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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 161 - No. 170 (12. Juli - 21. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44142#0045

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Die,^Sürgevzeitimg"
erscheint täglich mit Ausnahme von
Sonn- und Feiertagen.
Der Sonntagsnummer liegt ein Unter-
haltungsblatt, „Der Erzähler", mit dem
Humor. Repräsentanten „Der deutsche
Michel" bei.

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für Stadt und Land.

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Vierteljahr!. Mk. t.— ohne Zustellgeb.
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Petitzcile od. deren Raum- Für locale
Geschäfts- u. Privarameigen 8 'M.

Heidelberg, Donnerstag, 13. Juli

1893.

Expedition:
Hauptstraße 35.

Expedition:
HauplstraßeLS.

* Die Lage in Frankreich.
In der französischen Presse wird das politische Nach-
spiel der blutigen Feigenblattrevolution als ein Satir-
spiel voll blutigen Hohnes aufgefaßt. Nachdem die Ein-
zelheiten über das Festhalten des Finanzministers Peytral
auf seinem Platze bekannt geworden sind, glaubt man,
wieder weidlich auf Dupuy und sein Schaukelsystem los-
schimpfen zu können. Das „Journal des Dsbats"
nennt die Opferung des Pvlizeipräfecten Loze dem Fi-
nanzminister Peytral zuliebe einen erbärmlichen Schacher.
Vierundzwanzig Stunden vorher habe Dupuy durch die
Abstoßung der Radicalen einen großen Sieg erlangt, und
nun erniedrige er sich derart vor ihnen. Bei billiger Er-
wägung wird man diese Bcurtheilung viel zu hart finden.
Aber auch andere Blätter sind dem guten Dupuy gar
nicht recht gewogen. Daß Dupuy in Sachen Lozs nach-
gegeben, veranlaßt den „Gaulois" zu der boshaften
Frage: „Ist Dupuy eigentlich noch Ministerpräsident?
Oder ist dies nicht im Gegentheil Peytral?" „Figaro"
bemerkt: „Zusammenhanglostgkeit, Unwahrscheinlichkeit,
wie Sie wollen! Das Unerhörte geschieht, daß Peytral be-
reits im Abziehen begriffen war und daß nun Loze geht."
Bei den Radicalen herrscht dagegen das Gefühl einer
gewissen Genugthuung vor; nur merkt man ihnen an,
daß diese ihnen ohne ihr Zuthun in den Schoß gefallene
Genugthuung doch nicht hinreicht, um ihnen über die
trotzdem bestehen bleibenden Gefahren der allgemeinen
Wahlen hinwegzuhelfen. Die Spaltung bei den Repu-
blikanern ist da; die Radicalen gehen zu den Sozialisten,
wie dies Goblets Rede gezeigt hat, und die Gemäßigten
zu den „Ralliirten". Die Radicalen nehmen zwar die
Backen sehr voll und pfeifen, wie der ängstliche Mann
im Dunkeln, aber so recht geheuer ist es ihnen nicht.
Den besonnener denkenden Radicalen ist cs klar, daß
man ein Glückspiel spielen will, bei welchem den Einsatz die
Republik selbst bildet.
Auf der anderen Seite hat Dupuy große Besorgniß
vor der Arbeiterbewegung, und am liebsten schlösse er die
Arbeitsbörse gleich wieder auf. Das wäre aber offenbare
Schwäche, oder würde mindestens als solche aufgefaßt, in
dem Augenblicke, da man unbeirrtes Vorwärtsschreiten
auf der einmal betretenen Bahn fordern zu müssen be-
rechtigt zu sein glaubt. Ich glaube, „man" mißt dem
Verhalten Dupuys zu große Wichtigkeit bei. Warte man
erst ab!
Größere Besorgniß müßten von Rechts wegen die
Freunde der Feier des Nationalfestes haben. Die Arbeiter
geben die Losung aus: „Keine Festbeleuchtung, keine
Fahnen, keine Vergnügungen, keinen Tanz am 14.Juli!"

