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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 171 - No. 180 (22. Juli - 2. August)
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General-GAmeiger

Expedition: Kauptflrcrßs Wr.

Mpedition: Kauptstrcrße Dr.

für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Ieikung).

Jnsertionsprersr
die Ispalti.qe Petitzctle oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärtige Inserate 1v Pfg,, bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-

Slbomrernentspreis r
mit 8scitigcm illustrirtem Sonntagsblatt: monatlich
35 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 90 Pfennig ohne Bestellgeld.

1893

M 178.
Verantwortlicher Redacteur:
tferm. Streich.
_Heidelberg, Montag, den 31. IM_
Bruck und Verlag:
kieckmaun, Dörr L Wurm.

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auf den
HeneEsl -- Zlirzsigev
für Heidelberg und Umgegend
für- öen WoncrL August
werden jetzt von sämmtlichcn Attstrügerinnen
und in der Expedition
Ar*. LZ
entzezcngcnommen. AbomreMSNtsPreis nur
35 Pfg. monatlich
frei in's Haus, einschließlich der achtseitigen
iWrmen SrmnilMbeükge.
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" Die komMAden Rmmer.
Es ist imnier interessant, der Zeit in Ge-
danken etwas voraus zu eilen und nicht nur über
das nachzugrübeln, was da ist, sondern auch über
das, was da werden könnte'
So z. B. ist gegenwärtig Graf Caprivi Kanzler
des deutschen Reiches. Man weiß aber nur zu aut,
daß hinter ihm Jemand steht, dessen brennender
Ehrgeiz ebenfalls in dem Reichskanzlerposten sein
Ziel sieht. — Herr v. Miquel, der preußische
Finanzminister. Man weiß ferner, daß der Ober-
bürgermeister von Frankfurt nach Berlin gekommen
war mit der ausgesprochenen Absicht, früher oder
später die Zügel der NeichSpolitik in seine Hand
zu nebmen. Herr Miquel war jedoch viel zu klug,
als daß er damals bätte annehmen können, seine
Absicht würde sich so ohne Weiteres verwirklichen
lassen: der bürgerliche Demokrat, Bankdirektor,
Gründer und natonalliberale Führer Miquel wider-
sprach gar zu augenscheinlich den Traditionen
Preußens und Deutschlands.
Ten Berliner eingeweihten Kreisen ist es denn
auch ganz gut bekannt, daß die Wohnung des
Herrn Dr. Miquel lange Zeit hindurch bei ver-
schiedenen Hof- und hohen Bureaukreisen gewisser-
maßen unter Ouarantäme gestanden. Herr Dr.
Miquel scheint sich darüber wenig gekümmert zu
haben: er sagte sich mit Recht, daß der Tod und
d^.-Geldsack alle Menschen gleich macht,
und da das Schicksal ihn nun einmal an diesen
Geldsack Preußens (und unmittelbar auch des
Reiches) gestellt, so konnte er ruhig warten, bis
der passende Moment gekommen. Inzwischen voll-
brachte der General-Reichskanzler den Helgoländer
Tausch, die Handelsverträge — Herr Dr. Miquel
ließ ihn gewähren, obwohl die Stimme des preu-
ßischen Finanzministers nach gar manchen Rich-
tungen hin anders ausgefallen und vielleicht auch

