächtlicher weile durch die Ruiuen
des Attttelalters im alten Röln wandelt und pro-
phetisch den Mann sieht, dessen Beil die morschen
Gerippe hohler vergangenheit von ihrem Ätz herunter-
schlägt. Zst diese „That von seinen Gedanken" in
wahrheit ein Schritt zur Lntwertung unserer Kultur?
wilhelm Bölsche.
-i- -I-
Lserr Bölsche nimmt, wie ich ffnde, die Angelegen-
heit des Heine-Denkmals denn doch gar zu harmlos.
Ach nein, es handelt sich dabei leider durchaus uicht
lediglich um das (wohl gar nicht vorhandene) Be-
dürsnis der guten Düsseld orser, ihr berühmtes
Stadtkind zu eigener verherrlichung sich im Bilde
aufzustellen. wer würde ihnen dieses kindliche Der-
gnügen stören? Die Lache liegt weit anders. ^err
Bölsche weiß das vielleicht nicht. was die wissen-
schastliche würdigung Lseines anlangt — ich werde
ja aus ^trodtmann und ksüffer gewiesen — so könnte
ich aus ein ganz kürzlich im „Runstwart" vorge-
tragenes wort zurückweisen, das ich bei der kurzen
Besprechung des köstlichen Buches victor bsehns aus-
sprach (Fanthippus ist ja kein andrer Mann als der
Unterzeichnete hier). Zch hätte auch geltend machen
können, daß z. B. über Strodtmanns Biographie ich
eingehend und begründend mich bereits zu einer Zeit
ausgelassen hatte, da Lserr Bölsche, natürlich ohne
daß ich ihm daraus eineu vorwurs mache, noch in-
kunabel war. Tr hat keinen Grund, von mir eine
größere Raumentfaltung zn verlangen und mir „un-
schönes Schmähen" aufzurücken. Ls handelte ffch
eben gar nicht um Darlegung und Begründung eines
Urteils, sondern um eine kurze Anregung zum Be-
sinnen, die denn allerdings aus personlicher Anschauung
sich aufbaut. Ts haudelt sich heute einsach um ein
Bekenntnis. Zum ver- und Lrlangen des größeren
Raumes bin ich vielleicht nicht mehr jung genug.
Auch ist sowas leicht gcsagt — eben wegen jenes
bseine. Ls war ja aber in diesem Falle auch nicht
erfordert. Man hat mich, scheints, ganz gut ver-
standen.
verglichen habe ich walthern von der vogelweide
mit k^eine hoffentlich nicht. Das ist kein vergleich,
wenn ich sage, hier steht ein vorbildlicher Threnmann
und dort ein leider auch vorbildlicher, ein typischer
Lump — es ist Berthold Auerbach, der ihn als
solchen erkannte. Nein, das könnte ich den Manen
Walthers nicht anthun und, hätte ich es gethan,
ihnen nie wieder abbitten.
Rein Geringerer als jAaten war es, der Lseine
„des sterblichen Geschlechts der Akenschen allerunver-
schämtesten" genannt, ohne große Naumentsaltung
und Begründung. Das war ub iruto und ist
„selten unschön". Gleichwohl bekenne ich, daß ich
ganz aus j)latens Seite stehe, wie denn auch das
täglich klarer zu sehen ist, daß eben in diesem seinem
clluractor inclelebilis der Unverschämtheit das unge-
heure jDrestige k^eines seine wesentliche wurzel und
Triebkrast hat. Daß aber auf diesem wege alles
andere eher zu erlangen sei, alr dauernde Rultur-
werte, ja daß unserm volke die rechte Schätzung der
ihm zu Teil gewordenen im Gesolge der schwindel-
hasten Anpreisung dieser Schundwaare — sittlich und
ästhetisch — in die Brüche geht, daß ich also von
einer Tntwertung unsrer höchsten nationalen Besitz-
tümer zu reden besugt war, das werden mir andere
gern, wenn's Not thut, bezeugen. Und irre ich darin,
so ist es ehrenhaft, mit einem Ukanne zu irren, der
Victor Hehn heißt, und mit Gott sei Dank nicht
wenigen unserer besten Ulänner.
