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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 19
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0277

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Schönheit neu ;u gebären hat, uud daß sie mit dem
bvandel der Zeit sicb ändern muß, daß man also
nicht bei der herkömmlichen weise und den vorbildern
das Schwert gerechter Beurteilung zu suchen bat,
sondern im eigenen, allem Großen und Mahren weit
geösfneten Herzen? — Lines aber erweckt frohe Zu-
versicht: <Ls giebt doch bei uns setzt Maler, welche
vorwärts schauen, welche die Wahrheit ehrlich suchen,
die an der Hand der Natur schaffen und bilden, und
an denen sich stets das neue wunder vollzieht, daß
unter ihren biänden die Naturnachahmung ein Aunst-
werk wird. Die Mglichkeit, solches zu thun, mußte
dem akademischen ^chönheitsschlendrian und seiner
Schildträgerin, der überklugen Ästhetik, abgerungen
werden: Anselm Leuerbach hat nicht umsonst gelebt!"

» Selbftanzeige. Das Mlesen der Ärebi-

iekltur und die Lormenbildung der klasfischen Bau-
kunst. — Daß Ausdehnung und Schwerkrast in der
Architektur bei Ausbildung der Lormen eine bedeutende
Nolle spielen, wurde noch von keinem Ästhetiker in
Frage gestellt; trotzdem ist noch niemals der versuch
gemacht worden, die wirkungen jener beiden Natur-
kräfte nach dieser Nichtung hin eingehend zu untersuchen.
Zch unternahm es nun, in der obigen Abhandlung
zunächst festzustellen, unter welchen Nmständen über-
haupt die wirkungen dieser Rräfte zum Ausdruck
gebracht werden können und welche Annahmen zu
diesem Zwecke hinsichtlich der Beschaffenheit des Ma-
terials unerläßlich sind. Zndem ich mich sodann
haüptsächlich mit der klassischen Baukunst beschäftigte,
wies ich nach, daß in derselben, mn die Linheit des
^vfftems aufrecht zu erhalten, vor Allem die rück-
wirkende Festigkeit zum Ausdruck gelangt, die anderen
Arten der Festigkeit, wie Biegungsfestigkeit u. s. w.,
mehr oder weniger zurückgedrängt sind. F-odann
stellte ich fest, daß aus dem gleichen Grunde auch
die Druckbelastung in der antiken Baukunst eine ein-
heitliche ist und das Gigengewicht der tragenden Teile
unberücksichtigt bleibt. Nebenbei wurde noch darauf
aufmerksam gemacht, daß zwischen der Zweckmäßigkeit
der Bauglieder und den Trfordernissen der architek-
tonischen Bildungsgesetze vielfach ein Ronflikt besteht,
der meistens durch Zugeständnisse von beiden Seiten
gelöst wird. Grnst Bechler.

Ikunswandvverk.

* verscdrobenbeiten nnseres ikunstge-
vverbes, über die sich schon mancher gute Ropf ge-
ärgert hat, geben auch Lfl T. v. Berlepsch zu
einigen Herzenserleichterungen in der „2lllgemeinen
Zeitung" (l60, Beil.) den Anlaß. Gr spricht zunächst
von der Abnahme provinziell eigentümlicher Baukunst,
mit der es gehe, wie mit den Dolkstrachten. „Das
in dieser bflnsicht noch Bestehende verdankt seine
Lxistenz meistens nur dem Nlangel an Mitteln, welche
man nötig hat, um sich Neues zu beschaffen; selbst
der in vielen Dingen konservatioe Bauer, brennt ihm
einmal sein bfaus ab, baut es kaum in der ^altväteri-
scheff weise wieder so auf, wie es gewesen. Lr will
sich die Fortschritte der Rultur zunutze machen und
wäre es auch nnr in negativer Art; ist ihm doch da-
bei die höchste Znstitution, die Rirche, in neunhundert-
neunundneunzig unter tausend Fällen das maßgebende
Trempel, indem diese das Alte zusammenreißen läßt,

