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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 1.1887-1888

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Heft 22
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.11723#0328

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-—---

! entsprossenen künstlerischen Gestaltung seiner wohn-
stätte höhnend die Berechtigung abgesprochen wird,
wie es bereits hie und da, besonders aber in wien,
geschehen ist, können und wollen wir nicht schweigen."

Kunstdandwerk.

» wesentliches über die deUtScb - NatlONale

Ikunstgevverbenusstellultg in ruünchen haben

wir bisher nur insoweit gebracht, als wir Luthmers
Ansichten über ihre Bauten und Berlepschs Äußer-
ungen über allerlei Verschrobenheiten wiedergaben,
zu deren Besprechung ihn Ausstellungsgegenstände an-
geregt. Bei der wiedergabe der Luthmerschen Aus-
führungen wiesen wir bereits darauf hin, daß sie nur
teilweise unsern eigenen Anschauungen entsprächen.
Die Frage ist diesmal von ganz ausnahmsweise großer
wichtigkeit, denn die Bauten der Münchner Aunst-
gewerbeausstellung erscheinen wie symbolisch sür den
Geist, der unter ihrem Schutze waltet. Deshalb ent-
wickeln wir auch unsere eigene Meinung mit zwei
worten. wie weit sie von der Luthmerschen ab-
weicht, mag schon das Bekenntnis verraten: der Haupt-
bau mutet uns außerordentlich langweilig an. Das
ist nun Geschmacksache. Aber wir wissen uns auch
mit den Bewunderern dieses Steinpalastes aus ^olz
in einer 2Neinungsverschiedenheit von grundsätzlicher
Bedeutung. wir kommen nicht von dein Verlangen
los, daß auch kurzlebige Schöpfungen der architekto-
nischen Runst in ihrer Form ihr wesen, d. h. ihre
Bestimmung und ihren Zweck kennzeichnen sollen.
Das sragliche Gebäude macht, wie sich Luthmer
treffend ausdrückt, den Gindruck einer sürstlichen
Sommerresidenz aus dem vorigen Zahrhundert —
wie ein Ausstellungsbau aus dem neunzehnten sieht
es also sedenfalls nicht aus. Auf die Frage: „woraus
bestehst du?" antwortet es durch seine Grscheinung:
„aus Stein" — aber es besteht aus ^olz. Luthmer
bemerkt, den „kreuzfidelen Schweizerftil" hätten wir
satt. Gründlich satt haben wir ihn. Aber folgt
daraus, daß wir nun mit Holz Stein lügen sollen?
wlir scheint nichts weiter daraus zu folgen, als daß
wir auf andere weise, als durch den „kreuzfidelen
Schweizerstil" solch einen für wenige Monate errich-
teten Ausstellungsbau durch seine Lrscheinung zu
charakterifieren streben sollen, was sehr wohl angeht
und unseren Baumeistern und bildenden Aünstlern
überhaupt, wie den Männern des Runsthandwerks,
reizvolle und dankbare 2lufgaben stellt. Vielleicht
wendet sich die Zukunft für solche Zwecke den Gisen-
bauten zu. vielleicht gestaltet sie auch ein Gebilde
dauerbar genug und mit künstlerischem Geschmack aus,
das möglicherweise ganz besonders reichen Lohn für
solches Bemühen phantasievoller Leute verspräche: das
Zelt. Die Berbindung von Balken- oder Ltangen-
werk mit Stoffen ließe sich in der denkbar mannig-
faltigsten Weise fedem Bedürfnisse in echt künstlerischer
Lharakteristik anpassen, ohne daß man je das ver-
wendete Material dem 2luge vorschwindeln zu lassen
brauchte, es sei ein „edleres" — und gäbe zudem

zu bescheidenem wie zu reichem Farbenschmuck den >
schänsten Anlaß. — Auch die wandmalereien an den
Znnenwänden (im Nestaurationssaal z. B.) haben uns
kühl gelassen, trotz ihrer Geschicklichkeit, trotz der
„Handschrift eines Meisters", wie Seitz. Man wird
nicht warm zwischen diesen weißen wänden mit
ihrem dürstigen Gelb-Grün-Grau. Sie sind nüchtern,
wie die Rellner, die dort herumlaufen, und man sehnt ,
sich fast nach den „altdeutschen" Schenken zurück, über
deren Aneipsprüche man sich ja auch ebenso wie über
manche andere Fexerei mit gutem Necht lustig machte,
die aber doch Farbe und wärme hatten. — völlig
unterschreiben wir hingegen Luthmers lebhafte An-
erkennung der schmückenden Skulpturarbeiten in
der Ausstellung. Die nach alter Technik frei heraus-
geschnittenen Stuckornamente sind teilweis geradezu
eutzückend schön und gaben dem Znsel-Wirtshaus, in
dem sie herrschen, den feinen Neiz zwar nicht eines
wirtshauses, aber doch eines vergnügungssaals für
gute Gesellschaft. Auch die Gipsfiguren im Ausstell-
ungsgarten, besonders die putten, sind voller Laune,
Lebenslust, Geist und zeugen dabei vom höchsten tech-
nischen Rönnen, Sehr schön ist die 2lnlage des Ganzen
an der Zsar, deren grünweiße Flut für Springbrunnen
einen so herrlichen „Stoff" gewährt, daß Bedenken
über diese „Fontainen aus fließendem wasser" nicht
sehr lebhaft würden, auch wenn diese „Fontainen"
nicht durch kleine Steininselchen vom wasser gesondert
wären. Nnd wundervoll ist der Lindruck in der
Dämmerung, wenn im grauen Zwielicht hier blau-
weiß, dort goldig, die elektrischen Lampen leuchten,
die roten, grünen, gelben, violetten Neflektor-Beleucht-
ungen aber mit ihren Rnalleffekten noch fehlen. Dann
werden auch die gestrichenen Bretter des Ausstellungs-
palastes für unser 2luge wirklich zu Marmor, dann
wird alles zum Bild — und wir erfreuen uns am
malerischen Scheine der Bauten, deren architekto -
nischer wert uns nicht einleuchten will.

was nun die besprochenen Räume umschließen,
das könnte für heute sehr kurz von uns behandelt
werden, auch wenn es weniger lückenhaft wäre, als
es ohne Schuld der Dank verdienenden Unternehmer
durch den Wlitbewerb anderer Ausstellungen und durch
die Äberzeugung vieler Aussteller, die Sache koste
mehr, als sie einbringt — leider geworden ist. Line
Besprechung der einzelnen Schränke, Stühle, Lampen,
Teller, Gfen, Teppiche u. s. w. würde, auch wenn
der Raum sie zuließe, für unser j?ublikum ganz gleich-
giltig sein, wenn es die Sachen nicht selber gesehen
hat, und, hat es sie gesehen, doch nicht so wichtig,
wie eine Besprechung des eigentlich Bewegenden in
allen Strebungen unsres Aunstgewerbes. Zwei wich-
tige Trscheinungen solcher Art traten nun in Nlünchen
zu Tage. Lrstens: das Rokoko dringt vvr. Zwei-
tens: unser Runstgewerbe arbeitet immer mehr für
den Reichen. Diese Lrscheinungen aber sind zu
wichtig, um nur kurz berichtet zu werden: wir werden
ihre Beleuchtung in einem Leitaufsatze versuchen.

A.

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