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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 201 - No. 210 (26. August - 6. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44142#0209

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General-ß

Anzeiger

für Heidelberg und Umgegend

Krpedition: Kcruptstraßs Mr. 25.

18S3

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die Ispaltige Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg«,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.

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vierteljährlich SO Pfennig ohne Bestellgeld.
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Expedition: Kcrnptltvcrtze Wv. 25.


verantwortlicher Redakteur:
Lferm. Streich.
Dienstag, den 2S. August
Druck und Verlag:
kseckmann, Dörr L tvurm.


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für Heidelberg und Umgegend
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Anzeiger für Heidelberg und Umgegend" irrrr
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Der „General-Anzeiger für Heidelberg
und Umgegend" ist in der Postzeitungsliste,
Nachtrag vom 8. Aug-, unter Nr. 2499 a ein-
getragen.


Das Koburg-Gothaische Herzogspaar.
Die Ucberraschung darüber, daß der Herzog
von Edinburg selbst den Tbron des Herzog-
tums Koburg-Gotha bestieg und ihn nicht, wie
man allgemein erwartet, seinem erst 18 Jahre alten
Sohn überließ, hat sich gelegt und man findet,
daß man dem neuen Herzog Unrecht that. Seiner
Abstammung nach ist der Herzog so gut deutsch
wie irgend ein anderer deutscher Souverän; sein
Vater war bekanntlich der Bruder des verstorbenen
Herzogs Ernst, der Prinz-Gemahl der aus dem
Hause Hannover stammenden Königin von England.
Der Herzog wird fortan stets in Deutschland
residieren und er versichert, daß er sich selbst völlig
als deutschen Fürsten betrachte. Alle seine Aemter
und Würden in England wird er niederlegen.
Seine Gemahlin ist eine Schwester des Zaren.
Herzogin Maria hat in England niemals eine
zweite Heimath gefunden; sie haßt das Land mit
den feuchten Nebeln, dem trübseligen Himmmel
und den spekulativen Menschen. Auch fühlte die
stolze Schwester des Zaren sich stets dadurch zurück-
gesetzt, daß sie in England bei Hoffestlichkeiten erst
hinter so und so vielen Herzögen und Herzoginnen
rangierte; aus Groll darüber ist sie von vielen
Hoffesten, Empfängen rc., selbst wenn sie in London
weilte, ferngeblieben, was ihre königliche Schwieger-
mutter ihr oft stark verübelt hat. Herzogin Maria
hat in den zwei Jahrzehnten ihrer Ehe kaum drei
Jahre in England gelebt. Bis 1885 residierte sie
Jahr für Jahr mindestens neun Monate in Ruß-
land, nicht aus purer Anhänglichkeit an ihr altes
Vaterland, sondern aus Haß gegen England und
die Engländer. Seit 1885 hat sie alljährlich fast
neun Monate in Koburg mit ihrer Familie gelebt.
Den Beweggrund dazu gab die näher rückende
Eventualität, die nun eingetreten ist; den direkten

