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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 171 - No. 180 (22. Juli - 2. August)
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für Heidelberg und Umgegend


1893

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Expedition: Kclnptstrclßo Wr. 25.

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vierteljährlich 90 Pfennig ohne Bestellgeld.
---—--«
, Expedition: Knnptstrnsto Wr. 25.

L 174.
Verantwortlicher Redacteur:
Herm. Streich.
_Heidelberg, Mittwoch, den 26. Juli
Druck und Verlag:
Heckmann, Dörr L Wurm.

Ter Ausschluß der Leffcntlichkeit bei
Gerichtsverhandlungen.
In der Presse ist es als bemerkenswert!) her-
^Mehoben worden, daß das Reichsgericht in dem
Ängsten Strafverfahren wegen Landesverraths die
Stimmungen des geltenden Prozeßrechts über den
Ausschluß der Öffentlichkeit bei Gerichtsverhand-
tungen im strengsten Sinne angewendet und dem-
ßemäß nicht nur während der Verhandlungen,
sondern auch während der Verlesung der Urtheils-
kstunde die Oeffentlichkeit ausgeschlossen, außerdem
den bei der Verhandlung beteiligten Personen
Schweigebefehlt auferlegt hat. Der Vorwurf,
welcher dieserhalb gegen den obersten Gerichtshof
Phöben wurde, erscheint jedoch, wie die „K. Z."
hervorhebt, unberechtigt, ist nicht Geheimnißkrämerei,
das Reichsgericht zu der strengsten Geheim-
bastung veranlaßte, sondern Rücksicht auf die äußere
^'cherheit des Reiches. Gerade mit Rücksicht auf
derartige Verhandlungen wurde seinerzeit das Ge-
Uchtsverfassungsgesctz geändert und ihm der jetzige
Wesentlich strengere Inhalt gegeben. Soll das
strengere Recht in irgend einem Falle überhaupt
Ä* Anwendung gelangen, so muß dies dann ge-
sehen, wenn es sich darum handelt, die versuchte
Auslieferung des Plans einer Grenzfestung an die
stanzösische Regierung zu bestrafen. Es bandelt
pH da um die Beschützung der wichtigsten Reichs-
snteressen. Wenn ferner das Reichsgericht in dem
jungst verhandelten Anarchistenprozeß die Oeffent-
'fchkeit der Verhandlung, aber nicht die Oeffent-
uchkeit der Verkündigung der Urtheilsgründe aus-
Wvß, so handelte es auch hierbei durchaus im Ein-
zug mit den bei Erlaß des Gesetzes ausge-
sprochenen Ansichten; die Verlesung von Druck-
schriften, in welchen mit dürren Worten zu hoch-
berrätherischen Unternehmungen aufgefordert wird,
mnn sehr wohl bedenklich erscheinen, da durch den
Inhalt derselben auch in andern Personen als den
Angeklagten verbrecherische Gedanken geweckt werden
können. Es ist nicht cinzusehen, welchem Zwecke
mr Bemängelung des Verfabrens des Reichsgerichts
Serien soll. Der oberste Gerichtshof befindet sich
^Eominen im Einklang mit der Rücksicht des Ge-
setzgebers; wenn seine Praris strenger geworden ist,
s° muß dies auf die Aenderung des Gesetzes zu-
^uckgesührt werden.__
Deutsches Reich.
Berlin, 25. Juli.
-— Der Kaiser wird sich der „Kreuzztg."
Zufolge unmittelbar nach Schluß der Manöver des
.14. Armeekorps von Stuttgart zu den Manövern
Ungarn begeben. Der beabsichtigte Jagdaus-
stug nach Schweden dürfte in den letzten Tagen
des September erfolgen. Aus Pest wird gemeldet,
daß der Kaiser vom 15. bis 18. September an
einer Jagd auf Wasservögel bei Battina theil-
nehmen werde.
— Die „Voss. Ztg." glaubt wiederholt an-