maßgebender gewesen wäre als der Gedankengang
des Grafen Caprivi. Herrn Dr. Miquel standen
eben nur zwei Wege offen: er konnte entweder sich
höheren Ortes gewissermaßen einschmeicheln oder
aber sich unentbehrlich machen — er hat den
zweiten Weg gewählt, indem er seine zahlreichen
Gegner nicht etwa versöhnte, sondern nach und
nach verdrängte. Heute ist Herr Dr. Miquel that-
sächlich Reichskanzler in xartillus iaticiolium,
wenig geliebt aber widerspruchslos anerkannt.
Nun wußte er ferner, daß ohne jedweden An-
hang auch die gewaltigste und rücksichtsloseste Kraft
früher oder später in nichts zusammenfallen müsse;
er mußte sich daher unter seinen Staats- oder
Neichskollegen einen passenden Untergrund, eine
passende Folie aussuchen — und die ist bereis ge-
funden. Die beste Acquisttion, die Herr v. Miquel
gemacht hat, ist die Person des Vizepräsidenten v.
Bötticher, eines rastlosen Verwaltungsbeamten,
schlagfertigen Redners und anfassungsfähigen Res-
sortchefs. Nicht minder glücklich war der „Erwerb"
des preußischen Ministerpräsidenten Graf Eulenburg.
Der Herr Graf galt und gilt noch bei Vielen als
der Reichskanzler in 8pe, und daß Herr Dr.
Miquel gerade diesen seinen „Nebenbuhler" sich
zuni Parteigänger gewonnen, zeigt von einem großen
staatsmännischen Geschick des preußischen Finanz-
ministers. Wird er nun einmal das Palais in
der Berliner Wilhelmsstraße beziehen? Unwahr-
scheinlich ist es auf auf keinen Fall. Ein Trium-
virat Miquel-Eulenburg-Böttichsr ist bei der gegen-
wärtigen „Männer-Armuth" in der deutschen Po-
litik eine Macht, mit Hilfe derer sich schon etwas
machen läßt, und daß Herr Dr. Miquel abeits-
und amtsmüde ist, können nur Diejenigen glauben,
die nicht zwischen den Zeilen zu lesen verstehen.
Dem Großkreuz des Rothen Avlerordens wird bald
der Schwarze Adler folgen, und vom Kapitel dieses
Ordens dürfte für Herrn Miquel auf dem Wege
über das-Heroldsamt die Entfernung bis
zum Reichskanzler-Palais nicht mehr allzu groß
sein ....
Natürlich — wenn nichts „dazwischen kommt."
Diesen Beisatz muß man, wie überall in der Welt,
auch hier anfügen.
Deutsches Reich.
Berlin, 30. Juli.
— Dieim „Reichsanzeiger" mitgetheilte Denk-
schrift zu den Zollerhöhungen gegen
Rußland schildert die ganzen Verhandlungen.
Danach verlangte Deutschland als Entgelt für den
Konventionaltarif außer Erleichterungen des Grenz-
verkebrs und der Zollformalitäten sowie Beseitigung
der Differentialzölle ec. erhebliche Ermäßigung des
russischen Tarifs für Metallwaaren, Instrumente,
Maschinen, Fahrzeuge, Chemikalien, Farbstoffe,
Textilwaaren, keramische Artikel, für Papier und
landwirthschaftliche Erzeugnisse. Auf Wunsch wurden
detaillirte Vorschläge hierüber der russischen Re-
gierung im März 1893 übermittelt, aber nur theil-
weise angenommen. Der russische Vorschlag auf
Abschluß eines Provisoriums, wodurch Rußland bis

