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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 14
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0202

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es dabei als sehr fraglich, ob es gestattet sei, auch
an die großeu, mouumeutalen Gebilde der schöpserischen
s)hautasie rein dekorative Maßstäbe anzulegen. „We-
nigstens, sagt er, hat sich bisher niemand der Ketzerei
untersangen, die ^ixtinische Wadonna oder Dürers
,vier Temperamente^ auf ihre wirkung gegeuüber
einem geschnitzten Busfet Louis XV. anzusehen." Da-
gegen ist zu erwidern, daß allerdings auch bei senen
beiden Gemälden auf die Umgebuug, auf die richtige
Aufstellung mit vollem Rechte der größte Wert ge-
legt wird. Gs wäre in der That inöglich, sie so auf-
zustellen, daß sie durch ihre Umgebung völlig oder
größtenteils um ihre Wirkung gebracht würden.
wollte man die venus von Milo zu dem Zwecke „be-
pinseln und beklecksen, damit sie in den gräflichen chalon
oder in das Arbeitszimmer des Rommerzienrats passe",
so wäre das allerdings etwas überaus Verfehltes.
Zndeß nehmen wir zur Lhre des bjerrn Feldmann an,
daß er an die Rraft dieses Beweisgrundes selbst nicht
glaubt. choll die venus von Anlo bemalt werden,
so kann es sich lediglich um den wissenschaftlichen Ge-
sichtspunkt handelu, diesem Merke das ursprüngliche
Aussehen zurückzugeben (d. h. falls sich erweisen ließe,
wie es wirklich ausgesehen hat). Will aber der obeu
erwähnte Rommerzienrat die Venus in seiuem Arbeits-
zimmer aufstellen, so ist selbstverständlich dieses Meister-
werk das tonangebende Glement für die Ausschmückung
des Raumes, nicht hat es sich diesem anzupassen.

weiter sagt Feldmanu: „Ls giebt in der Natur
keine absoluten Farbenwerte; man kann eine Gestalt
nicht richtig malen, ohue auch die Luft zu malen,
die sie umweht, und das optische Spiel der wechseln-
den (?) Beleuchtung darzustellen". (Zch bin der An-
sicht, daß der Alaler jede Gestalt uur in einer je-
weiligen Beleuchtung malen kann, nicht im optischen
chpiel der wechselnden Beleuchtung.) „Diese Grkennt-
nis ist ein Grundelement unseres Runstempsindens
geworden, und ihr muß jedes Runstwerk, sofern es
nicht monochrom ist, sich anschmiegen. Tine bemalte
Statue, welcher Art immer, vermag dies nicht, sei
sie nun realistisch oder idealistisch gehalten; sie kann
nach modernen Anschauungen uiemals gemalt, sondern
bestenfalls nur gefärbt sein, und das ist uuserm Auge
ein Gräuel, den es einer archäologifchen Schrulle zu
Liebe nicht zu ertragen bemüßigt ist". Diese Be-
hauptung, daß eine bemalte chtatue niemals gemalt,
bestensalls nur gefärbt sein könne, ist völlig aus der
Luft gegriffen. Bekauntlich bekommt jedes Bildwerk,
auch das eiufarbige, sein Licht nur von außen; man
kann ein Bildwerk durch verkehrte Aufstellung so
falsch beleuchten, daß es seine Wirkung oöllig ver-
liert oder in peinlicher Weise veräudert. Gin Bild-
werk, das im Zimmer seinen j?latz erhalten soll, muß
immer so aufgestellt wer'den, daß es das für seine
Wirkung günstige, richtige !ticht empfängt. cho muß
ein farbiges Bildwerk neben der richtigen Beleuchtung
auch den richtig abgestimmten, farbigen Hintergrund,
die richtige farbige Umgebung haben, um richtig und
schön zu wirken. chie ersetzt die im Bilde mitgemalte
Luft. Farbige Bildwerke im Freien aufzustelleu, also
etwa auf den Markt, empstehlt sich in unserm btlima
nicht. Sollte man es thun, so kann man in der
Bemalung auf die umliegenden Lsäuser, Bäume und
chträucher Rücksicht nehmen. Im Übrigen wird dieses

