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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 12
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Sprechsaal
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Aus der Bücherei
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0169

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„überall im Neiche des Schönen die einem Dinge
eingeborene Schönheit möglichst auszubilden und zu
verwerten, sondern irgend was Anderes nachznahmen,
das ganz anderer wesenheit ist, als das verwendete
Alaterial". Diese großen grünen, weißen oder roten
Rissen mit weißen, roten oder blauen Rronen u. s. w.
darauf, die voil weitem aussähen, wie roh gestickte
Tapezierwaare und sich in der Nähe als mühsam
aus aufgedrahteten Blumen zusammengebästelt er-
wiesen, seien echte „Nouveautes" in unserm Sinne
gewesen. Und gerade sie habe man als „phantasie-
voll" gelobt und wohl gar prämiiert, als wenn nicht
zur Gestaltung eines schönen freien ck-traußes, der die
Blume, umgeben von Blatt und Blüte, in ihrer ganzen
Anmut als Linzelwesen „und im Zusammenspiel ihrer
Farben und Formen mit denen ihrer dustigen Ge-
schwister zeigt" so sicher viel mehr stchantasie und
Geschmack gehörten, „wie zum Aialen eines farben-
schönen Gemäldes mehr gehört, als zum Zusammen-
kleben eines schematischen Grnaments".

Zahlreich sind die Briefe, die uns aus den Rreisen
des eigentlichen Nu n st h a n d w e r ks zugingen — eine
Thatsache, die wir mit besonderer Freude begrüßen.
Gin ^olzbildhauer aus Sachsen klagt zunächst darüber,
daß auch das Beste bei unsern modernen Verhältnissen
nicht vertrieben werden könne, nähme sich nicht ein
Geldmann der 5ache an. Der Vertrieb, nicht die
s)roduktion bestimme den Akarkt: das verrückteste, was
Fabrikanten auf den Warkt würfen, käme an den
Mann,. hätten die Leute nur das Geld, Neklame zu
machen, den wiederverkäufern hohen Nabatt zu ge-
währen u. s. w. Beim f)ublikum sei ja vorläufig nur
ganz selten eine ^pur von Geschmack zu finden. Bei
d e m müsse man ihn vor Allem pstegen, zumal bei den
Nindern der „Raufkräftigen", die fa später zum Teil
auch Lsändler würden — schon auf den Schulen.
Dann sollte man den Arbeitern o f t vorträge mit De-
monstrationen halten: „hier auf diesem Felde wär es
die Aufgabe der Znnungen, thatkräftig zu wirken".
Ts inüßten ferner „muftergiltige Arbeiten unentgeltlich
und auch des Bonntags ausgestellt und die Nmseen
länger geöffnet werden" — bis in den Feierabend
der khandwerker hinein. <Lin ebenso richtiges, wie
leider selten zu findendes Gefühl scheint uns der Der-
fasser des Briefs zu bethätigen, wenn er sich von dem
„kunsthandwerklichen Fachsimpeln" nicht viel verspricht.
Solle der Geist wahrhaft künftlerisch angeregt werden,
so dürfe der Nunsthandwerker nicht nur im engsten
Nreise herumgedreht werden: er müsse auch durch die
andern Nünste Nahrung erhalten und zwar nicht
blos durch die bildenden. Zur großen Zeit der Ne-
naissance habe man die Linseitigkeit der Rünstler und

Nunsthandwerker am allerwenigsten gekannt. Die lit- !
terarischen, die Nunst- und Nunstgewerbe-Vereine sollten
mit den gemeinnützigen zusammentreten, um frei zu-
gängliche Abendvorträge einzurichten, wie sie z. B. zu
volkswirtschaftlicher Belehrung die Dresdener Gehe-
Stiftung so dankenswert veranstalte. Teuer sei das
um so weniger, als man durchaus nicht um jeden
j)reis „Größen und Berühmtheiten" gewinnen müsse.
Nun bespricht der Tinsender noch das Thun unsrer
Geschichts- und Altertums-Vereine, die auch in leben-
digere Beziehung zum Volk, so meint er, treten und
für Trhaltung manch edlen alten lVerkes und vor-
bilds kräftiger wirken könnten, als sie es thun. Schließ-
lich spricht er noch von unsern Zeitschriften, zumal
von unsern illustrierten Familienblättern, die hier wie
so vielfach segensreich eingreifen würden, fragten sie
nicht nur, „was schmeckt Luch", sondern „was be-
kommt Luch am besten"?