Anlaß boten Aeußerungen des Fürsten Bismarck,
der bekanntlich stets ein Gegner der Edinburger
Erbfolge war. Dem Gedächtniß mancher Zeitge-
nossen dürfte es entschwunden sein, daß Anfang
der Sechziger Jahre die damalige Großfürstin
Maria Alerandrowna einmal im Begriff stand, die
Braut des später unter den bekannten tragischen
Umständen aus dem Leben geschiedenen Königs
Ludwig II. von Bayern zu werden. Sie weilte
mit ihrer Mutter am Starnberger See, und es
galt bereits als ausgemachte Sache, daß die Ver-
lobung des Paares demnächst offiziell bekannt ge-
geben werden solle. Da zeigte der junge König
plötzlich der Großfürstin gegenüber ein so radikal
verändertes Benehmen, daß die Zarin und ihre
Tochter sich zur Abreise entschlossen. Das Projekt
war fallen gelassen. Die Spuren der geistigen
Störung bei dem unglücklichen Herrscher haben sich
bekanntlich von Zeit zu Zeit schon in seiner früheren
Jugend gezeigt. Eine Thatsache ist es, daß die
Herzogin Maria starken Einfluß auf ihren Gemahl
ausübt. Letzterer gilt als gemäßigt liberaler Mann
mit sehr haushälterischen Eigenschaften.
Deutsches Reich.
Berlin, 28. August.
— Der Kaiser wird sich der „Post" zufolge
nach den Kaisermanövern von Stuttgart aus un-
mittelbar nach Oesterreich-Ungarn zum Manöver
und zur Jagd begeben, dann über Wien nach
Berlin zurückreisen, hier einen Tag verweilen und
dann nach Gotenburg zur Jagd abreisen. Von da
begibt sich der Kaiser auf dem kürzesten Wege nach
Nvminten, wo er bis in die zweite Woche des
October zu verbleiben gedenkt.
— Die Beziehungen zwischen dem deutschen
Kaiser Hofe und dem Hause Nassau, das will
sagen Luxemburg scheinen seit der Vermählung
des Erbgroßherzogs schier auf den Nullpunkt ge-
langt zu sein. Just da der deutsche Kaiser Ku den
Manövern in die unmittelbare Nähe von 8urem-
burg kommt, hat der Großherzog seinem Reise-
marschall allerlei kurzweilige Aufgaben ertheilt.
Natürlich ist der Reiseplan des Luxemburgischen
Landesvaters längst fertig gestellt und eine Aen-
derung nicht möglich, ein Minister oder Kavalier
wird den deutschen Kaiser pflichtgemäß im Namen
seines Herrn begrüßen, denn die Etiquette braucht
nicht verletzt zu werden. Hat doch auch Mac
Mahon als Präsident der Republik den deutschen
Kaiser begrüßt, meint wie zur Entschuldigung das
offiziöse Luxemburger Blatt, das trotz der Pariser
Kokarde auf die Deutschen schmält, so oft es nur
kann. Es geht doch nichts über so freundliche
Nachbarn!
— Die gegenwärtigen Zustände des Zentrums
sollen von den in Fulda versammelten preußischen
Bischöfen während der Tischgespräche des Oefteren
berührt worden sein. Es wird hierzu noch berichtet,
daß man die gegenwärtige demokratische Richtung
als eine unheilvolle bezeichnet habe, es ist jedoch
sehr zweifelhaft, ob hierin Uebereinstimmung geherrscht

hat, da einzelne Bischöfe bekanntlich dem „neuen
Kurs" im Zentrum ihre unverhohlene Sympathie
bekundeten.
— Die industrielle Sonntagsruhe.
Es besteht die Absicht, Vertreter der einzelnen Be-
rufszweige zu Konferenzen über die Sonntagsruhe
nach Berlin in der Reihenfolge zu berufen, wie
sie bei der Eintheilung der Gewerbe in der Reichs-
berufsstastik eingeschlagen ist. Zuerst müssen dem-
nach die Vertreter des Bergbaues, des Hütten- und
Salinenwesens einberufen werden, zu deren vor-
heriger Unterrichtung vor Kurzem der Entwurf von
Ausnahmebestimmungen mitgetheilt worden ist. Ein
ähnliches Verfahren dürfte, betreffs der übrigen
Berufszweige eingehalten werden, so daß nach-
einander immer erst die schriftliche Information,
sodann die Einberufung zur mündlichen Konferenz
erfolgen dürfte. Es werden demgemäß nach den
schon erwähnten Berufszweigen an die Reihe kommen:
die Industrie der Steine und Erden, darunter
hauptsächlich Keramik und Glasindustrie, die Metall-
verarbeitung, der Maschinenbau, die chemische In-
dustrie, Gasanstalten, die Tertillindustrie, die Pa-
pierindustrie, die Lederindustrie, die Holz- und
Schnitzstofferzeugung, die Nahrungs- und Genuß-
mittelindustrie, die Bekleidungsindustrie, das Bau-
gewerbe und das polygraphische Gewerbe. Jedoch
ist es nicht ausgeschlossen, daß der eine oder andere
dieser Berufszweige, bei welchem die Regelung der
Ausnahmen keine Schwierigkeiten gefunden hat,
nicht weiter in Anspruch genommen werden wird.
Es läßt sich natürlich noch gar nicht absehen,
welchen Zeitraum die zur Herbeiführung eines
Bundesrathsbeschlusses über die Ausführungsbe-
stimmungen zur Sonntagsruhe für Industrie und
Handwerk nothwendigen Vorarbeiten noch bean-
spruchen werden, und noch weniger läßt sich jetzt
schon eine begründete Vermuthung über den Zeit-
punkt der Inkraftsetzung der bezüglichen gesetzlichen
Bestimmungen aussprcchen.
— Eine Vermehrung der osta frikanischen
Schutztruppe an Farbigen wie an Offizieren
soll nun doch im Kolonialrath beantragt werden,
so daß diese Truppe ihre frühere Stärke von 12
Kompagnien erreichen dürfte. Die Vermehrung
wird damit begründet, daß nur bei einer solchen
Verstärkung die Möglichkeit vorhanden sei, nicht
nur aufsässige Negerstämme zu strafen und in
Ruhe zu erhalten, sondern auch den zersetzenden
Umtrieben der Araber im Innern ein Ende zu
bereiten.
Würzburg, 28. Aug. Der Katholiken-'
tag wurde gestern Abend mit einer Versammlung
eröffnet, in der über 4000 Personen anwesend
waren. Es sprachen Rechtsanwalt Th al er,
Bürgermeister Dr. Steidle, Professor Hermcr
und Andere. In seiner ersten geschlossenen Ver-
sammlung wählte d-r Katholikentag zum ersten
Präsidenten den Grafen Gai en, und, nachdem
Brandts-Gladbach abgelehnt hatte, zum ersten
Vizepräsidenten Freiherrn Mar von Soden, zum
zweiten den Würzburger Universitäts-Professor