Ende 1893 den deutschen Konventionaltarif, Deutsch-
land den Mitgenuß der Frankreich bewilligten Tarif-
zessionen eingcräumt werden sollte, wurde mit dem
Hinweis abgelehnt, daß hierzu die Mitwirkung des
Reichstags nothwendig sei, die nach dem Stand der
parlamentarischen Arbeiten nicht mehr zu erlangen
wäre, und daß die Frankreich bewilligten Zollnach-
lässe kein Aequivalent für die provisorische Ge-
währung des Konventionaltarifs seien.
— Es wird mitgetheilt, das Statut der
M itt elst an d s Partci sei fertig. Das Programm
werde in den nächsten Tagen veröffentlicht werden.
Dasselbe lehne sich an das Programm der Hand-
werker eng an. In Berlin sei beabsichtigt, für die
vier Landtagswahlkreise je einen Mittelstands-Wahl-
vercin zu bilden und bei der Landtagswahl in
Thätigkeit zu treten. Entsprechende Versammlungen
würden nach Beendigung der Reisezeit unberufen
und die Wahlvereine konstituirt werden. Ein Auf-
ruf für 1894 wäre gemeinsam mit dem Vertreter
des Hamburger Jnnungsausschusscs ein deutscher
Jnnungstag und anschließend daran ein Parteitag
der Mittelstandspartei in Aussicht genommen.
— Gegenüber der Auffassung einzelner Blätter,
daß Deutschland den Ereignissen in Siam völlig
gleichgültig gegenüber stehe, verlautet, daß die Reise
des Staatssekretärs v. Marschall nach Kiel nicht
zuletzt bezweckte, den Kaiser auf dessen besonderen
Wunsch vor seiner Reise nach England über die
jüngsten Vorgänge in Siam und deren Beurthci-
lung seitens unseres auswärtigen Amtes genau zu
unterrichten.
London, 29. Juli. Der Streik der Berg-
leute hat allen Ernstes bego'nnnen. Zu Zehn-
tausenden haben die Arbeiter in Aorkshire, Lanca-
shire und den Grafschaften Mittelenglands heute
Abend die Arbeit eingestellt. Die Bergleute von
Südwales, die an den, Ausstand nicht betheiligt
sind, beschlossen, während der Dauer des Streiks
nicht über die Zeit zu arbeiten, sowie die Strei-
kenden durch Wochenbeiträge unterstützen zu wollen.
Die Kohlenpreise sind in langsamen Steigen begriffen.
— Die Ausführung der Bestimmungen über
die Arbeitszeit von jugendlichen Arbeitern und
Arbeiterinnen, die in der letzten Gewerbeordnungs-
novelle enthalten sind, beschäftigt, wie ein dem
Bundesrath neuerdings zugegangener Antrag betreffs
der in Spinnereien thätigen jugendlichen Arbeiter
zeigt, die Centralbehörden noch immer. Dein Ver-
nehmen nach hat aber auch der Reichskanzler in
letzter Zeit es mehrfach abgelehnt, auf eine von den
allgemeinen Bestimmungen abweichende Regelung
der Arbeitszeit dieser Arbeiterkategorien, wie sie von
einzelnen Industriezweigen gewünscht wurde, einzu-
gehen bezw. eine solche dem Bundesrathe vorzu-
schlagen. Die Ablehnung ist hauptsächlich deshalb
erfolgt, weil in den betreffenden Berufszweigen keine
so große Anzahl solcher Arbeiter beschäftigt war,
daß wegen derselben besondere Bestimmungen ein-
geführt werden könnten.
— Bei der geplanten Ausdehnung der Un-
fallversicherung auf daS Handwerk soll auch
die Frage entschieden werden, wie den Wünschen

einzelner Gewerbszweige auf eine andere Zusammen-
setzung bestehender Berufsgenossenschaften entsprochen
werden könne. Unter anderem dürste dies mit dem
Verlangen des Fleischergewerbes der Fall sein, welches
aus derillahrungsmittelindustrie-Berufsgcnossenschaft,
der es gegenwärtig angehört und zu der es die
Mehrzahl der versicherungspflichtigen Betriebe stellt,
auszuscheiden beantragt hat.
Karlsruhe, 30. Juli. Durch verschiedene
Blätter ging dieser Tage ein Artikel, der die
Diäten der Abgeordneten der verschiedenen Länder
miteinander verglich. Darin hieß es, Baden
gewähre eine Vergütung von 12 Mark für die
11. Kammer, „während die erste Kammer
leer ausgeht." Dieser letzte Satz enthält einen
großen Jrrthum. Die I. Kammer geht nicht
leer aus; sondern ihre Mitglieder (mit Ausnahme
der Standesherren und der Prinzen des Großh.
Hauses) erhalten gesetzlich genau dieselbe Ver-
gütung, wie die Abgeordneten der II. Kammer.
Thatsächlich stehen sich jene sogar besser als
diese. Denn, wie seiner Zeit der „Gen.-Anz. f. H.
n. U.", ohne Widerspruch zu erfahren, festgcstellt
hat, nimmt die II. Kammer für ihre Mitglieder
nur sür die Zeit Diäten in Anspruch, die sie
auch wirklich hier sind. Die Herren von der I.
Kammer dagegen beziehen ihre 12 Mark auch
dann, wenn sie sich ans einige Woche vertagen
und ruhig zu Hause sitzen. Woher diese verschie-
dene Auslegung des Gesetzes für beide Kammern
kommt, vermögen wir nicht anzugeben.
München, 29. Juli. Zu den vielfach ver-
breiteten ungünstigen Gerüchten über das Be-
finden desKönigsOtto bemerkt der „Fränk.
Kur.": An dem ganzen Gerüchte ist, wie auf das
Bestimmteste mitgetheilt werden kann, auch diesmal
nicht ein wahres Wort. König Otto lebt zwar in
vollständiger Apathie, ohne seine nächsten Verwandten
und einstigen Bekannten zu erkennen, befindet sich
jedoch körperlich sehr wohl, und ißt und trinkt mit
dem besten Appetite.
Ausland.
Prag, 29. Juli. Im Sozialistenprozeß
gaben alle Angeklagten übereinstimmend an, daß
sic gern einzeln auseinander gegangen wären, aber
von den Soldaten, Gendarmen, und Polizisten in
Haufen getrieben und verhaftet wurden. Maly
erzählt, er sei auf der Flucht von Soldaten einge-
holt, mit den Gewehrkolben geschlagen und geohr-
feigt worden. Von einem Offizier habe er zwei
Säbelhiebe über den Kopf erhalten und dann sei
er gefesselt und unter Schlägen fortgeführt worden.
Er habe vier Tage im Krankenhaus zugebracht.
Die auf der Gallerie befindlichen Zuhörer gaben
ihre Zustimmung zu der Verwahrung Maly's
gegen das Vorgehen des Militärs kund.
Paris, 29. Juli. Das Reutcrfche Bureau
meldet aus Bangkok: Die siamesische Regierung
hat heute sämmtliche Bedingungen des französischen
Ultimatums angenommen. Frankreich nimmt das
nachträgliche Zugeständnis; der siamesischen Negierung
voraussichtlich an, und damit ist derganze siame-
sische Zwischenfall erledigt.

