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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 191 - No. 200 (15. August - 25. August)
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für Heidelberg und Umgegend
(AZürger-Zeitung).
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die lspallige Petitzeile oder deren Raum 5 Pfg.,
nir auswärtige Inserate 10 Pfg«, bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt-
Expedition: KaupMraße Wr. L5.
l--' ...
Expedition: Knuptftrnße Hlr. 25.
197.
verantwortlicher Redakteur:
Herrn. Streich.
Dienstag, den 22. August
Druck und Verlag:
Heckmann, Dörr L Wurm. 4lOv?D.

Nu« 35 Psg.
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General« Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend
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Anzeiger für Heidelberg «nd Umgegend" irnr
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Der „General-Anzeiger für Heidelberg
und Umgegend" ist in der Postzeitungsliste,
Nachtrag vom 8. Aug., unter Nr. 2499 a ein-
getragen.

* Luxussteuern.
Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß ein das
berechtigte Maß überschreitender Aufwand der wohl-
habenden und reichen Klassen in wirthschaftlicher
und auch sozialer Beziehung ungünstig wirkt. In
wirthschaftlicher Beziehung halten wir die Wirkung
des übertriebenen Lurus schon deßwegen für un-
günstig, weil die Produktion auf Gegenstände ge-
lenkt wird, die nur einem beschränkten Kreise Be-
güterter zukommen und infolge dessen auch alsbald
in sozialer Beziehung die Verbitterung der besitz-
losen Klasse steigern und die Kluft zwischen arm
und reich erweitern muß. Daß diese Gründe eine
Bekämpfung des übertriebenen Lurus wünschens-
werth erscheinen lassen, erscheint erklärlich und man
ist, da die Lurusvcrbotsbestimmungen des alten
Rom und der alten Spartaner bei uns schlechter-
dings nicht mehr durchzuführen sind, aus eine
höhere Besteuerung des Luxus verfallen. Wir
geben zu, daß für den Sozialpolitiker die Lurus-
steuern viel Anziehendes haben, wie denn auch bei
den Herren Reichstagskandidaten die Lurussteuern
im Programm eine nicht unbedeutende Rolle spiel-
ten; daß aber die Lurussteuern, wie nicht selten
behauptet wird, sozial versöhnend wirken werden,
das wird im Ernst doch wohl niemand glauben.
Es erübrigt also nur noch, zu erörtern, ob die
Durchführung einer regelrechten Lurussteuer wohl
möglich ist und ob die hierbei erzielten Erträge die
Durchfübrung als wünschenswerth erscheinen lassen.
Wenn es wirklich möglich wäre, den gestimmten
Luxusaufwand der wohlhabenden Klassen mit
Steuern zu belegen, so könnte man der letzteren
Frage ohne weiteres zustimmen; denn in diesem
Fall könnte eine wesentliche Entlastung der minder-
bemittelten Klassen herbeigeführt werden.