An sich ist diese Forderunge ungefährlich. Aber von der
Forderung bis zu der Absicht, ihre Erfüllung zu erzwingen,
ist nur ein Schritt. Werden die Arbeiter den Festschmuck
am 14. Juli herabreißen? Werden sie die bunten Lampen
zerstören? Die Fragen bleiben offen.
Deutsches Reich.
Berlin, 10. Juli.
— Der Bundesrath überwies in seiner heutigen
Plenarsitzung den Antrag Badens, betreffend Maß-
nahmen für den Betrieb der landwirtschaftlichen Brenne-
reien, zur Linderung des Futtermangels, dem zuständigen
Ausschüsse. Der Antrag hat folgenden Wortlaut: Der
hohe Bundesrath wolle beschließen: 1. daß den Besitzern
von landwirthschaftlichen Brennereien bis zum 15. Juni
1894 gestattet wird, von der in ihren Brennereien ge-
wonnenen Schlempe bis zu 50 Proc. an andere Land-
wirthe abzugeben, ohne daß den Brennereien dadurch der
landwirthschaftliche Charakter verloren geht; 2. daß den
landwirthschaftlichen und gewerblichen Brennereien allge-
mein gestattet wird, jene Branntweinmengen, mit denen
sie in einem der zwei vorausgegangenen Betriebsjahre
1. October 1890/91 und 1891/92 aus irgend welchen
Gründen hinter dem bewilligten Jahreskontiugent zurück-
geblieben sind, im laufenden Betriebsjabr zum niedrigeren
Verbrauchsabgabesatz herzustellen.
— Mehrere Morgenblätter nehmen an, daß der
Reichstagsschluß am 18. Juli erfolgt. Die Mili-
tärvorlage werde ende dieser Woche erledigt, der Nach-
tragsetat am 17. und 18. Juli. — Der „Nationalztg."
zufolge sind die bayerischen Abgeordneten wegen der Land-
tagswahlen fast sämmtlich abgereist und werde sehr be-
zweifelt, ob die vom Centrum alle zur Abstimmung bei
der Militärvorlage, deren Annahme zweifellos ist,
wiederkommen.
— Eine hier stattgehabtc Versammlung von Ver-
trauensmännern der freisinigen Partei in Baden
beschloß, den Parteitag der freisinnigen Volkspartei zu
beschicken. Zu einer Reihe aktueller politischer Fragen
wurden Beschlüsse gefaßt. Für den Anschluß an die
freisinnige Vereinigung sprach sich niemand aus.
Ausland.
Wie das „Fremdenblatt" erfährt, dürfte die öster-
reichische Regierung ein Ausfuhrverbot auf Heu und
Klee erlassen, da sich die Mehrzahl von den landwirth-
schaftlichen Vereinigungen in einem verlangten Gutachten
dafür ausgesprochen habe.
Durch den Beschluß des Pariser Gemeinderaths,
die Einwohner aufzufordcrn, am Nationalfest nicht thcil-
zunehmen, wird die Kleinindustrieschwer geschädigt. Viele