kündigen zu können, daß der Rücktritt des preu-
ßischen Kriegsministers General v. Kaltenborn-
Stachau für die nächste Zeit bevorstehe. „Eine
Bestätigung dieser Nachricht," schreibt das genannte
Blatt, „wird vielfach darin gefunden, daß der Ab-
schluß der Heeresreform zwar dem Reichskanzler ein
sehr warmes kaiserliches Dankschreiben eingetragen
hat, daß aber der Kriegsminister vollständig über-
gangen wurde. Thatsächlich hat auch die ganze
Arbeit fast allein auf den Schultern des Reichs-
kanzlers geruht, der in der Kommission und im
Plenum des Reichstags unermüdlich seine ganze
Kraft für die Militärvorlage einsetzte. Der Kriegs-
minister beobachtete dagegen eine auffällige Zurück-
haltung, wie er sich denn überhaupt als ungeeignet
zu den Verhandlungen mit dem Parlament erwies.
Wenn bereits eine Reihe von Namen genannt wird,
die für den Posten eines Kriegsministers in Be-
tracht kommen, so die Generale Edler v. d. Planitz,
Vogel v. Falckenstein, Oberboffer, v. Bock und
Polach, so hat man es wohl nur mit Vermuthungcn
zu thun."
— Fürst Bismarck wird im Laufe dieser
Woche seine durch die Krankheit der Fürstin ver-
zögerte Reise nach Kissingen antreten. Er wird
wieder, wie in früheren Jahren, auf der oberen
Saline wohnen, wo während der Zeit seines etwa
vierwöchigen Aufenthaltes ein besonderer Post- und
Telegraphendienst eingerichtet werden wird. Daß
der Prinz-Regent von Bayern dem Fürsten Bis-
marck für die Dauer seines Kissinger Aufenthaltes
Hofwagen und Hofdiencrschaft zur Verfügung ge-
stellt hat, haben wir schon früher melden können.
Ueberhaupt wird Fürst Bismarck überall auf bay-
rischem Boden seitens der Behörden genau so be-
handelt, wie zur Zeit, als er noch der mächtige
deutsche Reichskanzler war.
— Die Bildung eines allgemeinen Deut sch en
Gastwirthsverbandes bereitet sich vor. Ein
Deutscher Gastwirthsverband besteht zwar schon, es
wird ihm aber von vielen Seiten der Vorwurf ge-
macht, daß er rein den Berliner Interessen diene;
die Berliner Mitglieder des Verbandes überwiegen
und haben sogar mit den Hamburgern zusammen
schon die Mehrheit. Es ist aber nicht dieser eine
Umstand nur allein, sondern auch die Ansicht, daß
zahlreiche sehr wichtige Interessen in dem Verbände
absolut keine Pflege finden, was zu dem Wunsche
der Gründung eines neuen allgemeinen Deutschen
Verbandes geführt hat. Zu gleicher Zeit kommt
auch bereits die Gründung eines Preßorgans, das
die Interessen des Gesammten Gastwirthsstandes
vertreten soll, zur Erwägung. Der bestehende Ver-
band besitzt ein Organ im „Gastbaus", dem jedoch
durch ein bekanntes Berliner Lokalblatt, welches
sich etwas übereifrig der Gastwirthssache annimmt,
viel Abbruch geschieht.
Karlsruhe, 24. Juli. Beim 14. Armee-
corps werden infolge der Annahme der Militär-
vorlage, wie man der Karlsr. Ztg. von zuständiger
Seite mittheilt, folgende Neuformationen

