Nummer 303.
7. Meihnachts Ausgabe.
U e »»e v
Samstag, 23. Dezember 1803.
Ab onnementspreiö r
mit 8seitigem illustrirtem SonntagSblattl monatlich
38 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 80 Pfennig ohne Bestellgeld.
*--z l
Krpedition: KarrptbirLtste Mr. L5.
für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Zeitung).
— .- — --«
JnfertionSpreiSr
die ts-altige Petttzeile oder deren Raum 8 Pfg.,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.
*—-—---——— l
Krpedition: Kcruptftrcrße Mn. 22.
Geleseiistes Blatt ia Stadt rr. Arrrt Her-elbevg and Ltnrgegead. Gvstztev Erfolg frrv Insevatr.
US" Erstes Blatt. -MU
NE" Der Weihnachtsfeiertagen wegen
erscheint die nächste Nummer unseres
Blattes erst am Mittwoch.
AbonnementsMnladmig.
Am 1. Januar beginnt ein neues Abonne-
ment auf den
rr e »r e ir
General-Anzeiger
für Heidelberg und Umgegend.
Der im Laufe der letztverflossenen sechs Monate
unserem Blatte gewordene überaus zahlreiche und in
fortwährender erfreulicher Steigerung begriffene
Abonnentenzufluß sei hiermit dankbar konstatirt und
damit die an alle unsere zahlreichen Abonnenten
gerichtete Bitte verbunden, auch im neu beginnen-
den Jahre das uns seither in so reichem Maße ge-
schenkte Wohlwollen bewahren und nach Kräften an
der weiteren Vergrößerung unseres Abonnentenstandes
durch Empfehlung des „Neuen General-Anzeigers"
in Bekanntenkreisen mitwirken zu wollen.
Allen recht zu machen, das kann Niemand, wir
werden aber rastlos und redlich bemüht sein, es
möglichst Vielen recht zu machen, das ist das Ver-
sprechen, das wir unseren geehrten Lesern und
Freunden für das kommende Jahr geben. Im
Uebrigen werden wir auf dem seither beschrittenen
Wege weiter gehen, welcher, wie der antzerordcnt-
liche Erfolg unseres jungen Unternehmens be-
weist, unseren Lesern allgemein zusagt.
Die von größeren und kleineren Geschäftsfirmen
namtlich in der letzten Zeit erfolgte umfangreiche
Benützung des „Neuen General-Anzeigers" zur
Veröffentlichung ihrer Inserate ist ein Beweis da-
für, daß unser Blatt in seiner Eigenschaft als
hervorragendes Jnsertionsorgan
um des den Inseraten gesicherten durchschlagenden
Erfolges willen, bei allen weitsichtigen Geschäfts-
leuten sich wachsender Beliebtheit erfreut, denn nur
da, uw der Kaufmann, der Geschäfts- oder Gewerbe-
treibende INeiß, daß seine Inserate sich bezahlt
machen, inserirt er. Wer daher bis jetzt im „Neuen
General-Anzeiger" auch nur einen beschei-
denen Versuch machte, iirforrivto Ssi
uns ssssrt «»sitov.
Angesichts dieser schönen Erfolge halten
wir jede weitere Empfehlung unseres Blattes an
dieser Stelle für überflüssig.
Redaktion und Expedition.
* Weihnachten!
Mit wonnigem Zauber und lieblichen Bildern
erfüllt dieses Wort die frohen Herzen von Alt und
Jung, und süße Erinnerungen erweckt das heilige
Fest in unserem Gemüthe. Wie mannigfach sind
die Darstellungen der wunderbaren Weihnachts-
geschichte in Wort und Bild, wodurch dieselbe immer
wieder in die lebendige Gegenwart hineingestellt
wird. Wie erinnert uns der Lichterglanz im
Tannengrün an den offenen Himmel über Bethlehems
Flur, und wie klingen die Engelchöre noch immer
fort in den Weihnachtsliedern, mit welchen jubelnde
Kinder ihren Reigen um den Weihnachtsbaum voll-
führen. Es ist ein Paradies aus unserer Kindheit
Tagen, das uns zu Weihnachten wieder in lebhaften
Farben vor die Seele tritt.
Sind aber auch manche liebliche Bilder mit dem
Jugendtraume verflogen, so sollen wir doch den
Kern der Festfreude festhalten, der darin besteht,
daß wir unser Herz der ewigen Liebe öffnen, die
zu Weihnachten offenbar geworden, und daß wir
dann diese Liebe wiederstrahlen in dieser dunklen
Erdenwelt.