Bildwerk unter dem Linfluß von Luft und Licht eben-
so verändert, wie der im Freien sich bewegende,
lebendige Mensch. Znwiefern dies unserem Auge
ein Gräuel sein müßte, ist nicht ersichtlich; es kommt
nur daraus an, daß die Bemalung gut ist. Auch
das einfarbige Bildwerk besitzt keinen absoluten Farben-
wert, auch dieses wird ja von Luft und Licht in
seiner wirkung beeinflußt. Das gehört eben zum
Mesen der Bildnerei.

Feldmann beschließt seinen Aufsatz mit dem Schlag-
worte: Die Runstgeschichte ist kein Ntöbelmagazin.
So wichtig der Ausspruch sein möchte, er ist völlig
schief im Ausdruck und unlogisch, wirkt daher nur
komisch.

Nachdem ich die Beweisgründe Feldmanns zu
widerlegen gesncht habe, will ich ihnen auch einige
Behauptungen gegenüberstellen.

V Die farbige Bildnerei hat dasselbe Daseinsrecht
wie die farblose. Warum? Weil geniale Bildhauer
farbige Bildwerke herftellen, und eine Menge ge-
bildeter Nunstfreunde ihnen Beifall zollen. Dem
chatze: „Die Bildhauerei hat es lediglich mit der
Form zu thun", stelle ich den chatz gegenüber:
„Die farbige Bildhauerei hat es mit Form und
Farbe zu thun".

2. Ls sollen nicht alle Bildwerke bemalt werden.
Namentlich ist es verfehlt, Bildwerke zu bemalen, bei
denen der Rünstler an die Unterstützung der Farbe
gar nicht gedacht hat (z. B. Lsähnels Raffael). Der
Rünstler muß sich von vorn herein bei jedem Werke
klar sein, ob es einfarbig oder mehrfarbig werden
soll, genau so wie er ja auf den Stoff, ob es in
Üolz, Stein oder Lrz ausgeführt werden soll, volle
Nücksicht nehmen muß. Im einen oder andern Falle
wird er den besonderen einzig richtigen Weg bei
Ausgestaltung seines werkes einschlagen. Linem
Bildwerke, das für Farbigkeit berechnet ist, muß man
alsdann den Mangel sofort ansehen, wenn es der
Farben noch entbehrt. Bei einem Bildwerke, das
für Tinfarbigkeit gedacht ist, muß dagegen der Zu-
satz von Farbe der Wirkung Lintrag thun.

3. Für die Bemalung der Bildwerke sind eine
Neihe technischer Aufgaben zu lösen, z. B.: welche
Farben eignen sich besonders für Gips, welche für
Üolz, welche für Warmor oder <Lrz; wie erzeugt
man beliebig stumpfe, wie glänzende chtellen in der
Bemalung? u. s. w., u. s. w. von der Lösung
dieser Aufgaben hängt das Gelingen schöner farbiger
Bildwerke wesentlich ab. Sie sind bisher nur zum
Teil gelöst (der Bildhauer v. Üchtritz in Berlin be-
schäftigt sich fortgesetzt damit).

-t. Farbige Bildwerke müssen von vorn herein
für eine bestimmte farbige Umgebung gedacht sein.
Allerortswerke, wie sie in den Runstausstellungen sich
selbft zu Nlarkte tragen, sind im Grunde Undinge,
die es einstmals nicht gab, freilich unter unseren
Rulturverhältnissen nicht mehr zu vermeiden. (Der
obengenannte Bildhauer verlangt stets, wenn er eine
farbige Büste in Auftrag erhält, daß ihm die Auf-

stellung, Wahl des ümtergrundes ^ ^ w. selbständig

überlassen bleibe; dies ist eine echt künstlerische Forderung.)
Auf diese weise vermag ein farbiges Bildwerk den
Grundelementen unseres Uunstempsindens in Bezug
auf Farbe und Licht vollständig zu geuügen.

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