eintreten: 1. Bei jedem der acht Jnfanterieregi-
menter des Armeecvrps wird ein Halb- (viertes)
Bataillon sormirt in Stärke von 8 Offizieren,
1 Assistenzarzt, 1 Zahlmeister, 1 Büchsenmacher,
193 Unteroffizieren und Gemeinen, 5 Offiziers-
pferden. Der jetzt beim Regimentsstabe etatmäßige
Hauptmann 1. Klasse fällt fort. Die Standarten
der vierten Bataillone sind grundsätzlich diejenigen
der Regimentsstäbe. 2. Bei dem Feldartillerie-
regiment Nr. 30 wird eine vierte Abtheilung zu
drei Batterien sormirt. Ueber etwaige Dis-
lokationsänderungen im Bereiche des Armeecorps
können bis jetzt noch keine näheren Angaben ge-
macht werden.
Mannheim, 25. Juli. Die Nationallibcralcn
von Baden, Hessen und der Pfalz halten die dies-
jährige Sedansfeicr am 3. September in Neustadt
a. d. H. ab.
Stuttgart, 24. Juli. Heute mittag traf das
Großherzogliche Paar von Baden zum Be-
suche de8 Königs und der Königin im Schloß
Friedrichshafen ein und begab sich abends wieder
nach der Mainau zurück.
Dresden, 24. Juli. Das Ministerium
des Innern hat heute eine Verordnung be-
treffend Maßregeln gegen die Cholera erlassen
wegen der zunehmenden Ausbreitung derselben in
Frankreich und ihrer Fortdauer in Rußland. Die
früheren Bestimmungen sind auf Grund der inter-
nationalen Sanitätskonferenz einer Revision unter-
zogen. Die Verordnung enthält Bestimmungen
über die seitens der Behörden zu ergreifenden Maß-
nahmen, sowie Verhaltungsmaßregeln für die von
der Cholera bedrohten bezw. heimgesuchten Orte.
Bingen, 24. Juli. Beider am Samstag statt-
gehabten ReichstagLnachwahl im Kreise
Bingen-Alzey wurde der freisinnige Candidat,
Fabrikant Reinhard Schmidt in Elberfeldt,
mit über 3500 Stimmen Mehrheit gewählt. Die
Antisemiten brachten cs nicht einmal auf 2000
Stimmen.
Ausland.
Vern, 24. Juli. In Z ür i ch ließ der Bundes-
anwalt Scherb vier Führer der unabhängigen
Sozialisten verhaftet.
Prag, 24. Juli. Bei dem gestrigen Ausflug
czechischer Turner nach Budwcis fand ein grober
Erzeß staat, weil man die Turner Mangels von
Personenwagen in Lastwagen wies. Im Polizei-
amte wurden die Fenster eingeschlagen.
Paris, 25. Juli. In politischen Kreisen wird
das energische Auftreten der Regierung gegenüber
Siam sehr gebilligt. Es verlautet, die Blokade
der siamesischen Küste werde am Donnerstag oder
Freitag ausgeführt. Der siamesische Gesandte soll
beabsichtigen, nach Madrid abzureisen.
Aus Wcrh und Jern.
* Karlsruhe, 25. Juli. Herr Oberbibliothekar
Dr. Brombach hat sich am Samstag nach der

Mainau begeben, um dem Groß Herzog ein
Schreiben des Papstes zu übergeben, welches der
letztere Herrn Dr. Brombach anvertraut hatte, in-
folge der von ihm überbrachten Büchersendung,
welche der Großherzog dem Papste zu dessen Ju-
biläum geschenkt hatte.
* Karlsruhe, 25. Juli. Der Ausschuß der
gegenwärtig in Münchenstattfindenden 14. Deutschen
Feuerwehrtages bat beschlossen, daß der nächste
Deutsche Feuerwehrtag im Jahre 1897 in Karls-
ruhe abgehalten werde.
* Mannheim, 24. Juli. Im Keller eines
Hauses in 8 10 fingen am Freitag dee Kleider
eines 5jähr. Kindes des Schutzmann Au auf un-
aufgeklärte Weise Feuer. Das Kind erhielt derart
schwere Brandwunden, daß es inzwischen ge-
storben ist. — Die Frau des Kutschers Jakob
Model stürzte sich aus einem Fenster des fünften
Stockes des Hauses D 6, 26 in den nach der
Ringstraße zu gelegenen Vorgarten hinab. Die
Unglückliche wurde von ihrem Manne in die
Wohnung getragen, wo infolge der erlittenen Ver-
letzungen alsbald der Tod eintrat. Ueber das
Motiv der That verlautet noch nichts.
* Mannheim, 24. Juli. Am nächsten Donners-
tag kommt vor der hiesigen Strafkammer die An-
klagcsache wegen des Straßenkrawalls, der sich am
Abend der Reichstagsstichwahl in der Schwetzinger
Straße dahier abspielte, zur Verhandlung. An-
geklagt sind 24 Personen. Geladen sind über 50
Zeugen. Die Verbandlung dürfte den ganzen Taz
in Anspruch nehmen.
* Helmstadt, 25. Juli. Auf die Einladung
des Herrn Postverwalterö Sommer fanden sich
gestern eine größere Anzahl Hunde-Züchter und
Liebhaber im Garten des Ochsen niit einer schönen
Anzahl Hunde zusammen. Es war wirklich eine
Freude ein ganz vortreffliches Hunde-Material da-
selbst zu finden, hauptsächlich in deutschen Doggen,
russ. Windhunden und schott. Schäferhunden. Des
angekündigten Berichts über die Münchener Hunde-
ausstellung hat sich Herr W. Faas aus Heidelberg
glänzend entledigt und wurde ihm der Dank der
Versammelten hiefür zu Theil. Nach dem Vortrage
entspann sich eine Diskussion in der allgemein der
Wunsch laut wurde öfters solche Versammlungen
zu veranstalten sowie eine Vereinigung herbeizu-
führen. Dem Wunsch wurde Folge gegeben und
findet an einem noch zu bestimmenden Tage eine
Versammlung in Neckargemünd statt verbunden mit
Hundeschau.
* Mosbach, 24. Juli. Maurermeister Fried.
Wüst von Eppelheim, welcher die Maurerarbeit an
dem Neubau der hiesigen Bürgerschule im Akkord
übernommen bat fiel heute so unglücklich vom
ersten Gerüst auf unten liegende Mauersteine, daß
er in's Bezirksspital getragen werden mußte. Er
hat eine nicht unbedeutende Wunde am Kopfe und
auch der Handballen ist stark verletzt. Nachschrift:
Wüst ist bereits gestorben, er hinterläßt eine Frau
und zwei Kinder.