Aber daß das unmöglich ist, wird wohl als
richtig zugegeben werden müssen. Die Schwierig-
keit der Durchführung wäre viel zu groß. Das
Eindringen der Steuerorgane in die innersten Fa-
milienverhältnisse würde unerträglich. Wenn aber
nur einzelne Luruszweige, wie Luruspferde, Wagen
u. a., herangezogen werden, so wird die Heran-
ziehung zweifellos von diesen Zweigen als eine
ungerechte, weil ungleichartige Steuer empfunden
werden und würde zweifellos auch wirtschaftlich
nicht fördernd wirken. Zudem vergißt man ge-
wöhnlich bei einem Heranziehen eines Vergleichs
Frankreichs und Englands mit den Erträgnissen
ihrer Lurussteuern, daß Lurussteuern in reichen
Ländern naturgemäß finanziell ergiebiger sind und
sein müssen, als in minder reichen Ländern. Wenn
nun in der letzten Zeit mehrfach angeführt wird,
daß, wie der Staat verschiedene Lebensbedürfnisse
des armen Mannes besteuere, so auch der Lurus-
aufwand der Reichen von der Staatsbesteuerung
erfaßt werden müsse, so ist das im Prinzip gewiß
richtig. Aber schließlich kommt es beim Besteuern
in finanzieller Beziehung nicht darauf an, welche
Gegenstände gerade besteuert werden, sondern wie-
viel im Verhältniß zum Einkommen und Vermögen
jeder Steuerpflichtige zu leisten hat. Da aber die
Luxussteuern nach zufälligen Verbrauchsarten und
Gesellschaftssitten aufzuerlegen wären, so verstoßen
sie entschieden gegen das Postulat der Gerechtigkeit
in der Besteuerung. Das berechtigte Ziel, die
wohlhabenden und reichen Klassen wesentlich stärker
zur Tragung der Staatssteuern heranzuziehen, als
die unbemittelten, wird zweifellos besser durch Pro-
gression des Steuerfußes der direkten Einkommens-
steuer, oder durch eine allgemeine Vermögenssteuer
zu erreichen sein.
Deutsches Reich.
Berlin, 21. August.
— Den RuinderJnn ungen nennt bereits
das „Volk" die Vorschläge über die Organisation
des Handwerks. Es wendet sich besonders dagegen,
daß in den Erläuterungen die Einführung des Be-
fähigungsnachweises als Vorbedingung für den Be-
trieb eines Handwerks als mit der gegenwärtigen
Gestaltung des Erwerbslebens unvereinbar und da-
her unerfüllbar bezeichnet wird. Ferner wendet es
sich dagegen, daß alle Berufsgenossen, ohne Rück-
icht auf die Persönlichkeit „Krethi und Plethi",
den neuen Genossenschaften angehören sollen. Da
könne man von einer Standesehre unter den Ge-
nossen nicht sprechen.
— Konfiszirt wurde die Nr. 34 ^„So-
zi a l i st". Die Beschlagnahme erfolgte bereits Vor-
mittags bei sämmtlichen Zeitungsspediteuren und
Zeitungsverkäufern. Die Nummer enthielt den Be-
richt über den internationalen Kongreß, welchen die
Unabhängigen und Anarchisten nach ihrer Aus-
chließung vom Arbeiter-Kongreß für sich im Platten-
garten zu Zürich abgehalten haben. Es ist anzu-
nehmen, daß dieser Bericht die Veranlassung zur
Beschlagnahme gegeben, denn es werden darin At-

tentate wie das zu Frankfurt a. M. geradezu em-
pfohlen und als politische, planvolle Akte bezeichnet.
— Um die zu militärischen Uebungen jetzt wieder
eingezogenen Arbeiter der preuß. Staatseisenbahn-
Verwaltungen einigermaßen für den Ausfall an Lohn
während der Uebungszeit zu entschädigen, werden
auf Anordnung drs Ministers für die öffentlichen
Arbeiten während der Uebungen Unterstützungen
beziehungsweise Beihilfe an die Betreffenden gezahlt
und zwar erhalten unverheirathete 20 Mk. ver-
heirathete 40 Mk. Eines Antrages seitens der
Arbeiter zur Zählung der Unterstützung bedarf es
nicht, denn es werden seitens der Behörde Listen
zusammengestellt. Auf Grund dieser Listen wird
die Unterstützung an die Betreffenden gezahlt. Wir
»können dieser wohlwollenden ministeriellen Ver-
fügung unseren Beifall nicht vorenthalten.
— VerschiedeneFällevonSoldaten-
mißhandlungen gehen wieder durch die Presse,
welche dazu geeignet sind, falls nicht eine schwere
Strafe der betreffenden Vorgesetzten eintritt, viel
böses Blut zu machen. Es ist zwar augenscheinlich
daß bei der Darstellung, welche diese Fälle in der
Presse finden, manche Uebertreibung mit unterläuft.
So soll in Berlin ein Soldat wegen einer fehlenden
Hosenschnalle 7 Tage schweren Ärest erhalten haben
— das ist denn doch unglaublich weil diese Strafe
von einem höheren Offizier ausgesprochen sein müßte
und deßhalb völlig ausgeschlossen erscheint. Dieser
Fall erregte aber deshalb großes Aufsehen weil der
betreffende Soldat sich erschossen hatte, woraus unzwei-
felhaft hervorgeht, daß er von seinen subalternen
Vorgesetzten in der That schwer mißhandelt wurde.
Die „Köln. Ztg." schreibt hierzu : „Die Erzählung
und manchmal mit unterlaufende Uebertreibung
solcher Vorgänge macht immer viel böses Blut.
Dieser für die Militärverwaltung recht unange-
nehmen Lage könnte am besten vorgebeugt werden,
wenn man sich endlich entschlösse, durch eine
Aendcrung des Militärgerichtsverfahrens das Dunkel
zu heben, das nun einmal auf militärischen Strafen
und allem, was damit zusammenhängt, liegt. Man
würde dann sehen, daß die Militärverwaltung im
Grunde gar nichts zu verbergen hat, und man würde
erkennen, daß es mit dem Popanz den man Militar-
ismus nennt, gar nicht so schlimm ist. Gerade der
Schleier, mit dem sich unser Militärgerichtsverfahren
umgibt, dient dazu, die Phantasie anzuregen und
Dinge vermuthen zu lassen, die in Wahrheit gar
nicht vorhanden sind. Und wenn man sich erst
einmal zu dem Entschlüsse einer Aendcrung auf-
raffte, würde man sehen, daß es auch so nicht
nur geht, sondern sogar viel besser geht."
— Nach einer Mittheilung des Reichsversiche-
rungsamts wurden im Jahre 1872 ausgezahlt an
Altersrenten 21,1, an Invalidenrenten 1,3, zu-
sammen 22,4 Millionen Mark. Im Reiche machten
die Invalidenrenten 6 Prozent der Rentenzahlungen
überhaupt, in Preußen 5, in Bayern 10 aus. Bei
den als besondere Kasseneinrichtungen zugelassenen
Knappschaftskassen überstieg der Antheil der Invaliden-
renten fast durchweg schon den Antheil derMtersrenten.

