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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 221 - No. 230 (19. September - 29. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44142#0309

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General-WAnzeiger



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für Heidelberg und Umgegend



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vierteljährlich 8V Pfennig ohne Bestellgeld.
Expedition: F>nnptttrcrße äNr. 25.

--—-——«
Expedition: Knuptstrcrtze Wr. 25.


228.

Verantwortlicher Redakteur:
Herrn. Streich.

Mittwoch, den 27. September

Druck und Verlag:
Heckmann, Dörr L Wurm.

1893.

ZM- Telephon-Anschluß Nr. 102. -WU


Neubestellmrgen
auf den
General-Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
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nebst dem 8seitig. Jllustr. Sonntagsblatt
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Ter Kaiser und Fürst Bismarck.

Zur Vorgeschichte der Depesche Kaiser Wilhelms
au den Fürsten Bismark haben, so schreibt man
aus Wien, verschiedene Gutunterrichtcte unmittelbar
Nach dem Bekanntwerden jenes Telegramms mit-
ssttheilt, daß mehrere Souveräne, unter ihnen vor
Ällen Kaiser Franz Josef, bestimmend auf den
Entschluß des deutschen Monarchen einwirkten.
Dann kamen die „besser Unterrichteten", die ver-
sichern, daß an jenen Meldungen kein wahres Wort
fei- Zu dieser gesammten sonderbaren Berichter-
stattung ist nur zu bemerken, daß eine autorisirte
Angabe über das, was aus jenem Anlasse zwischen
dsn befreundeten Monarchen etwa gesprochen ward,
bisher nicht vorliegt — ebenso wie andrerseits von
tsiner kompetenten Seite erklärt ward, daß die frag-
liche Angelegenheit zwischen den Monarchen nicht
erörtert wurde. Hieraus ergibt sich das Urtheil
aber die oben erwähnten Meldungen, die nur dann
irgendwelche Beachtung verdienen könnten, wenn ihre

Urheber stets auf das Genaueste über alle Ge-
spräche Kaiser Wilhelms mit seinen erlauchten
Freunden informirt wären. Da die betreffenden
Korrespondenten kaum behaupten dürfen, daß letz-
teres der Fall sei, wird man diesmal ihre Nach-
richten, ebenso wie ihre Dementis als Kombinationen
betrachten müssen, welche mit einiger Kühnheit auf
ein faktisch unzugängliches Gebiet hinübergreifen.
Zur Geschichte des Telegramms des Kaisers
an den Fürsten Bismarck erfährt die „Köln. Zg.",
das Telegram des Kaisers sei a> s dessen eigenster
Anregung hervorgegangen. Der Kaiser sandte
Mittwoch Früh, ehe er zum Manöver ausrückte,
das Abends zuvor abgefaßte Telegramm ab. Nach-
dem die Antwort aus Kissingen von demselben
Tage vor der Hoftafel eingetroffen war, zeigte der
Kaiser unmittelbar vor Tisch die beiden Telegramme
dem Kaiser von Oesterreich und dem König Albert.
Es steht fest, daß der Kaiser sich im Einklag mit
Caprivi befand. Dieser erhielt den Wortlaut der
beiden Telegramme an demselben Tage nach Karls-
bad telegraphirt. In einer späteren Nummer der
„Köln. Zig." verlautet hochofsiziös, daß Caprivi
bereits vor der Absendung des Telegramms volle
Kenntnis; desselben gehabt hat. Nach der „Voss.
Ztg." hat der Kaiser gleichzeitig mit dem Telegramm
an Bismarck durch sein Zivilkabinet dem Professor
Schweninger telegraphisch sein Befremden darüber
ausdrücken lassen, daß er über die Erkrankung des
Fürsten Bismarck an schwerer Lungenentzündung
nicht rechtzeitig Bericht erstattet habe.
Was nun die wichtigste Frage anlangt, welche
weiteren Folgen jener Telegrammwechsel haben wird,
so läßt sich das bisher natürlich noch nicht fest-
stellen. Dagegen steht eine ungemein wichtige
Thatsache fest: Es wird zwischen dem Kaiser und
dem Fürsten Bismarck weiter verhandelt. Das
meldet ein Telegramm aus Kissingen mit dem Hin-
zufügen, daß von dem Fürsten Bismarck an den
Kaiser zehn Telegramme abgegangen sind. Worüber
im Speziellen verhandelt wird, entzieht sich natür-
lich zunächst noch der Kenntniß, immerhin legt die
Thatsache, daß weiter verhandelt wird, die Aus-
sicht nahe, daß eine völlige und nachhaltige Ver-
söhnung Platz greifen wird und daß der Depeschen-
wechsel diesmal nicht nur ein Austausch von Höf-
lichkeiten bleibt.
Bezüglich der Krankheit des Altreichskanzlers
scheint immer etwas absolut Zuverlässiges noch nicht
festzustehen. Bekanntlich wird die Meldung von
einer Lungenentzündung bestritten, und nunmehr
wird behauptet, Fürst Bismarck sei von einem
Schlaganfall betroffen gewesen, dessen Folge eine
noch theilweise Lähmung des einen Armes sei.
Deutsches Reich.
Berlin, 26. September.
— Ueber die Steuer-Konferenzen wird
gemeldet, daß die Weinsteuer-Konferenz zu Ende ge-
führt wurde und die Mitgieder Berlin bereits ver-
lassen hat. Die Tabaksteuer-Konferenz, welche noch
nicht abgeschlossen ist, wird dagegen noch einige