Gewiß hatte ich eine subjektive Nleinung vorge-
tragen; bjerr Bölsche, der nicht der einzige ist, den
dieselbe verletzte, thut er auch, und Heine war wohl
objektiv? Wenigstens ehrlicher sind wir Beide. tegte
man dieser meiner Ukeinung gleichwohl einiges Ge-
wicht bei, so mag es wohl deshalb geschehen, weil
man mir zutraut, daß ich nicht ohne innere Begründung
und chachkenntnis, daß ich nicht in's Blaue hinein redete.
Und wer das that, der sei bedankt. Franz Sandvoß.
-i- -i-
*
U)ir haben noch mehrere Zusendungen erhalten,
welche die behandelte Frage betreffen — aus ihre
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cinem Grte, wie dieser Zeitschrist , wo gerade eine
freiere ästhetische Aufsassung wiederholt schon wort ge-
wonnen, ausgesprochen werden, daß k^eines Lebens-
arbeit bei allem kleinlich Subjektiven, das in solch
miserabelen Zeiten und solch erbärmlicher Lebenslage
notwendig mit unterlies, im Grunde doch ein Kamps
war sür das, was wir heute erstrebcn und zum Teil
schon besitzen: sreie weltanschauung, kühnes Festhalten
am jDositwen bei kühnster Rritik der haltlosen Schab-
lone, der haltlosen, inetaphysischen chpekulation. Zn
gewissem Änne war bseine der A'lärtyrer unseres
modernen Realismus. Erwachsen in der verknöchern-
den Alassizität einerseits, iu der kiudischen, tändelnden No-
mantik andrerseits, hat er versucht, sich loszuringen
zu eiuer mehr der wirklichkeit angepaßten Runstforin,
ohne doch in vielen Fällen mehr zu erreichen, als ein
Fixieren des Nisses zwischen Alt und Neu. wenn
wir in vielen Dingen heute weiter sind und mehr
vermögen (es mag gesagt sein, daß es auch damit
noch nicht gerade so weit her ist!), wenn wir im ^tande
sind, heute mit verhältnismäßiger Leichtigkeit zu sagen:
„Dort lag der Fehler"— so ist das denn doch noch
lange kein Grund zum unschönen Schmähen. Sand-
voß vergleicht auch bseine mit walther von der vogel-
weide. Wozu diese unglüekliche Neigung, alles ver-
gleichen zu wollen? walthers Zeit und kseines Zeit:
sie vergleiche mau, dann sieht jedes Rind, warum das
Licht sich in jedem der beiden Männer anders bricht.
Grade das aber, was Sandvoß an walther rühmt,
die „ widerrömische und widerpsäfsische Gesinnung",
paßt sogar trotz des gewaltigen Zeitunterschiedes auch
aus bseine, der vielleicht nicht immer ein guter Deutscher
im modernen chinne war, weil das echte Deutschland
von damals manchmal in der Tarnkappe der Sage
herumwandelte, aber unzweifelhast nie ein Dersechter
mittelalterlicher Geistesknechtung genannt werden konnte.
Die „Lntartung unserer Rultur" endlich, die Sand-
voß im Gesolge der erhöhten wertschätzung cheines
herannahen sieht, sürchte ich, wie ich offen gestehen
muß, weder von dieser noch überhaupt von irgend
einer ^eite. Lin Niesenbau, wie unsere moderne
Rultur, scheitert nicht an ein paar Scherzworten eines
Toten, der ohnehin in ernsterer Stunde die besten
worte zu ihrer Derherrlichung sand. bseine hat zwar
selbst den stolzen vers gedichtet von der „That von
meinen Gedanken." Aber wo steht dieser Ders? Dort,
wo der Dichter nächtlicher weile durch die Ruiuen
des Attttelalters im alten Röln wandelt und pro-
phetisch den Mann sieht, dessen Beil die morschen
Gerippe hohler vergangenheit von ihrem Ätz herunter-
schlägt. Zst diese „That von seinen Gedanken" in
wahrheit ein Schritt zur Lntwertung unserer Kultur?
wilhelm Bölsche.
-i- -I-
Lserr Bölsche nimmt, wie ich ffnde, die Angelegen-
heit des Heine-Denkmals denn doch gar zu harmlos.