Wo recht Weihnachten gefeiert wird, da schäumt
der Freudenbecher über, da hat man das Bedürfniß,
Liebesgrüße auszutauschen und einander mit Liebes-
zeichen zu überraschen. Die Bescheerungen zu Weih-
nachten sind eine schöne Sitte, die man pflegen
soll; nur daß man nicht übertreibt, und der Unruhe
zuviel macht, und über allen kleinen Sorgen die
Sammlung verliert; und sodann, daß man nicht
blos da schenkt, wo man wieder zu nehmen hofft,
und die hoffnungsfrohe Kinderschaar in den Häusern
der Armuth und die gute alte Frau im Wcktwen-
stande und den kranken Nachbar nicht vergißt.
Sieh 'mal zu in deinem Kleiderschranke nach
abgelegten und ausgewachsenen Kleidungsstücken;
halte einmal Musterung im verstäubten Winkel nach
Bilderbüchern und mancherlei Spielsachen, die sich
mit geringer Mühe aufmöbeln und einpacken ließen,
und womit du an manchen Stätten einen Berg
Freude bereiten könntest; zerstöre nur kühn den
Motten das Paradies, um es in den Hütten der
Armuth zu bereiten; und sodann, was denkranken
Nachbar betrifft, hast du einen herzstärkenden Trunk
hinter dem Krahn, so zapfe ihm eins ab, und gehe
hin und erquicke ihn; wo nicht, so bedenke: ein
tröstend Wort und ein freundlicher Zuspruch sind
auch eine schöne Weihnachtsgabe, die in der Trübsal
werthvoll ist, und diese Gabe kann Jeder spenden,
der das Herz dazu hat.
Wo in diesem Geiste Weihnachten gefeiert wird,
da wird der Friede Gottes einziehen und das
himmlische Wiegenlied in der Seele Wiederhall
finden, das einst an der Krippe gesungen wurde:
Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden,
und den Menschen ein Wohlgefallen!
Deutsches Reich.
Berlin, 22. Dezember.
— Auf der im nächsten Jahre in Stuttgart
stattfindenden allgemeinen deutschen Lehrerversamm-
lung wird dem Vernehmen nach die Militär-
dienstpflicht der Vo l ks s ch u l leh r e r einen
der hauptsächlichsten Verhandlungsgegenstände bilden.
Die Klagen, die vor Jahresfrist noch über die
schlechte Behandlung der zur Ableistung ihrer Dienst-
pflicht eingezogenen Lehrer von überall her ertönten
und sogar im Reichstage Wiederhall fanden, sind
neuerdings verstummt. Man hört sogar vielfach
aus Lehrerkreisen anerkennende Stimmen über die
neuerdings seitens der meisten Vorgesetzten gerade
den Lehrern gegenüber beobachtete Haltung. Daß
aber auf beiden Seiten, auch auf der militärischen
noch immer hinreichender Grund zur Unzufrieden-
heit mit der gegenwärtigen Form der militärischen
Dienstleistung unserer Volksschullehrer besteht, ist
unzweifelhaft. Nur ist es außerordentlich schwer
zu sagen, wie die Erfüllung dieser Militärdienst-
pflicht unter der sorgfältigen Erwägung der in Be-
tracht kommenden Interessen auders und besser als
gegenwärtig geregelt werden könnte. Es bleibt ab-
zuwarten, ob die Stuttgarter Versammlung brauch-
bare Vorschläge machen wird.
— Ob die Nachricht zutreffend ist, daß gegen-
wärtig im preußischen Kriegsministerium an einem
neuen Entwurf einer Reichs-Militär-Straf-
prozeßordnung gearbeitet wird, hat sich bisher
nicht fcststellen lassen. Sie ist aber durchaus glaub-
würdig. Jeder preußische Kriegsminister seit dem
Rücktritt Roons hat sich mit dieser Frage eingehend
beschäftigt und bald nach seinem Amtsantritt einen
Entwurf nach seinen eigenen Gedanken und Reizungen
ausarbeiten lassen. Seit dem Jahre 1877 tagten
überdies zahlreiche Regierungskommissionen zur Be-
gutachtung neuer Entwürfe. Am nächsten dem
schwierigen Ziele scheint der kürzlich zurückgetretene
Kriegsminister von Kaltenborn-Stachau gekommen
zu sein. Der unter seiner Oberleitung aufgestellte
Entwurf soll aber in letzter Instanz an dem Wider-
stande des Kaisers gegen die Einführung des
Grundsatzes der Oeffentlichkeit für das Militär-
strafverfahren gescheitert sein. Die Ueberzeugung
von einer Umgestaltung des im Wesentlichen auf
durchaus veralteten preußischen Bestimmungen aus
dem Jahre 1845 beruhenden Verfahrens ist auch
in den leitenden militärischen Kreisen vorherrschend.