Tage dauern. Beide Konferenzen stießen auf große
Schwierigkeiten, die aber schließlich überwunden
wurden. Ob die Publikation der Entwürfe vor
ihrer Einbringung im Reichstage erfolgen wird, ist
noch unbestimmt.
— Aus der Weinsteuerkonferenz will
die „Nationalztg." erfahren haben, daß die Be-
steuerung für das Reich bei den Weinen zum
Preise von 50 M. pro Hektoliter beginnen solle.
Die billigeren Weine sollen der Landesbesteuerung
überlassen bleiben.
— Die „Südd. Tabakztg." theilt die Grund-
züge des der Ministerialkonferenz vorliegenden
Tabak st euere ntwurfs mit: Die Banderolen-
steuer wurde fallen gelassen. Der Fakturawerth,
richtiger die Umsatzsteuer wird gefordert, für Cigarren-
40 pCt., für Schneidfabrikate 100 pCt. vom
Werthe. Die Jnlandsteuer wird beseitigt, die
Ueberwachung der Jnlandslager aufgehoben, der
Zdll auf 45 Mark für den Doppelzentner herab-
gesetzt. Dafür Rückvergütung der Steuer und des
Zolls für Tabakoorräthe und Fabrikate um die
spätere Differenz gegen die heutigen Sätze. Die
„Südd. Tabakztg." bemerkt, sämmtliche Sachver-
ständige erklärten, Niemand könne den Ruin des
gesammten Berufszweigs bei dieser Sachlage be-
zweifeln.
— Nach offiziöser Versicherung sind für die
Photographengewerbe Ausnahmen von den
allgemeinen Vorschriften über die Sonntagsruhe
zu erwarten, da die Ausübung desselben an Sonn-
und Festtagen zur Befriedigung von an diesen
Tagen befonders hervortretenden Bedürfnissen ge-
hört.
Darmstadt, 26. Sept. Die gestrigen Wahl-
mänVorwahlen zur zweiten Kammer in
Besfuugeu und Roßdorff fielen zu Gunsten
des nativnalliberalen Kandidaten Friedrich aus.
Dies gibt für den gesammten Wahlbezirk den
Ausschlag.
Kissingen, 25. Sept. Fürst Bismarck wird
noch in dieser Woche abreisen. Sein Gesundheits-
zustand ist wieder ganz günstig.
Ausland.
Wien, 26. Sept. Die verhafteten Anarchisten
standen mit amerikanischen, londoner, pariser und
berliner Gruppen in reger Verbindung. Sie ar-
beiteten nach Most's Rezept. Gerüchtweise ver-
lautet, die Geliebte eines Führers habe im Streite
das Komplott verrathen. Graf Ta affe erschien
in der Polzeidirckton, besichtigte die Anarchisten-
weckzeuge und sprach dem Präsidenten seine Aner-
kennung aus über den glücklichen Fang.
London, 26. Sept. Wie das „Reuter'sche
Bureau" aus Buenos Aires von heute meldet,
wurden daselbst und in der Provinz Buenos Aires
die Nationalgarden einberufen. Das ganze Land
ist durch die aufständischen Bewegungen mehr oder
weniger erregt. Pellegrini ist vor Tucuman einge-
troffen; er glaubt, daß die Insurgenten sich er-
geben werden. In Santa Fo unterstützten die
fremden Ansiedler die Insurgenten; es wurde da-