Ach nein, es handelt sich dabei leider durchaus uicht
lediglich um das (wohl gar nicht vorhandene) Be-
dürsnis der guten Düsseld orser, ihr berühmtes
Stadtkind zu eigener verherrlichung sich im Bilde
aufzustellen. wer würde ihnen dieses kindliche Der-
gnügen stören? Die Lache liegt weit anders. ^err
Bölsche weiß das vielleicht nicht. was die wissen-
schastliche würdigung Lseines anlangt — ich werde
ja aus ^trodtmann und ksüffer gewiesen — so könnte
ich aus ein ganz kürzlich im „Runstwart" vorge-
tragenes wort zurückweisen, das ich bei der kurzen
Besprechung des köstlichen Buches victor bsehns aus-
sprach (Fanthippus ist ja kein andrer Mann als der
Unterzeichnete hier). Zch hätte auch geltend machen
können, daß z. B. über Strodtmanns Biographie ich
eingehend und begründend mich bereits zu einer Zeit
ausgelassen hatte, da Lserr Bölsche, natürlich ohne
daß ich ihm daraus eineu vorwurs mache, noch in-
kunabel war. Tr hat keinen Grund, von mir eine
größere Raumentfaltung zn verlangen und mir „un-
schönes Schmähen" aufzurücken. Ls handelte ffch
eben gar nicht um Darlegung und Begründung eines
Urteils, sondern um eine kurze Anregung zum Be-
sinnen, die denn allerdings aus personlicher Anschauung
sich aufbaut. Ts haudelt sich heute einsach um ein
Bekenntnis. Zum ver- und Lrlangen des größeren
Raumes bin ich vielleicht nicht mehr jung genug.
Auch ist sowas leicht gcsagt — eben wegen jenes
bseine. Ls war ja aber in diesem Falle auch nicht
erfordert. Man hat mich, scheints, ganz gut ver-
standen.
verglichen habe ich walthern von der vogelweide
mit k^eine hoffentlich nicht. Das ist kein vergleich,
wenn ich sage, hier steht ein vorbildlicher Threnmann
und dort ein leider auch vorbildlicher, ein typischer
Lump — es ist Berthold Auerbach, der ihn als
solchen erkannte. Nein, das könnte ich den Manen
Walthers nicht anthun und, hätte ich es gethan,
ihnen nie wieder abbitten.
Rein Geringerer als jAaten war es, der Lseine
„des sterblichen Geschlechts der Akenschen allerunver-
schämtesten" genannt, ohne große Naumentsaltung
und Begründung. Das war ub iruto und ist
„selten unschön". Gleichwohl bekenne ich, daß ich
ganz aus j)latens Seite stehe, wie denn auch das
täglich klarer zu sehen ist, daß eben in diesem seinem
clluractor inclelebilis der Unverschämtheit das unge-
heure jDrestige k^eines seine wesentliche wurzel und
Triebkrast hat. Daß aber auf diesem wege alles
andere eher zu erlangen sei, alr dauernde Rultur-
werte, ja daß unserm volke die rechte Schätzung der
ihm zu Teil gewordenen im Gesolge der schwindel-
hasten Anpreisung dieser Schundwaare — sittlich und
ästhetisch — in die Brüche geht, daß ich also von
einer Tntwertung unsrer höchsten nationalen Besitz-
tümer zu reden besugt war, das werden mir andere
gern, wenn's Not thut, bezeugen. Und irre ich darin,
so ist es ehrenhaft, mit einem Ukanne zu irren, der
Victor Hehn heißt, und mit Gott sei Dank nicht
wenigen unserer besten Ulänner.
Gewiß hatte ich eine subjektive Nleinung vorge-
tragen; bjerr Bölsche, der nicht der einzige ist, den
dieselbe verletzte, thut er auch, und Heine war wohl
objektiv? Wenigstens ehrlicher sind wir Beide. tegte
man dieser meiner Ukeinung gleichwohl einiges Ge-
wicht bei, so mag es wohl deshalb geschehen, weil
man mir zutraut, daß ich nicht ohne innere Begründung
und chachkenntnis, daß ich nicht in's Blaue hinein redete.
Und wer das that, der sei bedankt. Franz Sandvoß.
-i- -i-
*
U)ir haben noch mehrere Zusendungen erhalten,
welche die behandelte Frage betreffen — aus ihre
— 145 —