Eine öunkLe Hhcrt.
Roman von P. E. von Areg.

(Fortsetzung.)
Sie schieden von einander zwar nur als ein
Paar alte gute Bekannte, aber der Thränen gab
es reichlich bei Beiden nach der Trennung.
Und als er erst nach Jahresfrist in das Pfarr-
haus zu Borkum heimkehrte, war die Rose auf-
geblüht, die er als Knospe dort zurückgelassen
hatte.
Und als die Ferien zu Ende waren, da hatten
sie es sich gestanden, daß sie einander gehören
Zollten fürs ganze Leben.
Dann kamen Jahre reinen Glücks, des Glücks
her ersten Liebe.
Sie hatten kein Geheimniß aus ihrem Bunde
gemacht, und hatten auch die beiden Tanten mit
Rücksicht auf die große Jugend der Liebenden
Zuerst ein bedenkliches Gesicht gemacht, so setzte
doch niemand ihren Wünschen irgend einen be-
harrlichen Widerstand entgegen. So schien ihnen
hie Zukunft im rosigsten Lichte; Wilhelm hatte
Uach glänzend bestandenem Staatsexamen bei dem
Amtsgericht der Hafenstadt seine juristische Lauf-
bahn begonnen, als Plötzlich ein entsetzliches Ver-
häugniß sie traf, das sie mit einem Male, und
kue es schien, für immer auseinander riß.
Sie hatten sich seit dem Tage, an dem das
Unglück über sie hereingebrochen, nicht wieder
Aschen, vier lange Jahre lagen zwischen jenem
Augenblicke des Unheils und heute. So war

es wohl natürlich, daß über das Antlitz des
Assessors sich eine jähe Blässe verbreitete, als
Leonore am Arme der Pfarrerin unerwartet zu
den Männern in die Studierstube des Pastors
trat. Leonore, die mehr Zeit gehabt hatte, sich
auf ein Wiedersehen vorzubereiten, sah das mit
Schmerzen, und ihre Augen waren voll Thränen,
als sie nach einer kurzen Begrüßung des Pfarr-
herrn dem Jugendfreunde die Hand bot. Beide
waren viel zu sehr beklommen, als daß sie ver-
mocht Hütten, diesem stummen Gruße ein einziges
Wort hinzuznfügen.
Die Pfarrerin machte dieser schmerzlichen Si-
tuation ein rasches Ende.
„Auf die Gefahr hin, Euch in Euren Be-
rathungen zu stören", sagte sie, „konnte ich mich
doch nicht dazu entschließen, eftien so lieben Gast,
wie Leonore, für mich allein zu behalten. Sage
es uns also nur getrost, Vater, wenn wir hier
überflüssig sind; wir werden uns sofort zurück-
ziehen und Euch das Feld freilassen."
„Wir sind hier im Allgemeinen zu Ende",
erwiderte der Pfarrer, auf dessen faltenreichem
Gesicht schwere Sorge ausgeprägt lag. „Den
Herrn Baron möchte ich allerdings bitten, noch
einige Augenblicke bei mir zu verweilen, bevor
wir drei gemeinschaftlich uns zu seinem Herrn
Vater begeben."
„Allein, wenn ich so auch den einen unserer
Besucher für mich behalte, bin ich gern bereit,
dafür den anderen freizugeben. Begleite die
Damen, Wilhelm! Wenn es Zeit ist, werde ich
Dich bitten, Dich uns wieder anzufchließen."