Karlsruhe, 20. Aug. An das Ministerium
des Innern wurde von der Lahrer Handelskammer
eine Eingabe gerichtet, mit Rücksicht auf die Un-
gewißheit im Handelsgeschäft bezüglich der zu er-
wartenden Tabaksteuervorlagen so frühzeitig
als thunlich die fraglichen Entwürfe bekannt zu
geben. Weiter wird verlangt, die Entwürfe sollten
einer Vorberathung unter Beiziehung von Vertretern
der Tabakindustrie unterzogen werden.
Ausland.
Wien, 21. Aug. Eine gestern hier abge-
baltene Versammlung von 30 000 bis 40000
Arbeitern unter freiem Himmel nahm eine Ent-
schließung zu Gunsten des allgemeinen Wahl-
rechts an. Die Versammlung verlief ohne
Zwischenfall.
Vern, 21. Aug. Der Initiativantrag gegen
das Schächten wurde vom schweizerischen Volk
mit 180 000 gegen 108000 Stimmen und auch
von der Mehrzahl der Kantone angenommen.
Paris, 20. Aug. Die heutigen Wahlen
zur Deputirtenkammer sind, so weit bisher bekannt,
überall ruhig und ohne Zwischenfall verlaufen. In
Cochinchina wurde der bisherige Deputirte Le Myre
de Vilers wiedergewählt.
Paris, 21. Aug. Bis heute früh 3l/z Uhr
sind 326 Wahlergebnisse bekannt. Gewählt sind
195 Republikaner, 10 Ralliirte und 25 Konserva-
tive. Es sind 96 Stichwahlen nothwendig. Die
Republikaner gewannen 19 Sitze.
Rom, 19. Aug. Als heute Abend das übliche
Konzert auf der Piazza Kolonna begann, verlangte
eine Anzahl von Personen, nachdem einige Fahnen
herbeigeschafft waren, daß als Demonstration gegen
die Vorfälle in Aigues-Mortes die Königs-
hymne und andere patriotische Lieder gespielt werden
sollten. Unter lebhaftem Beifall wurde diesem
Verlangen Folge geleistet. Darauf zogen die De-
monstranten unter erregten Rufen vor die franzö-
sische Botschaft beim Ouirinal; von dort durch die
Polizei zurückgewiesen, begaben sie sich nach der
Piazza Kolonna zurück, woselbst die Musik auf ihr
Verlangen unter erneuten Beifallsbezeugungen
wiederum die Königshymne und andere patriotischen
Lieder spielte. Nach Schluß des Concertcs auf der
Piazza Kolonna versuchten die Manifestanten, nach
der Piazza Farnese zurückzukehren, sie wurden jedoch
durch die Polizei, welche die Zugänge zu dem Platze
versperrt hatte, zurückgehalten. Ein Theil der
Tumultanten zog sodann vor das französische
Priesterseminar in Santa Cbiara und riß das
oäpstliche und das Kardinalswappen herab. Der
Urheber dieses Vergehens wurde verhaftet und wird
gerichtlich belangt werden. Die Manifestanten ver-
achten auch vor das Gebäude der französischen
Botschaft beim päpstlichen Stuhle zu ziehen, wurden
aber von der Polizei daran verhindert. Schließlich
zerstreuten sich die Demonstranten.
Rom, 20. Aug. Der Kanzler der franzö-
isch en Botschaft beim Ouirinal, welcher gleich-
zeitig französischer Konsul in Rom ist, hatte heutx
Vormittag eine Zusammenkunft mit dem Polizei,