Eine öunkle That.
Roman von P. E. von Areg.

(Fortsetzung.)
Er erhob sich rasch und kleidete sich an, indem
er vermied, allzuviel Geräusch zu machen; denn
es lag nicht in seinem Wunsche, den Schläfer
nebenan zu erwecken, um ihn dadurch vielleicht
zu nachträglichen Nachforschungen zu veranlassen,
weil seine nngenirten Aeußerungen in der Nacht
von Personen gehört worden, für die sie nicht
bestimmt waren.
Johann Ohlsen empfing den Doktor, als er
hinunter in das allgemeine Gastzimmer kam, mit
der gleichen biederen Freundlichkeit, wie am Abend
vorher, und doch kam es ihm vor, als lauerte
hinter seiner ersten Frage, ob er die Nacht ruhig
und gut geschlafen, eine unausgesprochene andere:
in wie weit die Ereignisse der Nacht zur Störung
seiner Ruhe geeignet gewesen wären. Seine
Antwort war ganz dazu angethan, auch in dieser
Beziehung jeder auftanchenden Beunruhigung des
BZirthes zu begegnen.
„Ich erinnere mich kaum", sagte der Doktor,
"jemals eine Nacht besser geschlafen zu haben,
kls hjxfe erste in Ihrem Hause, Herr Wirth.
Ich will das aber nicht allein auf ihr ausgezeich-
netes Bett schieben, sondern ein großes Theil da-
bs>n auch aus meine ungemeine Ermüdung rechnen,
mich gestern Abend, als ich kaum mein Abend-
rot zu mir genommen, hier an diesem Tische mit
schlaf überfiel. Beides znsammengenommen hat

mich in einen ruhigen und tiefen Schlummer
fallen lasten, der, wie mein spätes Aufstehen zur
Genüge beweist, bis zum lichten Tage unge-
halten hat."
„So haben Sie also meine spät in der Nacht
einrückenden anderen Gäste nicht gestört?" fragte
der Wirth weiter, als sei ihm daran gelegen,
die Angelegenheit bis in ihre Einzelheiten zu
erörtern.
„Es war mir allerdings so", entgegnete der
Doktor, als ob mich die Tritte harter Stiefel in
der Nacht zu wecken versucht hätten. Bei diesem
Versuche ist es übrigens auch geblieben; wenigstens
bin ich noch in derselben Minute wieder gut und
ferner ungestört eingeschlafen."
Der Wirth mochte begreifen, daß eine weitere
Erörterung des Themas nur dazu beitragen
würde, die Sache selbst seinem Gaste in einem
auffälligen Lichte hinzustellen. Er brach deshalb
das Gespräch ab und ging hinaus, um ihm das
Frühstück zu besorgen.
Wenn der Doktor erwartet hatte, er werde
vielleicht hier unten in der Gaststube Gelegenheit
finden, den Mann zu sehen, der das ihm benach-
barte Zimmer während der letzten Nacht bewohnt
hatte, so sah er sich in dieser Erwartung gänz-
lich getäuscht.
Sobald Dr. Schwanenfeld das Frühstück be-
endet, machte er sich auf den Weg, um eine Woh-
nung zn suchen.
Er hatte einige Empfehlungen an ältere Kol-
legen in der Stadt aus der Heimath mitgebracht.
Man empfing ihn überall mit liebenswürdiger
Zuvorkommenheit und stand ihm