Selbst der Reichskanzler Graf Caprivi, der im
Reichstage unumwunden erklärt hat, daß er das
gegenwärtige Verfahren liebe, weil es sich nach dem
Urtheil der Meistbetheiligten bewährt habe, hat zu-
gleich die Nothwendigkeit einer Umarbeitung der
jetzigen Militärstrafprozeßordnung anerkannt. Es
ist deßhalb höchstwahrscheinlich, daß sich auch der
neue preußische Kriegsminister alsbald nach seinem
Amtsantritt dieser Frage zugewandt hat, zumal st
voraussichtlich sehr bald im Reichstage zur Spracht
gebracht werden wird. Es ist aber nicht anzu-
nehmen, daß ein etwaiger neuer Entwurf des
Kriegsministcrs Bronsart von Schellendorf ein
besseres Schicksal haben sollte, als die früheren
ähnlichen Entwürfe. Trüge er der Vslksströmung
hinsichtlich der Oeffentlichkeit des Hauptverfahrens
Rechnung, sd würde er wohl wieder, wie der Kalten-
bornsche, in den ersten Stadien stecken bleiben.
Hielte er aber grundsätzlich an dem geheimen Ver-
fahren fest, dann würde er später, wenn nicht
bereits im Bundesrathe durch den Widerspruch
Bayerns, so doch sicherlich im Reichstag Schiffbruch
leiden.
— Von größeren Petrolcumhändlern wird be-
richtet, daß bei der Konjunktur der Frach tbri e f-
stempcl 15 pCt. des Nutzens ausmachen würde.
Petroleum wird an kleine Händler sehr viel ein-
zelfaßweise versandt, und da der Nutzen auf ein
Faß Petroleum chatsächlich 50 Pfg. bis 1 Mk.
beträgt, würde der Frachtbriefstempel, wie oben an-
gegeben, 10—15 pCt. des Nutzens ausmachen.
Weiter wird uns mitgetheilt, daß eine einzige
Firma in Magdeburg durch die Frachtbriefstempel-
steuer mit 6000 Mk. belastet würde; es ist dies
eine Chokoladenfabrik, die ihre Produkte auch in
kleinen Kollis, deren Frachtbeträze gewöhnlich 1
Mk. übersteigt, vertreibt. Es würde überhaupt
bei Einführung des Frachtbriefstcmpels nicht zu
den Seltenheiten gehören, daß einzelne Geschäfte
den 4—5fachen Betrag der Gewerbesteuer an
Frachtbricfstempel aufzubringen haben.
— Wieder liegt eine sehr nachdrücklich votirte
Austrittserklärung aus dem Bund der Land-
wirthe vor. In Hildesheim hielt am 16. De-
zember der Land- und Forstwirthschaftliche Kreis-
verein Steuerwald-Maricnburg eine Versammlung
ab, in welcher der Rittergutsbesitzer Bibrans, einer
der hervorragendsten Landwirthe der dortigen
Gegend, erklärte, der Bund der Landwirthe habe
sich durch sein demagogisches Vorgehen so vollständig
unmöglich gemacht, daß er ihm nicht mehr ange-
hören könne. Der Redner hält sich für ver-
pflichtet, öffentlich zu erklären, daß er schon seit
mehreren Wochen aus dem Bunde der Landwirtke
ausgetreten sei und auch andere Landwirthe seines
Bezirks veranlassen werde das Gleiche zu thun.
Er wolle und könne einer Vereinigung nicht mehr
angehören, die solche Mittel gebraucht, um sich
Geltung zu verschaffen.
— Die englischen Gesellschaftsblätter melden,
die Verlobung des Großherzogs von
Hessen mit der Prinzessin Viktoria
Melitta von Koburg, Tochter des ehemaligen
Herzogs von Edinburg und seiner Gemahlin, Groß-
fürstin Maria von Rußland, werde in den nächsten
AL eXcr
oder
Anf drrnklen Megerr.
Roman von Dr. Ed. Wagner.
21) (Fortsetzung.)
„Ich zittere noch immer bei dem Gedanken,
Dich zu einem so gewagten Unternehmen gehen
zu lassen," erklärte Mr. Strange. „Vergiß nicht,
daß Du mir das Versprechen gegeben hast, Deine
Identität Niemanden zu verrathen, selbst nicht
Deiner Mutter, solltest Du ihr zufällig begegnen,
bis mein Name gereinigt oder ich todt bin."
Alexa wiederholte ihr Versprechen.
„Und nun, lieber Vater," sagte sie dann,
„erlaube mir, einige Fragen an Dich zu stellen,
die mir diese Nacht einfielen. Du sprachst von
den Zuhörern, welche Dein Bruder zu sich ge-
rufen hatte, um Deiner Demüthigung beizu-
wohnen. Traten diese Zeugen gegen Dich auf
vor Gericht?"
„Ja, sie waren dazu gezwungen. Ihre Aus-
sagen enthielten selbstverständlich schwere Ver-
dachtsmomente gegen mich; sie betrafen meine
Wuth, meinen Fluch, meine Rachedrohungen.
Sie bewiesen, daß meines Bruders beabsichtigte
Heirath meine Hoffnungen zerstört, mich aus
meiner Stellung als Erbe in das traurige Loos
eines jüngeren Sohnes zurückgestoßen haben
würde; sie bewiesen, daß ich Grund hatte, meinen
Bruder zu ermorden, und daß ich in einer ver-
zweifelten Stimmung war, als ich zornentbrannt
von ihm ging."