Kine dünkte THcrL.
32) Roman von E. P. von Areg.
(Fortsetzung)
13. Kapitel
Der Assessor Zog nunmehr, entgegen seiner
borher klar ausgesprochenen Absicht, seinen Begleiter
den Tisch zurück, an dem sie vorher Platz
genommen hatten, und machte ihm hier in aller
'^ürze Mittheilung von seiner Entdeckung.
Weiler hörte ihm mit Aufmerksamkeit zu und
^.eß seine Blicke wiederholt nach jener Person
hinüber wandern, auf welche der Assessor seine
Msmerksamkeit gerichtet hatte. Dann aber
sagte er:
„Wir brauchen hier keine Minute länger zu
derweilen. Ich habe den Beweis erbracht, der
^hren Wünschen entsprechen wird, und Sie haben
..dieser Gelegenheit etwas entdeckt, was Ihre
^dsiclsten, mit denen Sie hierher gekommen, zu
wrdern scheint. Es ist natürlich gar nicht daran
ou denken, hier in der Angelegenheit noch etwas
desteres vorzunehmen. Mir erscheint das Erreichte
^drluufig mehr als genügend und wenn Sie diese
Mficht nicht theilen sollten, so will ich Ihnen
heute Abend nur noch sagen, daß mir die
ch Betracht kommende Persönlichkeit Wohl bekannt
ß und daß es ausreichen wird, wenn wir morgen
,,/du denken, uns mit ihr in nähere Beziehungen
fetzen."
All ?^se Worte seines Begleiters bestimmten den
uepor, den ihm vorgeschlagenen Ausbruch zu

willigen. Sie verließen mit einander den Keller,
ohne daß sie bei diesem Vorhaben von irgend
jemanden behelligt worden wären, der Assessor
aber athmete ties auf, als er sich erst wieder in
der frischen Nachtlust befand. Mitternacht war
bereits nahe und deshalb trennten sich die Beiden
in der Leipzigerstraße. Der Assessor hatte wieder-
holt auf seine Angelegenheiten zurückkommen
wollen, aber Weiler hatte gesagt:
„Nur ohne Neberstürzung, wenn ich bitten
darf, Herr Assessor. Die Erfolge dieses Tages
befriedigen mich. Ich werde mir erlauben, Ihnen
morgen Vormittag meine Aufwartung zu machen,
um bei dieser Gelegenheit Ihren ganzen Auftrag
entgegen zu nehmen."
Vielleicht hätte Lindemann sich veranlaßt ge-
sehen, dagegen nochmals zu remonstriren, allein
er fühlte sich in der That angegriffen und von
den Vorgängen des Abends, die ja nur zum
kleinsten Theil in direkter Beziehung zu ihm
standen, nervös so aufgeregt, daß ihm Ruhe und
Erholung vor allem Andern für sich selbst ge-
boten erschien. So trennten sie sich also für
die Nacht.
In der elften Morgenstunde des anderen
Tages, erschien der Privat-Detektiv in dem Hotel
des Assessors, um seine ausführliche Instruktion
zu empfangen.
Es war nicht in Abrede zu stellen, daß es
Weiler gelungen war, das Vertrauen des jungen
Rechtsgelehrten sich dadurch zu erwerben, daß er
einen so sicheren Ueberblick über eine dunkle
Mordaffaire bewiesen hatte und im Stande ge-
wesen wax, sogar die bestimmte Stunde der Fest-