selbst gestern den ganzen Tag gekämpft. Ein Theil
der Nationaltruppen ging auf die Seite der Auf-
ständischen über. Einige Bataillone werden von
Entre Rio erwartet, um die nationalen Streitkräfte
gegen die Ansiedler zu unterstützen. Die National-
garden von Cordoba, Santiago und San Louis
haben sich organisirt, um Pellegrini zu unterstützen.
Petersburg, 26. Sept. Der „Regierungs-
bote" bestätigt, das das Panzer-Fahrzeug „Russalka"
vermißt wird. Alle Nachforschungen blieben bisher
erfolglos. Es ist unbekannt wie, wann und wo
„Russalka" verunglückte. Der „Regierungsbote"
beziffert die Schiffmannschaft mit 12 Offizieren
und 166 Matrosen. Kommandant Kapitän
Jaenisch war an Bord.
Ans Wcch nnö Jern.
* Karlsruhe, 26. Sept. Bei allen Parteien
herrscht bis jetzt noch eine schlafähnliche Ruhe. Man
sollte nicht glauben, daß schon in kurzer Znt da-
rüber entschieden werden soll, ob die nationalliberale
Majorität auch für die Folge im hiesigen Rondell
den Ton angeben soll oder ob sie auch noch mit
anderen Faktoren rechnen muß. Nachdem die So-
zialdemokraten alle Hebel in Bewegung setzen, uni
ihrer Liste zum Siege zu verhelfen, ist jetzt auch
der freisinnige Verein in die Öffentlichkeit getreten ;
derselbe veranstaltet am Donnerstag Abend eine
Mitgliederversammlung, in welcher Herr Professor
Dr. Heimburger über die bevorstehenden Landtags-
wahlen referiren wird.
* Schwetzingen, 26. Sept. Vergangenen Sonn-
tag fanden hier und in Reilingen Protestversamm-
lungen von Tabakinteressenten gegen di- geplante
neue Tabaksteuer statt, die jeweils stark besucht
waren und mit allem Nachdruck gegen jede Steuer-
erhöhung des Tabaks protestiren.
* Wiesloch, 26. Sept. In der Wirthschaft
„Zu den drei Königen" dahier fand am Samstag
eine sazialdemokratische Wahlversammlung statt, in
der der Abgeordnete Dr. Rüdt von Heidelberg das
demnächst im Dank erscheinende Programm seiner
Partei entwickelte. Die Versammlung war von un-
gefähr von 100—120 Personen besucht. Am
Schluffe seiner Ausführungen proklamirte Dr.Nüdt
den Schneidermeister Dörner als Kandidaten für
die Wahl. Letzterer selbst sprach nicht.
* Sulzbach, 26. Sept. Bei der Erneuerungs-
wahl des Bürgerausschusscs dahier haben von der
Klasse der Niederstbesteuerten 5 o/g, von der Klasse
der Mittelbesteuerten 27 o/g und von der Klasse
der Höchstbesteuerten 7,4 o/^ der Wähler ihre
Stimmen abgegeben.
* Bruchsal, 26. Sept. Am Sonntag Nach-
mittag machte sich ein hiesiger junger Bursche das
Vergnügen, die Uniform eines Offiziers, der sein
Stubcnnachbar ist, anzuziehen und auf der Straße
spazieren zu gehen. Derselbe ist nun wegen dieses
Unfugs zur Anzeige gebracht und steht seiner Be-
strafung entgegen.
* Pforzheim, 25. Sept. Das unvorsichtige
Spielen mit Schußwaffen hat gestern wie-