„Wer waren diese Zeugen?" fragte Alexa,
ein zierliches Taschenbuch hervorziehend und sich
zum Schreiben fertig machend.
„Der erste war Roland Jngestre, mein Cou-
sin, welcher nun, da man Dich todt glaubt,
Marquis von Montheron ist und Besitzer der
Güter der Montherons."
Alexa notirte den Namen.
„Der zweite war Puffet, der Kellermeister,"
fuhr Mr. Strange fort, „welcher fünfundzwanzig
Jahre in der Familie gedient hatte, — eine treue
rechtschaffene Seele."
Alexa notirte auch diesen Namen.
„Drittens war Carlos Blaut, meines Bruders
Privatsekretär, dabei zugegen; viertens James
Orrin, der Landesverwalter, ein treuer Diener
der Familie viele Jahre hindurch, welcher von
Allen, die ihn kannten hoch geachtet wurde; und
fünftens Pierre Renart, meines Bruder Kammer-
diener, ein Franzose, welcher ein dunkler, finster
aussehender Mann war."
Alexa hatte diese Angaben sämmtlich nieder-
geschrieben.
„Und nun, Vater," fragte sie ernst, „in
welchen Beziehungen standen die fünf Personen
zu dem Marquis?"
Mr. Strange erschrack und sah das Mädchen
bestürzt an.
„Großer Gott, Alexa," stammelte er. „Du
hast doch keinen der fünf Männer, welche mit
Widerstreben vor Gericht gegen mich zeugten, in
Verdacht, den Mord begangen zu haben?"
„Ich habe Niemanden in Verdacht, Vater;
aber wenn ich die Sache untersuchen soll, muß
ich den Charakter jedes Mitgliedes des Haus-
haltes von Montheron und eines Jeden kenne»
lernen, der nur einigermaßen mit der Sache in
Verbindung stehen könnte."
„Es wäre Wahnsinn, die genannten Männer
zu verdächtigen. Ich bat meinen Vertheidiger,
einen Geheimpolizisten zu beauftragen, daß er
sich Mühe gebe, die Wahrheit zu ermitteln, und
der Geheimpolizist sowohl, wie der Advokat, er-
mittelten, daß ich, nur ich allein, schuldig sei.
Nicht der geringste Schatten eines Verdachtes fiel
auf die erwähnten fünf Männer, Alexa. Ich
habe Dir noch nicht alle Beweise, die gegen mich
Vorlagen, genannt, aber Du mußt sie wissen, ehe
Du an Deine Ausgabe gehst."
„Erst erzähle mir etwas von den Männern,
Vater. Hatte nicht von ihnen irgend einer Grund,
den Marquis zu ermorden?"
„Einen Grund? Das kann man wohl nicht
sagen, obwohl, unter Mitwirkung irgend eines
ungünstigen Zufalls, Jeder von ihnen des Ver-
brechens hätte verdächtig werden können, wären
nicht 1>ie Beweise gegen mich so überwältigend
gewesen, — Jeder von ihnen, ausgenommen natür-
lich Roland Jngestre."
„Und doch gewann er durch den Tod des
Marquis."
„Nicht direkt. Wäre ich nicht des Mordes
schuldig befunden worden, hätte ich ihm im Wege
gestanden; und da ich nun fort war, warst Du
noch ein Hinderniß für ihn. Roland Jngestre
war übrigens eines Verbrechens unfähig und
wäre er dazu fähig gewesen, hätte er doch keine
Beweggründe gehabt. Der Marquis war ein
entfernter Verwandter, welcher ihn einlud, Wochen
und Monate in Montheron zuzubringen, und
welcher ihm ansehnliche Geschenke machte, oftmals
größere Summen Geld —"
„War Jngestre arm?"
„Er befand sich öfter in Verlegenheiten.
Er hatte ein anständiges Vermögen geerbt,
führte aber ein bewegtes Leben und verschwendete
den größten Theil seines Geldes. Du siehst, daß
er Ursache hatte, gegen meinen Bruder dankbar
und anhänglich zu sein. Er war ihm auch
wirklich sehr zugethan. O, in meiner wilde-
sten Einbildung fiel mein Verdacht niemals auf
Jngestre."
„Könnt Puffet, der Kellermeister, Grund ge-
habt haben, seinen Herrn zu tödten?"
„Puffet war ein ehrlicher Mann, welchem
am Morgen desselben Tages gesagt worden war,
daß er auf das Erscheinen einer neuen Herrin
vorbereitet sein solle. Er hatte gewagt, Gegen-
vorstellungen zu machen, ich denke, in der Absicht,
mir zu helfen, und der Marquis hatte in seiner
Wuth ihm gedroht, ihn am anderen Tage aus
dem Hause zu jagen. Der Marquis hat an seinen
Agenten in London telegraphirt, ihm einen neuen
Kellermeister zu engagiren."