Industriellen haben die Arbeit sofort eingestellt, wodurch
zahlreiche Arbeiter beschäftigungslos werden. — Der
Journalist und Rechtsanwalt Viviani ist vom General-
staatsanwalt dem Rathe der Rechtsanwälte gemeldet
worden, weil er in der „Petite Republique Franyaise"
die Bürger aufgefordert hatte, sich gegen die Polizei zu
vertheidigen. — Ein Mann wurde verhaftet, der in der
Avenue de la Republique Baumanpflanzungen in Brand
zu stecken versuchte.
Paris ist wieder vollständig ruhig, sogar sehr
heiter und lustig und allerorten vergnügt man sich sehr
gut, da die Jahrmärkte eröffnet sind, die bei Gelegenheit
des Nationalfestes am 14. Juli in allen Stadtvierteln
abgehalten werden. Da die Ruhestörungen vorderhand
als beendet angesehen werden, so erhielten die meisten
Mannschaften 12 Stunden Urlaub. In der Deputirten-
kammer beantragte Pourquery de Boisserin eine Amnestie
für alle wegen der Unruhen im Quartier Latin Be-
straften. Minister Dupuy entgegnete: Nachdem die Re-
gierung kürzlich erst eine Amnestie für die Arbeiter ver-
weigert, die nur eine unvollständige Kenntniß des Ge-
setzes besitzen, könne man sie nicht den Studenten be-
willigen, die auf der Schulbank sitzen, um das Gesetz zu
lernen. Begnadigungen können bewilligt werden, eine
Amnestie aber sei unangebracht nach den Unruhen, die
das Land bewegt hätten. Die Amnestie wurde darauf
mit 279 gegen 141 Stimmen abgelehnt. Inzwischen
arbeitet der Justizminister ein Reglement für die Arbeits-
börse aus, das demnächst dem StaatSratde zugeht. Das
Reglement läßt zur Arbeitsbörse nur Syndikate zu, die
alle durch das Gesetz von 1884 vorgeschriebenen For-
malitäten erfüllt haben und die Verpflichtung übernehmen,
sich nur zur Diskutirung der gewerblichen Interessen zu
versammeln.
Die Hochzeitswoche in London fand ihren Ab-
schluß mit einem großen Frühstück in der Guildhall zu
Ehren des dänischen Königspaares. Bei demselben hielt,
oder besser verlas, der Zarewitsch eine englische Ansprache,
in welcher er für die gute Aufnahme in England dankte.
Nach einer Meldung aus Auckland vom 10. d.
überbringt der aus Samoa eingelaufene Postdampfer die
Nachricht, daß auf der Insel ein Zusammenstoß zwischen
den beiden Parteien unmittelbar bevorstehe; Mataasa
rücke gegen Apia vor, wo die Geschäfte bereits gänzlich
eingestellt seien._
Aus Vaden und den Nachbarländern.
Amtliches.
Se. Kgl. Hoh. der Großherzog hat unter dem 4. Juli
d- I- den außerordentlichen Professor Dr- v. Oechelhäuser

Des Vaters letzter Wille.
S) Von Fritz Brentano.
(Fortsetzung.)
„Liebes Kind", versetzte Julie, „der Geist Ihres ab-
geschiedenen Vaters wird sicher nicht zürnen, wenn Sie
dem Geliebten zum Besten Ihrer Familie die Hand reichen."
„Den Geliebten!" seufzte Anna. Die Gräfin stutzte
und trat, die vor ihr stehende scharf fixirend, näher.
„Sie lieben Ihren Bräutigam nicht?" fragte sie.
„Alle meinten, daß Andreas und ich uns heirathen
würden, da zog ein Anderer — Wilhelm Schulz — in
die Armelcut-Kasernc und von dem Augenblicke an wußte
ich, daß ich Andreas nicht liebe. Ach, Frau Gräfin,
Wilhelm hat mir eigentlich seine Liebe niemals gestanden,
aber ich habe seine Blicke gesehen, und als mein Vater
gestorben, faßte er mich bei der Hand, schaute mir in das
Auge und sprach so liebe Worte der Beruhigung und des
Trostes, daß ich ihm mein ganzes Herz zuwandte. Ach,
da fühlte ich, daß er mich liebt, wie gut er ist und ganz
anders als der rauhe Andreas."
„Ja, und er, der — Wilhelm Schulz-was
ist er doch?"
„Wilhelm ist Maler."
„So erfahre denn, daß er Graf Maximilian von
Seineck, ein sehr reicher Edelmann aus einem der ältesten
Geschlechter unseres Herzogthums ist", erwiederie Julie,
„ein höchst aufrichtiger, junger Mann, den Dein hübsches
Gesicht anzog und der in die Armeleut-Kaserne kam, um
Dich zu seinen: Liebchen zu machen — —"