Der Assessor, der sich eben so wie Hans bei
dem Eintritte der Frauen erhoben hatte, machte
alsbald von der ihm ertheilten Erlaubniß Gebrauch
und verließ mit den Frauen das Gemach, nachdem
Leonore noch einige kurze Worte mit Hans ge-
wechselt hatte.
Als sie aber in den Flur gelangten, schützte
die Pfarrerin dringende wirthschaftliche Geschäfte
vor, die sie augenblicklich abhielten, ihnen in den
Garten zu folgen, wohin sie sich bei dem schönen
Wetter doch unzweifelhaft zu begeben gedächten.
„Ich werde schnell für den Nachmittagskaffee
sorgen," sagte sie. „Sobald er fertig ist, komme
ich nach und bringe den Vater und Hans mit."
So schritten die Beiden miteinander allein,
zuerst wortlos, durch die Gänge des herbstlichen
Gartens. Die Nachmittagssonne schftn warm
und ein milder Wind spielte mit den Blättern
der alten Obstbäume, die schon begannen, die
bunte Farbe der Jahreszeit anzunehmen.
Sie gingen neben einander, ohne sich anzu-
sehen, bis zur Laube, als zöge sie ein gemeinsamer
Wunsch nach dem kleinen Häuschen, das vor
Jahren so oft Zeuge ihreZ Glücks gewesen war.
Dort setzte sich Leonore in den Holzsessel, der an
der das Fenster bildenden Oeffnung stand, während
Wilhelm auf der Bank ihr gegenüber Platz nahm.
Ein breiter Streifen Sonnenlicht lag zwischen
ihnen, als ob er sie trennen wollte, und die
rothen Blätter des wilden Weins, der die Laube
bedeckte, spielten miteinander, leicht vom Herbst-
winde bewegt.
„Wir haben uns lange Jahre nicht gesehen,

Leonore," begann der Assessor, „thue ich Deinem
Herzen weh, wenn ich daran erinnere?"
Das Mädchen blickte zu ihm auf. Es lag
ein unbeschreibbarer Ausdruck von Schmerz über
ihr Gesicht ausgebreitet, aber der Ton ihrer
Stimme verrieth, daß sie gelernt hatte, ihn zu
bezwingen.
„Sprich getrost, ohne auf meine Empfindungen
Rücksicht zu nehmen, weiter," erwiderte sie fest.
„Wohin sollen zwei Unglückliche, die ohne ihr
Verschulden das reinste Glück verloren haben, das
ihnen gemeinsam gehörte, ihre Gedanken anders
bei einem Zusammentreffen nach überlanger Tren-
nung richten, als auf den Ausgangspunkt ihrer
Schmerzen, auf jene noch heute dunklen Ereignisse,
die sie mit einem Schlage auseinander gerissen
haben."
„Du bist ein muthiges Mädchen, Leonore",
antwortete er, weil Du Dich nicht scheust, Deine
Gedanken auf jene trüben Ursachen unserer Tren-
nung zu richten, die seither ohne Unterlaß meine
ganze geistige Thätigkeit, leider umsonst, in Anspruch
genommen haben. Laß uns ruhig noch einmal
mit einander die vorliegenden Thatsachen erwägen,
Denn ich darf doch wohl voraussetzen, daß man
Dir über alle einschlagcnde Verhältnisse vollkom-
mene Aufklärung gegeben hat?"
„Nein, Wilhelm, das ist nicht geschehen," ent-
gegnete sie, „und vielleicht trage ich daran die
meiste Schuld. Ich weiß nur, daß Dein Vater
beschuldigt wird, den Untergang des meinen her-
beigeführt zu haben."
„So laß mich Dir die ganzen Vorgänge im
 
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