„Also hatte Puffet Gründe."
„Mein Kind, Jedermann, der mit meinem
Bruder in Berührung kam, mag vielleicht eine
gewisse Abneigung gegen ihn gehabt haben. Ec
war während der letzten Monate seines Lebens
beständig mürrisch, mißtrauisch und streitsüchtig,
und in den letzten Tagen schalt er mit Jedem,
der ihm in den Weg kam."
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NE" Der Weihnachtsfeiertagen wegen
erscheint die nächste Nummer unseres
Blattes erst am Mittwoch.
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Der im Laufe der letztverflossenen sechs Monate
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Abonnentenzufluß sei hiermit dankbar konstatirt und
damit die an alle unsere zahlreichen Abonnenten
gerichtete Bitte verbunden, auch im neu beginnen-
den Jahre das uns seither in so reichem Maße ge-
schenkte Wohlwollen bewahren und nach Kräften an
der weiteren Vergrößerung unseres Abonnentenstandes
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in Bekanntenkreisen mitwirken zu wollen.
Allen recht zu machen, das kann Niemand, wir
werden aber rastlos und redlich bemüht sein, es
möglichst Vielen recht zu machen, das ist das Ver-
sprechen, das wir unseren geehrten Lesern und
Freunden für das kommende Jahr geben. Im
Uebrigen werden wir auf dem seither beschrittenen
Wege weiter gehen, welcher, wie der antzerordcnt-
liche Erfolg unseres jungen Unternehmens be-
weist, unseren Lesern allgemein zusagt.
Die von größeren und kleineren Geschäftsfirmen
namtlich in der letzten Zeit erfolgte umfangreiche
Benützung des „Neuen General-Anzeigers" zur
Veröffentlichung ihrer Inserate ist ein Beweis da-
für, daß unser Blatt in seiner Eigenschaft als
hervorragendes Jnsertionsorgan
um des den Inseraten gesicherten durchschlagenden
Erfolges willen, bei allen weitsichtigen Geschäfts-
leuten sich wachsender Beliebtheit erfreut, denn nur
da, uw der Kaufmann, der Geschäfts- oder Gewerbe-
treibende INeiß, daß seine Inserate sich bezahlt
machen, inserirt er. Wer daher bis jetzt im „Neuen
General-Anzeiger" auch nur einen beschei-
denen Versuch machte, iirforrivto Ssi
uns ssssrt «»sitov.
Angesichts dieser schönen Erfolge halten
wir jede weitere Empfehlung unseres Blattes an
dieser Stelle für überflüssig.
Redaktion und Expedition.
* Weihnachten!
Mit wonnigem Zauber und lieblichen Bildern
erfüllt dieses Wort die frohen Herzen von Alt und
Jung, und süße Erinnerungen erweckt das heilige
Fest in unserem Gemüthe. Wie mannigfach sind
die Darstellungen der wunderbaren Weihnachts-
geschichte in Wort und Bild, wodurch dieselbe immer
wieder in die lebendige Gegenwart hineingestellt
wird. Wie erinnert uns der Lichterglanz im
Tannengrün an den offenen Himmel über Bethlehems
Flur, und wie klingen die Engelchöre noch immer
fort in den Weihnachtsliedern, mit welchen jubelnde
Kinder ihren Reigen um den Weihnachtsbaum voll-
führen. Es ist ein Paradies aus unserer Kindheit
Tagen, das uns zu Weihnachten wieder in lebhaften
Farben vor die Seele tritt.
Sind aber auch manche liebliche Bilder mit dem
Jugendtraume verflogen, so sollen wir doch den
Kern der Festfreude festhalten, der darin besteht,
daß wir unser Herz der ewigen Liebe öffnen, die
zu Weihnachten offenbar geworden, und daß wir
dann diese Liebe wiederstrahlen in dieser dunklen
Erdenwelt.
Wo recht Weihnachten gefeiert wird, da schäumt
der Freudenbecher über, da hat man das Bedürfniß,
Liebesgrüße auszutauschen und einander mit Liebes-
zeichen zu überraschen. Die Bescheerungen zu Weih-
nachten sind eine schöne Sitte, die man pflegen
soll; nur daß man nicht übertreibt, und der Unruhe
zuviel macht, und über allen kleinen Sorgen die
Sammlung verliert; und sodann, daß man nicht
blos da schenkt, wo man wieder zu nehmen hofft,
und die hoffnungsfrohe Kinderschaar in den Häusern
der Armuth und die gute alte Frau im Wcktwen-
stande und den kranken Nachbar nicht vergißt.