Diese Eröffnung kam so rasch, so unvorbereitet, daß
die Wirkung auf das Mädchen eine furchtbare war.
„Lüge, Lüge!" Nur das eine Wort stieß sie hervor.
Julie nahni ein Album von einem Tisch und reichte
es Anna hin. „Ist das Wilhelm Schulz?" fragte sie.
Anna warf einen Blick in das Buch. In eleganter
Toilette, den Ordensstern auf der Brust, zeigte sich ihr
der angebliche Maler. Anna starrte das Bild eine Weile
an, dann stürzte ein Strom von Thränen aus ihren
Augen.
Ich danke Ihnen, daß Sie mir die Augen öffneten
und mich von oem Abgrund zurückzogen, an dessen
schwindelndem Rand ich gleich einer Nachtwandlerin stand.
Es geschah freilich etwas plötzlich und schmerzlich — aber
was thut es Wir, aus dem Volke, können ja einen
derben Schlag vertragen, und wenn auch das Herz dar-
über bricht-warum hängt es sich an einen aus
dem Adel."
Die letzten Worte klangen sbitter und vorwurfsvoll,
aber die Gräfin nahm sie nicht übel. Sie fühlte, was
in dem Herzen des armen Mädchens vor sich ging, beugte
sich liebevoll über sie und sprach ihr milde Worte des
Trostes und der Liebe.
„Und wie gedenken Sie dem Grafen — Wilhelm
Schulz wollte ich sagen, künftig entgegegen zu treten?"
„Ach, ihn — ihn möchte ich nicht wiedersehen!"
In den Augen der Gräfin blitzte es freudig auf.
„Da kann geholfen werden" , antwortete sie rasch.
„Mein Landhaus ist nur von dem alten Kestellan und
seiner wackeren Frau bewohnt. Zu ihnen sollen Sie gehen,
mein Kind, dort können Sie einige Wochen in stiller

Zurückgezogenheit leben und kein Mensch wird Ihren
Aufenthaltsort auskundschaften. Der Graf wird Sie ver-
gessen — sein Sinn wird sich anders wohin wenden."
Einige Stunden später fuhr Anna Schlicht in aller
Stille nach dem Landhaus der Gräfin, die ihr das feste
Versprechen gegeben hatte, sie dort recht bald zu besuchen.

Die Abendsonne schien in das Zimmer der Schlicht'
schen Familie binein.
Andreas schaute mit finsteren Blicken auf den ge-
lähmten Knaben. „Ich gefalle Dir also auch nicht mehr.
Der Graf hat es Dir wohl auch angethan, wie Deiner
Schwester", sprach er.
Der Knabe schüttelte den Kopf, und wollte gerade
antworten, als der Eintritt der Mutter das Gespräch
unterbrach. Die alte Frau nickte eintretend dem Andreas
freundlich zu und bot ihm einen guten Tag, während
Fritz ihr sogleich erzählte, was dieser von einem Grafen
geredet habe, und sie zur Zeugin aufrief, daß sie Alle
von einem solchen nichts wüßten.
„Der Andreas wird wahrscheinlich die Frau Gräfin
Julie von Brandt meinen", antwortete lächelnd Frau
Schlicht.
„Nein, nein", rief Andreas heftig, „ich weiß es recht
gut, wen ich meine, aber Ihr wollt Eure Augen nicht
öffnen, und um Euch schauen, sonst müßtet Ihr wissen,
daß der Wilhelm Schulz kein Maler, sondern ein Graf
ist, der sich diesen Namen beilegte."
„Er wäre reich", fiel Frau Schlicht ein, „und wohnte
hier in der Armeleut-Kaserne? Andreas, das glaube ich
nicht."
 
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