Henner. Der Vorsitzende des Ortsausschusses,
Thaler, betonte als Signatur der Generalversamm-
lung die Aufrechterhaltung der Einigkeit; ebenso
bezeichnete ein mitgetbeiltes Schreiben des Papstes
als Aufgabe, mit Klugheit Alles hervorzukehren,
was den Zusammenhalt des Zentrums unverbrüch-
lich machen könne.
Kisstngeu, 28. Aug. Der Ertrazug mit gegen
1000 Bismarckfreuden aus Frankfurt ist gestern
um 11 Uhr hier angekommen. Der Fürst empfing
Nachmittags, von stürmischen Hochrufen umjubelt,
die Huldigenden und hielt eine längere Rede über
seinen Frankfurter Lebensabschnitt, die mit einem
Hoch aus die Stadt Frankfurt schloß. Der Fürst
war in vorzüglicher Stimmung.
Aus Hessen, 27. Aug. Das Wahlkomitee
der hessischenZentrumspartei erläßt nach
dem „Beob." bereits anläßlich der bevorstehenden
Landtagswahlen einen Aufruf, in welchem unter
anderem für eine stark progressive Einkommensteuer,
für die direkte Wahl der Abgeordneten und gegen
das geplante Ernennungsrecht der Landbürgermeister
durch die Regierung Stellung genommen wird.
Ausland.
Rom, 28. Aug. Gestern Abend 10^ Uhr
platzte eine Bombe am Gitter des Palastes
Altieri, wo der Cassationschef sowie der Club der
päpstlichen Nobelgarde domizilirt sind. Der Schaden
ist unerheblich. Am Platze wurde der 19jäbrige
in einer Zeitungs-Administration beschäftigte Nicini
schwer verwundet vorgefunden. Derselbe, anscheinend
Urheber der Explosion, behauptet jedoch, daß er
zufällig die Erplosionsstätte passirte. Im Hospital
wurde Nicini ein Bein amputirt.
Neapel, 28. Aug. Der gestrige Tag ist ruhig
verlaufen. Abends spielten die Musikkapellen an
den öffentlichen Plätzen; einige Fiaker verkehrten
wieder.
London, 28. Aug. Der „Times" wird aus
Bangkok gemeldet, die Abfahrt des französischen
Kanonenbootes „Alonette" mit den siamesischen
Entschädigungsgeldern an Bord werde als Zeichen
dafür betrachtet, daß Frankreich versuchen werde,
weitere Zugeständnisse zu erpressen. Die siamesische
Regierung weigere sich, die Einzelheiten dieser
Forderungen bekannt zu geben, indessen sei klar
daß Frankreich, falls es diese neuen Ansprüche
durchsetze, zeitweilig ein Semi-Protektorat über
Siam Herstellen und unzählige Gelegenheiten für-
spätere Konflikte schaffen würde.
Madrid, 28. Aug, In allen Provinzen
herrscht vollständige Ruhe. Auch in Bilbao ist die
Ruhe wieder bergestellt. Amtliche Berichte aus San
Sebastian erkläret! cS für unbegründet, daß Schwierig-
keiten betreffs der Zustimmung zu den Budgets-
entwürfen vorhanden seien.
Vuenos-Ayres, 28. Aug. Auf die in Um-
lauf gebrachten allarmirenden Nachrichten berief der
Chef der Polizei die Redakteure der hiesigen
Zeitungen zu sich und untersagte ihnen "die
Veröffentlichung aller Nachrichten. Der Gouverneur
von Corrient es ist wieder über den Fluß