Sieh 'mal zu in deinem Kleiderschranke nach
abgelegten und ausgewachsenen Kleidungsstücken;
halte einmal Musterung im verstäubten Winkel nach
Bilderbüchern und mancherlei Spielsachen, die sich
mit geringer Mühe aufmöbeln und einpacken ließen,
und womit du an manchen Stätten einen Berg
Freude bereiten könntest; zerstöre nur kühn den
Motten das Paradies, um es in den Hütten der
Armuth zu bereiten; und sodann, was denkranken
Nachbar betrifft, hast du einen herzstärkenden Trunk
hinter dem Krahn, so zapfe ihm eins ab, und gehe
hin und erquicke ihn; wo nicht, so bedenke: ein
tröstend Wort und ein freundlicher Zuspruch sind
auch eine schöne Weihnachtsgabe, die in der Trübsal
werthvoll ist, und diese Gabe kann Jeder spenden,
der das Herz dazu hat.
Wo in diesem Geiste Weihnachten gefeiert wird,
da wird der Friede Gottes einziehen und das
himmlische Wiegenlied in der Seele Wiederhall
finden, das einst an der Krippe gesungen wurde:
Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden,
und den Menschen ein Wohlgefallen!
Deutsches Reich.
Berlin, 22. Dezember.
— Auf der im nächsten Jahre in Stuttgart
stattfindenden allgemeinen deutschen Lehrerversamm-
lung wird dem Vernehmen nach die Militär-
dienstpflicht der Vo l ks s ch u l leh r e r einen
der hauptsächlichsten Verhandlungsgegenstände bilden.
Die Klagen, die vor Jahresfrist noch über die
schlechte Behandlung der zur Ableistung ihrer Dienst-
pflicht eingezogenen Lehrer von überall her ertönten
und sogar im Reichstage Wiederhall fanden, sind
neuerdings verstummt. Man hört sogar vielfach
aus Lehrerkreisen anerkennende Stimmen über die
neuerdings seitens der meisten Vorgesetzten gerade
den Lehrern gegenüber beobachtete Haltung. Daß
aber auf beiden Seiten, auch auf der militärischen
noch immer hinreichender Grund zur Unzufrieden-
heit mit der gegenwärtigen Form der militärischen
Dienstleistung unserer Volksschullehrer besteht, ist
unzweifelhaft. Nur ist es außerordentlich schwer
zu sagen, wie die Erfüllung dieser Militärdienst-
pflicht unter der sorgfältigen Erwägung der in Be-
tracht kommenden Interessen auders und besser als
gegenwärtig geregelt werden könnte. Es bleibt ab-
zuwarten, ob die Stuttgarter Versammlung brauch-
bare Vorschläge machen wird.
— Ob die Nachricht zutreffend ist, daß gegen-
wärtig im preußischen Kriegsministerium an einem
neuen Entwurf einer Reichs-Militär-Straf-
prozeßordnung gearbeitet wird, hat sich bisher
nicht fcststellen lassen. Sie ist aber durchaus glaub-
würdig. Jeder preußische Kriegsminister seit dem
Rücktritt Roons hat sich mit dieser Frage eingehend
beschäftigt und bald nach seinem Amtsantritt einen
Entwurf nach seinen eigenen Gedanken und Reizungen
ausarbeiten lassen. Seit dem Jahre 1877 tagten
überdies zahlreiche Regierungskommissionen zur Be-
gutachtung neuer Entwürfe. Am nächsten dem
schwierigen Ziele scheint der kürzlich zurückgetretene
Kriegsminister von Kaltenborn-Stachau gekommen
zu sein. Der unter seiner Oberleitung aufgestellte
Entwurf soll aber in letzter Instanz an dem Wider-
stande des Kaisers gegen die Einführung des
Grundsatzes der Oeffentlichkeit für das Militär-
strafverfahren gescheitert sein. Die Ueberzeugung
von einer Umgestaltung des im Wesentlichen auf
durchaus veralteten preußischen Bestimmungen aus
dem Jahre 1845 beruhenden Verfahrens ist auch
in den leitenden militärischen Kreisen vorherrschend.
Selbst der Reichskanzler Graf Caprivi, der im
Reichstage unumwunden erklärt hat, daß er das
gegenwärtige Verfahren liebe, weil es sich nach dem
Urtheil der Meistbetheiligten bewährt habe, hat zu-
gleich die Nothwendigkeit einer Umarbeitung der
jetzigen Militärstrafprozeßordnung anerkannt. Es
ist deßhalb höchstwahrscheinlich, daß sich auch der
neue preußische Kriegsminister alsbald nach seinem
Amtsantritt dieser Frage zugewandt hat, zumal st
voraussichtlich sehr bald im Reichstage zur Spracht
gebracht werden wird. Es ist aber nicht anzu-
nehmen, daß ein etwaiger neuer Entwurf des
Kriegsministcrs Bronsart von Schellendorf ein
besseres Schicksal haben sollte, als die früheren
ähnlichen Entwürfe. Trüge er der Vslksströmung
hinsichtlich der Oeffentlichkeit des Hauptverfahrens
Rechnung, sd würde er wohl wieder, wie der Kalten-
bornsche, in den ersten Stadien stecken bleiben.