Auf den Auszug aus anderen Zuschriften müssen
wir iin kstnblick auf die Nnappheit des Naumes ver-
zichten. Nur aus einem Brief geben wir noch ein
paar öätze, weil sie in anmutender lVeise von der
Fröhlichkeit zeugen, die das Bewußtsein in einem ge-
sunden Arbeiter erweckt, auf dem rechten wege zu
gehen. Tr hat einen Schmied aus dem Badischen
zum verfasser. Der Meister erzählt uns zunächst, wie
ihn der Aufsatz im „Runstwart" „gewaltig aufge-
regt" habe. Dann spricht er von einem praktischen
versuch. „Zch habe einem Grobschmied die Frage
vorgelegt, ob er bei mir im Tagelohn arbeiten wolle.
Nach langem Zögern hat er sich bereit erklärt. Zch
stellte mich an den Ambos und sagte ihm jeden Schlag,
den er machen sollte, und mit iinmer größerer Teil-
nahme folgte er dem wachstum dessen, was sich da
unter seinen groben bjänden entwickelte. Als schließ-
lich eine große Blume vor ihm stand, die als selbstän-
diges Glied in einem Treppengeländer gedacht war,
da kam es über den Wann wie ein Nausch. Gr er-
bot sich mit Lifer, uoch dreißig solche Blumen selbständig
zu schmieden, ,jede anders, ganz wie sie kommll —
er hoffe, im Tag zwei ^tück machen zu können und
berechne also jedes ck>tück mit einem halben Tagelohn.

Tr ist jetzt Feuer und Flamme und träumt des Nachts
von riesigen Blättern und Blumen, die alle ganz von
selbst aus dem Ambos wachsen." Aber sein Nleister,
der den Nunstgeist auf ihn beschworen, klagt, daß er
nun eigentlich nichts für ihn zu arbeiten habe. lhat
etwa einer unserer Leser Lust, den Blumen-träumenden
wieland etwas für sich hämmern zu lafsen? wo
der wohnt, teilen wir ihm mit vergnügen mit.

Allen Tinsendern herzlichen Dank für ihre Teil-
nahme an unferer Arbeit!

Aus der Kücberei.

Grummatill der Tuuzkunst. Theoretischer und prak-
tischer Unterricht in der Tanzkunst und Tanzschreibkunst
oder Lhoregraxhie von F. A. Zorn. (Leipzig, I. I. UAber).
— Die Früchte vieler arbeitsvoller Iahre und einer begeister-
ten Liebe für den Gegenstand. Mit einer fchier wissenfchast-
lichen Gründlichkeit und Sorgfalt wird der Ziinger oder die
Iüngerin der Tanzkunst vom Linfachen zuin Zusannnenge-
setzten, vom Leichtesten bis zum Schwersten geführt. Der
Lsauxtwert des Zornschen Buches liegt aber darin, daß es

init Benutzung der früheren ein neues und, fo viel wir be-
urteilen können, sehr zweckinäßiges Systein der „Thorögraphie"
bietet, das ein eigener Atlas noch mehr verdeutlicht. Daran,
daß unsere Miinik so tief gefunken, daß fo klagliche Leistungen,
wie die unferer Ballets geboten werden können, ja, daß die
Leute selten sind, die überhauxt noch ernsthaft voin Tanze
als von einer Aunst reden — daran trägt der Mangel eines
Fixierungsinittels für die Lchöpfungen der Mimik, einer et-
wa der Notenschrift ähnlichen Tanzschrift ja unzweifelhaft

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