Eine dunkle UHcit.
Z8) ' RiNnan von E. P. von Areg.

(Fortsetzung)
Der Beamte, der ihn sehr liebenswürdig aus-
genommen hatte, hörte mit Ausmerksamkeit seine
klaren und durchaus sachlichen Auseinandersetzungen
und sagte am Schluffe derselben:
„Ich stelle nicht in Abrede, daß die Ihnen
gelungenen Aufdeckungen in hohem Grade dazu
angethan sind, ein durchaus neues Licht auf diese
dunkle Angelegenheit zu werfen und dadurch die
Behörde zu einem abermaligen Eingreifen in die-
selbe zu veranlassen. Das wird zunächst nach zwei
Seiten hin geschehen, einmal durch eine gerichtliche
Haussuchung in der Rosenbanm'schen Wirthschaft,
zum anderen durch eine Requisition bei dem Land-
gerichte Ihres Heimathsortes, damit dort jener
Grünow sofort festgenommen wird und gleichzeitig
-eine gerichtliche Beschlagnahme und Eröffnung
des in Frage stehenden Packetes aus dem Wien-
Lrand'schen Nachlasse erfolgt. Den Eduard Rosen-
baum haben wir sicher, er sitzt hinter Schloß
und Riegel. Ob es auch gelingen wird, des
August Klotze habhaft zu werden, muß vorläufig
eine offene Frage bleiben. Ich muß jedoch bei
Ihren Auseinandersetzungen auf einen Punkt
zurückkommen, der die von Ihnen daraus ge-
zogenen Folgerungen in gewissem Grade unsicher
macht, das ist das Ihnen wiederholt als höchst
auffällig betonte Verhalten von Rosenbaums Frau.
Es beruht nämlich aus amtlicher Notorietät, daß

das Weib schon seit geraumer Zeit geistig gestört
ist. Sie ist eine durchaus ungefährliche Kranke,
sonst würde sie selbstverständlich nicht in Freiheit
gelassen worden sein, und versteht es sogar noch,
ihre Wirthschaft in leidlicher Ordnung zu er-
halten, aber bei dem letzten Prozesse gegen ihren
Mann, der wegen eines an einem Schiffer be-
gangenen Diebstahls zwei Jahre Zuchthaus ver-
büßt, ist von dem Phhsikus amtlich konstatirt
worden, daß sie umwölkten Geistes ist. Dieser
Umstand, der Ihnen selbstredend unbekannt war,
wird ein anderes Licht auf ihr auffälliges Be-
nehmen Wersen und es wird Sie weniger über-
raschen, wenn sich die von Ihnen daraus ge-
zogenen Folgerungen nicht allseitig als zutreffend
erweisen sollten. Werden Sie der Roseubaum'schen
Haussuchung persönlich beiwohnen?"
Der Assessor lehnte das dankend ab, denn er
mußte sich sagen, daß er dabei einen vollständig
überflüssigen Zuschauer abgeben werde. Aber eine
möglichst rasche Kenntniß von den Resultaten
dieser Haussuchung war ihm doch so erwünscht,
daß er den Staatsanwalt bat, zu gestatten, sein
Begleiter möge dem gerichtlichen Akte beiwohnen.
Nach einigen sachlichen Bedenken, die der Assessor
in gewandter Weise beseitigte, willigte der Staats-
anwalt darein und die Herren trennten sich, nach-
dem sie verabredet hatten, daß Herr Weiler sich
um drei Uhr Nachmittags auf dem Gericht ein-
finden sollte, um die Gerichtsdeputation aus
ihrem Wege zum Rosenbaum'schen Hause zu
begleiten.
Der Bericht, den Weiler am Abende, als er