Hielte er aber grundsätzlich an dem geheimen Ver-
fahren fest, dann würde er später, wenn nicht
bereits im Bundesrathe durch den Widerspruch
Bayerns, so doch sicherlich im Reichstag Schiffbruch
leiden.
— Von größeren Petrolcumhändlern wird be-
richtet, daß bei der Konjunktur der Frach tbri e f-
stempcl 15 pCt. des Nutzens ausmachen würde.
Petroleum wird an kleine Händler sehr viel ein-
zelfaßweise versandt, und da der Nutzen auf ein
Faß Petroleum chatsächlich 50 Pfg. bis 1 Mk.
beträgt, würde der Frachtbriefstempel, wie oben an-
gegeben, 10—15 pCt. des Nutzens ausmachen.
Weiter wird uns mitgetheilt, daß eine einzige
Firma in Magdeburg durch die Frachtbriefstempel-
steuer mit 6000 Mk. belastet würde; es ist dies
eine Chokoladenfabrik, die ihre Produkte auch in
kleinen Kollis, deren Frachtbeträze gewöhnlich 1
Mk. übersteigt, vertreibt. Es würde überhaupt
bei Einführung des Frachtbriefstcmpels nicht zu
den Seltenheiten gehören, daß einzelne Geschäfte
den 4—5fachen Betrag der Gewerbesteuer an
Frachtbricfstempel aufzubringen haben.
— Wieder liegt eine sehr nachdrücklich votirte
Austrittserklärung aus dem Bund der Land-
wirthe vor. In Hildesheim hielt am 16. De-
zember der Land- und Forstwirthschaftliche Kreis-
verein Steuerwald-Maricnburg eine Versammlung
ab, in welcher der Rittergutsbesitzer Bibrans, einer
der hervorragendsten Landwirthe der dortigen
Gegend, erklärte, der Bund der Landwirthe habe
sich durch sein demagogisches Vorgehen so vollständig
unmöglich gemacht, daß er ihm nicht mehr ange-
hören könne. Der Redner hält sich für ver-
pflichtet, öffentlich zu erklären, daß er schon seit
mehreren Wochen aus dem Bunde der Landwirtke
ausgetreten sei und auch andere Landwirthe seines
Bezirks veranlassen werde das Gleiche zu thun.
Er wolle und könne einer Vereinigung nicht mehr
angehören, die solche Mittel gebraucht, um sich
Geltung zu verschaffen.
— Die englischen Gesellschaftsblätter melden,
die Verlobung des Großherzogs von
Hessen mit der Prinzessin Viktoria
Melitta von Koburg, Tochter des ehemaligen
Herzogs von Edinburg und seiner Gemahlin, Groß-
fürstin Maria von Rußland, werde in den nächsten
AL eXcr
oder
Anf drrnklen Megerr.
Roman von Dr. Ed. Wagner.
21) (Fortsetzung.)
„Ich zittere noch immer bei dem Gedanken,
Dich zu einem so gewagten Unternehmen gehen
zu lassen," erklärte Mr. Strange. „Vergiß nicht,
daß Du mir das Versprechen gegeben hast, Deine
Identität Niemanden zu verrathen, selbst nicht
Deiner Mutter, solltest Du ihr zufällig begegnen,
bis mein Name gereinigt oder ich todt bin."
Alexa wiederholte ihr Versprechen.
„Und nun, lieber Vater," sagte sie dann,
„erlaube mir, einige Fragen an Dich zu stellen,
die mir diese Nacht einfielen. Du sprachst von
den Zuhörern, welche Dein Bruder zu sich ge-
rufen hatte, um Deiner Demüthigung beizu-
wohnen. Traten diese Zeugen gegen Dich auf
vor Gericht?"
„Ja, sie waren dazu gezwungen. Ihre Aus-
sagen enthielten selbstverständlich schwere Ver-
dachtsmomente gegen mich; sie betrafen meine
Wuth, meinen Fluch, meine Rachedrohungen.
Sie bewiesen, daß meines Bruders beabsichtigte
Heirath meine Hoffnungen zerstört, mich aus
meiner Stellung als Erbe in das traurige Loos
eines jüngeren Sohnes zurückgestoßen haben
würde; sie bewiesen, daß ich Grund hatte, meinen
Bruder zu ermorden, und daß ich in einer ver-
zweifelten Stimmung war, als ich zornentbrannt
von ihm ging."
„Wer waren diese Zeugen?" fragte Alexa,
ein zierliches Taschenbuch hervorziehend und sich
zum Schreiben fertig machend.
„Der erste war Roland Jngestre, mein Cou-
sin, welcher nun, da man Dich todt glaubt,
Marquis von Montheron ist und Besitzer der
Güter der Montherons."
Alexa notirte den Namen.