um ein Gutachten über die Wahl seines Domizils
bereitwilligst mit gutem Rathe bei. Fast alle
ricthen ihm, sein Heil in der von den Arbeitern
bewohnten Altstadt zu versuchen.
Bald fand er denn auch dort eine kleine
Wohnung, die allen seinen Anforderungen zu ent-
sprechen schien. §Ohne sich lange zu besinnen,
miethete der junge Arzt die Räume. Das kleine
Haus hatte einen schmalen Vorgarten und war
aus der Hinterseite von einem gut gepflegten Obst-
und Gemüsegarten umgeben.
Und da der neue Miether die gegenüberliegende
Häuserreihe musterte, um sich über das äußere
Ansehen seiner nächsten Nachbarschaft zu verge-
wissern, bemerkte er, daß eben ein junger schlank
gewachsener und sehr elegant gekleideter Mann,
eine Reitpeitsche in der Hand, aus dem gegenüber
gelegenen Haufe trat und fpornklirrend die Straße
hinaufschritt.
Er Hütte der Erscheinung dieses Mannes
vielleicht weiter keine Aufmerksamkeit geschenkt,
wäre nicht sein Blick unwillkürlich einige Augen-
blicke an jenem Hause hängen geblieben, das
dieser verließ. Und bei dieser Gelegenheit sah er
an dem einen Pfeiler der Vorgartenthür ein
weißes Schild herüber glänzen, ans dem in großen,
schwarzen Buchstaben geschrieben stand: Peter
Wienbrand, Kommissionär.
Dieser Name durchzuckte ihn wie ein Blitz-
strahl. War es nicht derselbe Name, der in der
verflossenen Nacht bei dem unabsichtlich mit ange-
hörten Zwiegespräch genannt worden war, von
dessen Seite einem der Sprechenden Gefahr drohe?

nochmals dem Manne, der soeben jenes Haus
verlassen hatte, denn eS schien ihm im höchsten
Grade wahrscheinlich, daß er hier den Mann vor
sich hatte, der in der Nacht das Bett neben ihm
eingenommen. Aber der machte nicht den Eindruck,
als ob er ein bedrängter Kunde sei; deshalb
wandte sich auch sein Auge bald von dem Davon-
schreitenden ab und kehrte zu jenem Nachbarhausc
selbst zurück, dessen Inhaber ihn interessirte. Und
als er die Fenster des Unterstocks drüben mit
den Augen überflog, säh er in einem derselben
einen älteren Mann sitzen, bekleidet mit einem be-
häbigen Schlafrock. Das war jedenfalls der
Kommissionär, denn das Has war zu klein, um
zwei Familien Aufenthalt zu gewähren.
Und wie er bei solchen Gedanken seine Blicke
auf die Fenster des Obergeschosses wendete, sah
er hinter dem mittelsten derselben ein junges
Mädchen sitzen, das unter feinen musternden
Blicken tief crrvthete und ihre Augen auf die
Handarbeit senkte. Die Entfernung war so gering,
daß er das Gesicht des jungen Mädchens in allen
seinen Theilen zu erkennen vermochte, und wenn
ihre Züge vielleicht auch für den Maler nicht mit
dem Prädikat schön zu bezeichnen gewesen wären,
so machte sie doch die frische, anmuthige Farbe
der Jugend geradezu bestrickend. Unser Doktor
wandte sich mit einem Seufzer wieder von dem
Häuschen ab und ging wieder in die Stadt zurück,
der frohen Hoffnung gewiß, daß ihm in Zukunft
von seinem Zimmer aus der Anblick des jungen
Mädchens wiederholt noch gegönnt sein werde.
Schon weit im voraus _ckckrriU-^u^n^
 
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