nahme des Verbrechers und des Ortes, an dem
diese erfolgen werde, Vorauszusagen. Das hatte
zunächst zur Folge, daß der Assessor nunmehr
keinen Anstand nahm, mit allen Details seiner-
eigenen Angelegenheiten herauszurücken und von
allein dem Mittheilung zu machen, was nach
seinem Erniessen mit denselben in Zusammenhang
zu stehen schien. Die Vorgänge in Bremen, die
Ersolglosigkeit der bisherigen Ermittelungen, das
ominiöse Packet und die Bemühungen Grünows,
dasselbe wieder in seinen Besitz zu bringen, die
Kombinationen und die Muthmaßungen Hans
v. Flottwells, der Wienbrand'sche Mord und die
mit demselben zusammenhängenden Umstünde,
diese Dinge alle mußten klar und übersichtlich
zusammengestellt und dem Zuhörer dadurch Ge-
legenheit gegeben werden, sich ein vollkommen
deutliches Bild von der ganzen Sachlage zu machen.
Diese Auseinandersetzung forderte nicht allein Zeit,
sondern auch gespannte Aufmerksamkeit weniger
von der Seite des Darstellenden, der nur ihm
durchaus wohlbekannte Dinge in ihrem Zusammen-
hänge reserirte, sondern vor allem von Seiten
seines Zuhörers.. Weiler verfolgte mit dem auf-
merksamsten Interesse den ganzen Lauf der Vor-
gänge und unterbrach den Erzähler nur da mit
kurzen Fragen, wo ihm die einzelnen Daten nicht
völlig erschienen oder er wegen der daran ge-
knüpften Folgerungen Zweifel erheben zu müssen
glaubte.
Es war bereits Mittag, als der Assessor mit
allen seinen detaillirten Erklärungen zu Ende
gekommen war. Er erkannte jedoch sofort, daß
er einen Mann sich gegenüber habe, der seinen

Angelegenheiten ein volles Verständniß entgegen-
bringe, denn Weiler sagte:
„Ich verkenne nicht, daß die seit dem Ver-
schwinden Ihres Oheims vergangene Zeit die
Aufdeckung erheblich erschwert, während uns da-
für der Zufall gestern Abend bei Ihrer Ent-
deckung zu Hilfe gekommen ist. Wir wollen aber
nicht vergessen, daß Tuche in Stücken fabrizirt
werden, deren jedes einzelne Gelegenheit zur An-
sertigung von einer Anzahl von Röcken bietet und
daß ost dasselbe Muster zu einer ganzen Reihe
von Tuchstücken verwendet wird. Nun kenne
ich auch den Träger des Rockes von gestern Abend
zu genau und weiß daher, daß ihm wohl ein
kleines Verbrechen, aber niemals ein Mord zuzu-
trauen ist."
„Das wäre nicht der erste Mißerfolg auf
meinem Wege", entgegnete der Assessor. „Warten
wir also zunächst auf Ihre weiteren Ermittelringen
und sagen Sie mir inzwischen, was Sie von
diesem Herrn v. Grünow halten."
„Sie sind über den Mann vollständig richtig
orientirt", antwortete der Detektiv. „Ich bin
mit dem Manne schon wiederholt in Beziehungen
gekommen, das letzte Mal bei einem Einbrüche
und bedeutenden Diebstahle im Museum. Man
konnte durch Zeugen Grünow beweisen, daß er
um die Zeit des Einbruchs öfter im Museum
gewesen sei und die gestohlenen Gegenstände auf-
merksam betrachtet habe. Allein die gefangenen
Komplizen verriethen nichts und er kam ohne
Strafe dovon. Wenn Sie mich fragen, ob ich
ihn des Planes zu jenem Morde fähig halte, so
werde ich diese Frage bejahen.
 
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