Die Jagd nach einer Erbin.
Roman von Hermine Frankenstein.
V (Fortsetzung.)
. Als der Zimmerkellner das Fremdenbuch brachte,
schrieb Frau Trevor so ein, wie Beatrix es ge-
wünscht hatte.
„Ich will jetzt auf mein Zimmer gehen und
wich ein wenig vom Reisestaube abwaschen und
Hut und Mantel ablegen", sagte das Mädchen
heiter. „Ich wohne hier gerade gegenüber und
Werde Sie ganz gut hören, sollten sie es nöthig
haben mich in der Nacht zu rufen."
Sie zog sich zurück, überschritt den schmalen
(siang und wollte eben den Schlüssel ins Schlüssel-
ioch stecken. Da hörte sie Schritte, die ihr sonder-
bar bekannt waren und bei deren Schall ihr das
Herz angstvoll zu schlagen begann. Sie schaute
fttif und erblickte in dem hellerleuchteten weitem
Stiegenhause, nur wenige Schritte von ihr ent-
lernt, ihren schlimmsten Feind, den Mann, vor
dem sie floh — Randal Braud!
Siebtes Kapitel.
Neue Gefahren für Beatrix.
Ja, es war Randal Brand, der aus der
Kreppe im Hotel de Flandre stand — Randal
Brand, hager und unheimlich, sein gelbes Gesicht,
kwlber als je, die rothen Haare schlaff unter dem
Ichwarzen Cylindcrhut hervorhängend, die Schlan-
Lenaugen funkelnd, die dicke Unterlippe zuckend
^or Aufregung, während die beiden Vorderzähne
wie Wolfssüuge hcrvortratcn.

Er sprach leise mit einem schwarz gekleideten
Auswärter, der ein Speisebrett am Arme trug.
Das Mädchen hörte nur das leise Murmeln
ihrer Stimmen.
Dank ihrer geräuschlosen Bewegungen, der
dunklen Farbe ihres Mantels und der schlechten
Beleuchtung in dem Gange, wo sie stand, war
Beatrix von ihrem Feinde nicht gesehen worden.
Aber als er seinen Kopf in der Richtung drehte,
als ob ihm ein geheimer Instinkt ihre Nähe
verriethe, stieß sie rasch ihre Thür auf und ver-
schwand in ihrem Zimmer.
Dann lauschte sie mit gespannter Aufmerk-
samkeit. Sie hörte Randal Brand's Schritte
durch den Gang kommen und vor ihrer Thür
stehen bleiben. Sie hielt den Athem an.
Hatte er sie erkannt? Ihre Kniee wankten.
Sie lehnte sich bleich und verzweifelnd an die
Wand.
Ein Klopfen unterbrach die Stille -- ein
energisches Klopfen an der Thür ihrer neuen
Freundin. Und dann hörte Beatrix ihren Feind
bei Frau Trevor eiutreteu.
Das Mädchen wäre in diesem Augenblicke
am liebsten entflohen, aber all' ihre Kraft schien
sie verlassen zu haben. Sie setzte sich ganz nahe
der Thür in einen Stuhl, unfähig einen Ge-
danken fassen zu können. Die Minuten dünkten
ihr Jahre zu sein. Aber endlich hörte sie, wie
die Thüre sich drüben wieder öffnete und Randal
Brand sich entfernte.
Was war geschehen? Natürlich mußte er ihre
Anwesenheit hier entdeckt haben. Frau Trevor
mußte alle seine Fragen beantwortet haben.

