Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

DOI Heft:
Heft 12
DOI Artikel:
Aus der Bücherei
DOI Artikel:
Lose Blätter
DOI Artikel:
Zeitungsschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0170

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

einen großen, wenn nicht den weitaus größten Teil der Schuld.
Zorn meint, daß seine Thoreographie im 5tande sein werde,
auch die komxliziertesten Ballette der Nachwelt so zn über-
liefern, daß der Leser sie nach der Schrist genießen könne, wie
etwa der Musiker eine sdartitur genießt. Und ist es ihm
nur gelungen, uns aus dem N)ege nach solchem Ziel ein
Ztück weiter zu bringen, so besitzt sein Buch ja wahrlich schon
kein kleines Berdienst.

Zur tserbeisührung einer Bertiesung des Tanzes zur
echten Kunst thut sreilich auch er keiuen 5chritt. Lr saßt die
heutige Nimik so äußerlich aus, wie sie eben heut sast über-
all ausgefaßt wird, weshalb er mit ihr im Allgemeinen auch
zusrieden ist. „5ie besitzt die Fähigkeit, im lebenden Bilde die
schöne menschliche Gestalt in ihren reizeudsten Stellungen und

Bewegungen darzustellen." Ach ja, sie sollte aber auch die ^
Fähigkeit besitzen, charakteristisch zu sein, charakteristisch,
wie es die Nationaltänze der Bölker sind. Unser heutiger
Tanz ist so wenig eine Aunst, wie eine x-beliebige Zusammen- I
stellung noch so wohlklingender Rhythmen und Reime ein
Gedicht ist. Lrst wo die Form Rennzeichnung eines Innen-
lebens ist, beginnt die Runst. Liire „Grammatik der Tanz- >
kunst" kann sreilich dem Tanzschüler nicht mehr bieten, als
eine Anleitung, das Äußerliche der Technik zu beherrschen.
Trotzdem haben wir in einein so guten nnd fleißigen Buche,
wie dem Zorns, ungern den Bersuch verniißt, nicht nur
Fertigkeiten, sondern auch wirkliches verständnis des innern
kVesens der Nimik den Lernenden beizubringen.

Lose Klätler.

Maler, Musiker und Dicbter lu Deutscbland.

T>er Nlaler hat seiue Ausstellungen, seiue reicheu
Abnehmer, seiue Göuner. Der Alusiker fiudet offeue
Häuser, wo eiu Flügel steht; er giebt seiue öffent-
licheu Aonzerte. Uud der Dichter? Die Dame des
Lhauses küudet au, daß der liebeuswürdige Dichter,
k^err Schwappeuvers, heute die Güte habeu wird,
eiuige seiuer ueueu „^acheu" vorzutrageu. Allge-
meiues Eutsetzeu — bei deu Backfischeu ausge-
uommeu — iu der Gesellschaft. bserr l^chwappeuvers
giebt eiuige Stropheu zuin Besteu. Alit wenigeu Aus-
uahmeu: Thau — An uud die bsetze der übrigeu
bekauuteu L-chlagworte uud Schlagreime. Lr eudet.
Beifallsgemurmel, dazwischeu durch die Zähue: Zch
kaun deu Uusiuu wirklich uicht mehr aushalteu; feruer
Gedichte zu höreu oder zu lefeu, ist mir uumöglich;
hol der Teufel dies ewige Tiuerlei, dieseu Mischwasch,
dies ewige ^pülwasser, ich werde uoch krauk . . .

Gauz uatürlich. Ts ist so weit bei uus gekommeu,
daß der Dichter verachtet ist, daß er eiue lächerliche
Figur ist. Zst das zu schars gesagt?

Die sogeuauuten Familieublätter trageu viele
Schuld. IDauu wäre es je vorgekommeu, daß eiu
Gedicht iu ihreu Spalteu stüude, das uicht so „ge-
macht" ist, daß selbst der Säugliug es ohue Gesahr
leseu könute? Säugliugspoesie. Die gauze, große
welt mit ihreu Aämpseu uud Leideuschafteu ist aus-
geschloffen. Ls bleibt also das Lämmergemecker.

Auch klage ich uusere Seelsorger — beiuahe hätte
ich gesagt: die Ljofpredigerpartei — au. Sie merzeu
iu ihrer sicher liebevoll gemeiuten Aufsicht zu stark
aus. Dortrefflich, sagen sie, vortrefflich; die Thau-
Au-Gedichte schadeu deu liebeu ^eelcheu uicht.