von jener Haussuchung zurückkehrte, seinem Auf-
traggeber erstattete, lautete folgendermaßen:
Die Gerichts-Kommission, bestehend aus dem
Staatsanwalte, dem Untersuchungsrichter, dem
Protokollanten und zwei Dienern, war um halb
vier Uhr im Rosenbaum'schen Lokale eingetroffen.
Man hatte zur Verrichtung nothwendig werdender
Handlungsleistungen außer dem Gerichtspersonal
zweiKöffentliche Dienstleute mitgebracht.
Das Lokal wurde bis auf die Wirthin leer
gefunden. Der eine Diener wurde vor der Ein-
gangsthür postirt, um jeden Ankommenden von
dem Besuche der Wirthschaft abzuhaltcn.
Weiler hatte, da er bei den nachfolgenden
Gerichtshandlungen selbstredend vollkommen un-
betheiligt blieb, Zeit und Gelegenheit genug zu
scharfen Beobachtungen gehabt. Die Frau war
heftig erschrocken gewesen, als sie die bei ihr Ein-
tretenden erkannte, denn sie war bei dem letzten
Prozesse ihres Mannes bereits mit denselben
Personen in Berührung gekommen und die Er-
innerung daran war natürlich für sie durchaus
keine angenehme gewesen, zumal sie sich sagen
durste, daß es sich wahrscheinlich um ähnliche
Zwecke, wie die damaligen, handele. In hohem
Grade bemerkbar war jedoch ihr Erschrecken zu
Tage getreten, als sie bei einem zweiten Blicke
auf die Gerichtsbeamtcn unter ihnen Weiler ent-
deckt hatte, den sie nothwendiger Weise als zu
ihnen gehörig annehmen mußte. Es war
diesem sofort klar gewesen, daß seine gestrige
Verkleidung dieses Wiedererkennen nicht verhindert
hatte. Ihr eben so stierer Blick wie am Abende
vorher war fest an seinem Gesicht hängen ge-

blieben, sie rang verzweiflungsvoll die Hände
und ihr Auge wich nicht von ihm, als sie der
Untersuchungsrichter in gemessener Weise von dem
Zweck des Erscheinens der Kommission in Kennt-
niß setzte.
Ohne ein Wort des Widerspruchs lieferte sie
sofort die Schlüssel zu den einzelnen Behältnissen,
die sie bei sich trug, an den Beamten aus. Und
dann kam über sie eine eigentümliche Ruhe, die
man sonst niemals an ihr zu beobachten vermochte,
wie geistesabwesend folgten ihre Blicke dem Thun
des Gerichtspersonals, die mit der bei ähnlichen
Anlässen üblichen Sorgfalt und Genauigkeit eines
der verschlossenen Behältnisse nach dem anderen
öffneten und eine ganz spezielle Durchsuchung des
Inhaltes derselben vornahmen, aber immer wieder-
kehrten ihre Augen mit einem Ausdrucke des
Vorwurfs zu Weiler zurück, was diesem die feste
Ueberzeugung beibrachte, möge auch das Resultat
des gerichtlichen Aktes sein wie sie wolle, diese
Frau sei vom Schuldbewußtsein gedrückt, und in
ihm die Hoffnung erhielt, inan befinde sich auf
dem völlig rechten Wege und werde auf demselben
auch zum Ziele gelangen.
Die in den beiden unteren Räumen, die zu
Zwecken der Gastwirtschaft dienten, begonnene
und in den beiden darüber liegenden Zimmern,
die den Rosenbaum'schen Eheleuten zum Wohnen
und Schlafen dienten, fortgesetzte Haussuchung
war zunächst von einem Resultate nicht begleitet.
Man sand nicht das Geringste, das auf einen
Mord an Hugo v. Flottwell hingedeutet hätte,
keine Papiere, keine Effekten, nichts. Das be-
bekundete zunächst weiter nichts, als große Vorsicht
 
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