„Vielleicht erwartet er, daß ich einen Versuch
mache, aus dem Gasthause zu entfliehen", dachte
sie. „Vielleicht wartet er unten auf mich, um
mich mit möglichst geringer Mühe gefangen zu
nehmen? Vielleicht ist er zu einem Wachmann
gegangen um mich als ein entlaufenes Mündel
zu verhaften?"
Sie wartete in namenloser Angst. Sie hatte
einen Diener mit klirrenden Gläsern und Tassen
im Gange gehört, Er trat bei Frau Trevor
ein. Sie hörte Frau Trevor mit ihm sprechen
und lauschte, während der Tisch gedeckt wurde,
und sie rührte sich nicht, bis der Aufwärter an
die Thür klopfte und meldete, daß das Abend-
brot serviert sei. Dann stand sie langsam und
schwerfällig auf.
„Die Flucht ist unmöglich", dachte sie, „ich
kann den Gasthof nicht verlassen. Ich will mich
an Frau Trevor wenden, ehe ich mich fortschleppeu
lasse. Sie wird wenigstens meinen Freunden in
London eine Botschaft bringen.
Sie legte ihren Hut ab. nahm aber keine
Veränderung mit ihrer Toilette vor. Sie hatte
den Reisestaub bereits, ganz vergessen, sie lauschte
jetzt wieder, öffnete dann sachte die Thür und
schlüpfte in das gegenüberliegende Zimmer.
Ein Blick versicherte sie, daß Randal Braud
nicht mehr im Treppenhause sei. Doch seine
Abwesenheit gab ihr keine Hoffnung!
Sie fand das Abendessen bereits aufgetrageu,
und Frau Trevor wartete auf sie. Die dicke,
rothe, alte Dame war in sehr übler Laune und
sah sonderbarer denn je aus.
Sic glich ganz merkwürdig einem bunten

Papagei mit aufgesträubtem Gefieder. Aller Stolz
und Aerger, dessen sie fähig war, war auf das
Aeußerste gereizt.
„Sperren Sie zu, meine Liebe", sagte sie,
als Beatrix eintrat. „Von dem Augenblicke, seit
ich in Brüssel eintraf, scheine ich zur Zielscheibe
für Diebe geworden zu sein. Es ist sehr sonder-
bar, aber es war schon wieder einer da, Fräulein
Trist. Er kann sagen, was er will, aber ich
weiß doch, daß er mit dem Taschendiebe auf dem
Bahnhofe in Gemeinschaft ist, obgleich er sich
für einen Gentleman ausgiebt."
Beatrix schaute sie überrascht au.
„Sie sehen ja ganz bleich und erschrocken aus,
meine Liebe", fuhr Frau Trevor fort. „Sie
haben nichts zu befürchten, so lange sie unter
meinem Schutze stehen. Ich bin nicht gewöhnt,
allein zu reiseu, aber ich kenne die Schliche und
Ränke dieser Herren, die von ihren Einfällen
leben. Ich habe die englischen Zeitungen nicht
nutzlos so länge Zeit gelesen. Mein Grundsatz
ist — und jedes unbeschützte Frauenzimmer sollte
nach demselben handeln — jeden Mann, der
mir in den Weg kommt, wie immer er auch
aussehen mag, für einen Spitzbuben zu behandeln,
außer er bringt mir ordentliche Empfeh-
lungen."
„Und — Sie behandelten Ihren Besuch auf
diese Art?"
„Gewiß", erklärte Frau Trevor stolz. „Ein
Mann kam hier herein — ein Mann mit rothen
Haaren und einer Unterlippe wie ein Bulldogg
— und erst glaubte ich, es sei ein Polizeibcamtcr,
der komme um mir meine gestohlene Börse zu
 
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