Siud wir uus klar darüber, wie diese Uusumme
von Thau-Au-Gedichten den Geschmack am wirklich
Schöneu, Rrastvolleu, au der Dichtuug überhaupt zu
Gruude richtet? Uud die Folgeu? Allmählich hört

jedes verstäuduis aus. Raum ist die ksoffnung mehr,
daß selbst eiu unermüdlicher Leser den Baud an den
Ofeu wirft. So ist das Lebeu nicht, wie es dasteht.

Der rNaler hat seiue Ausstelluugeu, der Musiker
seiue Rouzerte. waun uud wo — ich nehme ver-
eiuzelte Fälle (Neuter) aus — habeu wir augeküudigte
Dorlesuugeu aus uuseru paar — wie viel siud's deuu
— wirklicheu Dichteru? Reiuer wagt solche Dor-
lesuugeu auzuküudigeu, weil kaum eiu Aleusch erschei-
ueu würde.

Der Ruustmaler nuterscheidet sich vom Stubeumaler,
der Musiker vom Mnfikus: weuu auch dieser Uuter-
schied iu deu breiteu Schichteu des Dolkes verwischt,
ja, uugekauut ist. Aud der Dichter? Ob von der
Meuge eiu s?oem vou Gottfried Reller gelesen wird
oder der Nachrus des Lserru Schwappeuvers iu ge-
buudeuer Nede au seine Großmutter — Alles wird
über eiueu Leisteu geschlageu. <Ls ist uubeschreiblich,
welcher Wirrwarr über deu Begriff „Dichter" iu
Deutschlaud herrscht. Diele, behaupte ich, halteu ihu
I sür verrückt, „söru dwatscheu Rierl", wie die Holsteiuer
sageu, sür eiueu, der sich uur begrabeu lasseu soll;
Audere sür eiuen Gelehrteu; wieder audere sür deu
Bajazzo, der ihueu >Iachstuuden briugeu soll, der sie
mit seiueu „Döutjeus" amüsieren muß.

Diel zur Derkeuuuug des Dichters thut heute die
eiuseitige Derstaudesausbildung; uud gewiß siud auch
die Lehrer der Litteraturgeschichte Schuld: Schiller uud
Goethe, Goethe uud ^chiller. Zeder weiß, wie ich
die beideu erlauchteu Nameu hier meiue.

Schuld auch habeu wir Alle. Zeder vou uus
dichtet. Zeder möchte seiu Lrzeuguis gedruckt seheu.
Uud das ist jetzt so leicht, so leicht . . . Armer
D i ch t e r.

Fjabe ich übertriebeu? welche Freude wäre es
sür mich, weuu mir dies vorgeworfen wüide.

Detlev Freiherr vou Lilieucrou.

Leitungsscbau.

* bedcutet: Kcspiecbung von Linzclwcrken, f: bildlicbc Lrlriutcrung der Nutsützc.

Allgemeinercs und lllcrscbiedencs. Oenwkratie und
Ästhetik): I. Düboc, Gegenw. 5. — (Idealismus u. j)hilisier-
tum): T. Alberti, Nagazin (o/( (.—(^chopcnhaucr): Z. R.,
Leipz. Z. (wissensch. Beil.) (5.— (Logik u. Sprachgebrauch):
I. Feldmann, Dtsche kseiinat 23. — (Freindwörter): R.
Iansen, Kieler Z. (2 5Z(/q> — (Brauchen wir eine Aka-
demie d. dtschn Sxrache?): G. Lyon, Tägl. Rdsch. 55/56.

Dicbtung. ichainerlings „ksomunculus"): * G. v L., Dtsche
Roman-Z. (8. — (Iakob Roebels „Rupertuslegende".:
* Fr. ^chneider, Ztschr. s. bild. R. 5. — (Die Guellen zu
einem Leben der Frau von 5taöl): ch. Breitinger, Gegen-
wart 5.— Oans bserrigs „Aolunibus"): * I. Risfert, Leipz.
Z. (D?iss. Beil.) — (Byron-Iubiläum in dcr j)resse):
R. Bleibtreu, Nagazin 8. —

W4 —
 
Annotationen