„Der zweite war Puffet, der Kellermeister,"
fuhr Mr. Strange fort, „welcher fünfundzwanzig
Jahre in der Familie gedient hatte, — eine treue
rechtschaffene Seele."
Alexa notirte auch diesen Namen.
„Drittens war Carlos Blaut, meines Bruders
Privatsekretär, dabei zugegen; viertens James
Orrin, der Landesverwalter, ein treuer Diener
der Familie viele Jahre hindurch, welcher von
Allen, die ihn kannten hoch geachtet wurde; und
fünftens Pierre Renart, meines Bruder Kammer-
diener, ein Franzose, welcher ein dunkler, finster
aussehender Mann war."
Alexa hatte diese Angaben sämmtlich nieder-
geschrieben.
„Und nun, Vater," fragte sie ernst, „in
welchen Beziehungen standen die fünf Personen
zu dem Marquis?"
Mr. Strange erschrack und sah das Mädchen
bestürzt an.
„Großer Gott, Alexa," stammelte er. „Du
hast doch keinen der fünf Männer, welche mit
Widerstreben vor Gericht gegen mich zeugten, in
Verdacht, den Mord begangen zu haben?"
„Ich habe Niemanden in Verdacht, Vater;
aber wenn ich die Sache untersuchen soll, muß
ich den Charakter jedes Mitgliedes des Haus-
haltes von Montheron und eines Jeden kenne»
lernen, der nur einigermaßen mit der Sache in
Verbindung stehen könnte."
„Es wäre Wahnsinn, die genannten Männer
zu verdächtigen. Ich bat meinen Vertheidiger,
einen Geheimpolizisten zu beauftragen, daß er
sich Mühe gebe, die Wahrheit zu ermitteln, und
der Geheimpolizist sowohl, wie der Advokat, er-
mittelten, daß ich, nur ich allein, schuldig sei.
Nicht der geringste Schatten eines Verdachtes fiel
auf die erwähnten fünf Männer, Alexa. Ich
habe Dir noch nicht alle Beweise, die gegen mich
Vorlagen, genannt, aber Du mußt sie wissen, ehe
Du an Deine Ausgabe gehst."
„Erst erzähle mir etwas von den Männern,
Vater. Hatte nicht von ihnen irgend einer Grund,
den Marquis zu ermorden?"
„Einen Grund? Das kann man wohl nicht
sagen, obwohl, unter Mitwirkung irgend eines
ungünstigen Zufalls, Jeder von ihnen des Ver-
brechens hätte verdächtig werden können, wären
nicht 1>ie Beweise gegen mich so überwältigend
gewesen, — Jeder von ihnen, ausgenommen natür-
lich Roland Jngestre."
„Und doch gewann er durch den Tod des
Marquis."
„Nicht direkt. Wäre ich nicht des Mordes
schuldig befunden worden, hätte ich ihm im Wege
gestanden; und da ich nun fort war, warst Du
noch ein Hinderniß für ihn. Roland Jngestre
war übrigens eines Verbrechens unfähig und
wäre er dazu fähig gewesen, hätte er doch keine
Beweggründe gehabt. Der Marquis war ein
entfernter Verwandter, welcher ihn einlud, Wochen
und Monate in Montheron zuzubringen, und
welcher ihm ansehnliche Geschenke machte, oftmals
größere Summen Geld —"
„War Jngestre arm?"
„Er befand sich öfter in Verlegenheiten.
Er hatte ein anständiges Vermögen geerbt,
führte aber ein bewegtes Leben und verschwendete
den größten Theil seines Geldes. Du siehst, daß
er Ursache hatte, gegen meinen Bruder dankbar
und anhänglich zu sein. Er war ihm auch
wirklich sehr zugethan. O, in meiner wilde-
sten Einbildung fiel mein Verdacht niemals auf
Jngestre."
„Könnt Puffet, der Kellermeister, Grund ge-
habt haben, seinen Herrn zu tödten?"
„Puffet war ein ehrlicher Mann, welchem
am Morgen desselben Tages gesagt worden war,
daß er auf das Erscheinen einer neuen Herrin
vorbereitet sein solle. Er hatte gewagt, Gegen-
vorstellungen zu machen, ich denke, in der Absicht,
mir zu helfen, und der Marquis hatte in seiner
Wuth ihm gedroht, ihn am anderen Tage aus
dem Hause zu jagen. Der Marquis hat an seinen
Agenten in London telegraphirt, ihm einen neuen
Kellermeister zu engagiren."
„Also hatte Puffet Gründe."
„Mein Kind, Jedermann, der mit meinem
Bruder in Berührung kam, mag vielleicht eine
gewisse Abneigung gegen ihn gehabt haben. Ec
war während der letzten Monate seines Lebens
beständig mürrisch, mißtrauisch und streitsüchtig,
und in den letzten Tagen schalt er mit Jedem,
der ihm in den Weg kam."