es an Händler verkauft und Neues von höchst pro-
blematischem wert an dessen Stelle setzt — sie, die
früher die Mutter aller Rünste gewesen. Zn letzterem
Falle ist es nicht so sehr das Nivellierende der Zeit,
was dem Alten so arg zusetzt, sondern ein Nlangel
an Geschmack, selbst an jAetät seitens der zuständigen
Behörden. Gs wird an die Stelle des Dagewesenen,
Guten, in den meisten Fällen Neues gesetzt, dem nach
jeder Seite hin die künstlerische Grundlage fehlt. Nlan
sehe nur Dutzende unsrer Dorfkirchenaltäre an, um
den Beweis hiefür in Lfänden zu haben. N)as ent-
wickelt sich da oft für eine Gothik, daß Gott erbarm!"
— Nun geht seit einigen Zahren das Feldgeschrei:
„Wahret das Nationale und wo es gesunken, da
bauet es wieder auf!" Das sei aber eine schwere
Sache, da wir nicht mehr hinter Grenzmauern wohnen.
„wohl ging ein Frohlocken durch manche Rreise, als
man die deutsche Nenaissance als eine Blüte des
eigenen Bodens wieder würdigen gelernt und daraus
eine Rlärung der kräftig sich entwickelnden Bewegung
auf kunstgewerblichem Gebiete erhofft hatte. wo
sind die Nesultate geblieben? — Nlanche Landstriche,
die sich früher einer hochentwickelten Runstindustrie
erfreuten, stehen heute leer, baar alles dessen, woran
der Formensinn sich bilden könnte (Lxempel dafür:
die Schweiz, viele Thalschaften von Tirol u. s. w.).
Deshalb, will man an nationalen, oder sagen wir
lieber lokalen, Trscheinungen festhalten, giebt es nur
Tines: wo an alten vorbildern noch etwas zu finden
ist, dies so peinlich wie nur möglich zu konservieren
und nicht alles blos in Nluseen aufzustapeln. Aus
dem Alten, lernt der Arbeiter aus dem volke erst
einmal seine Vorzüge kennen, erhält sich die Über-
lieferung, welche im häuslichen Rreise Dinge von
individueller Gestalt erstehen läßt und mit F>icher-
heit Griginelleres schafft, als wenn die Seg-
nungen eines nationalen Stilkatechismus in Friesland
ebenso eingeführt werden sollen, wie beim Bewohner
der Gebirge, der mit kundiger Gand sich dies und
jenes schnitzelt, wie er es von seinem Vater gelernt
hat. Vbschon das Meiste von häuslich-traditioneller
Runstindustrie nicht unter den Augen künstlerischer
Doktrinäre groß geworden ist, zeigt es dennoch mehr
Gefühl für Richtigkeit in Bezug auf Berwendung der
Stoffe und ihre Zusammenstellung, was die Farbe
anbelangt, als manch einer es lernt, der den Buch-
staben des stilistischen Gesetzes ebenso genau kennt,
wie ein Vertreter der öffentlichen Ächerheit seine Zn-
struktionen. üier also ist es ein konservatives, berech-
tigtes Festhalten am Grerbten, dem Boden Tigentüm-
lichen, was vielleicht für künstlerische Bestrebungen
da und dort von großer wichtigkeit sein kann. Doch
bedarf es dafür ganz ausgedehnter staatlicher Nlaß-
nahmen, in gesetzgeberischem 5inne ebenso, wie in
materiell unterstützendem." Andrerseits sei die künst-
lerische „Znoasion des Grients" zu bedenken, die zum
so und so vielten Male wieder siegreich gegen kVesten
vordringe: für die Weiterentwicklung unsrer Verhält-
nisse eine sehr wichtige Nlacht. LMen vor

äffischer Nachahmerei (von der freilich Beispiele über-
genug vorliegen), übersetzen wir vielmehr das Gute,
was das NVorgenland bietet, in unsere ^prache, so
können wir genug davon trefflich gebrauchen. Auf
das bewußte Lntwickeln eines nationalen Stils werde
 
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