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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 211 - No. 220 (7. September - 18. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44142#0273

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" Der Belagerungszustand in Prag.
Die Tschechen haben ein königliches Reskript
erhalten, aber nicht das von ihnen gewünschte, das
das böhmische Staatsrecht Herstellen soll, sondern
ein Reskript, das über Prag, die Kgl. Weinberge
und die Bezirkshauptmannschaft Smichow den Aus-
nahmszustand verhängt, demzufolge das Recht
der österreichischen Staatsbürger, sich zu versammeln,
Vereine zu bilden, sowie in Wort, Schrift, Druck
und bildlicher Darstellung ihre Meinung innerhalb
der gesetzlichen Schranken zu äußern eingestellt
wird.
Es war in eingeweihten politischen Kreisen
schon längst kein Geheimniß mehr, daß die Re-
gierung die Verhängung des Ausnahmszustandes
über Prag für den Spätsommer plane. Bereits
als der Reichsrath auseinanderging tauchten derlei
Gerüchte mit aller Bestimmtheit auf. Man hat
es also hier nicht etwa mit einer unerwarteten,
sondern mit einer woblvorbereiteten Aktion der
Regierung zu thun. Das Ministerium Taaffe ist
eben gewohnt, mit Ausnahmsverordnungen zu re-
gieren. Ueber Wien war bereits der Ausnahms-
zustand verhängt. Nun kommt Prag an die Reihe.
Den unmittelbaren Anlaß zu dieser Maßregel bieten
bekanntlich die jungtschechischen Ausschreitungen in
Prag, die in der letzten Zeit einen häßlichen anti-
dynastischen Charakter annahmen. Schon vor
einigen Wochen wurde um die Statue des Kaisers
Franz ein Strick gelegt und die Statue selbst ruch-
los besudelt. Besonders aber am Geburtstage des
Kaisers im verflossenen Monat wurden Broschüren,
Zettel u. dergl. mit aufrührerischem antidynastischem
Inhalt vertheilt. Was dabei auf Rechnung der
sozialistischen Hetze zu setzen ist, läßt sich schwer
feststellen. Jedenfalls aber ist eine strenge Son-
derung zwischen dem Konto der Jungtschechen und
dem der Sozialisten unmöglich, da sich beide Parteien
planmäßig in die Hände arbeiten. Die jung-
tschechische Wühlerei nahm nun immer größere
Dimensionen an. Die Bevölkerung wurde tat-
sächlich mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln
aufgewüblt, und in den letzten Wochen verging
beinahe kein Tag, an dem nicht in Prag eine
größere oder kleinere Demonstration vorgefallen
wäre. Die Jungtschechen trieben es nämlich ab-
sichtlich zum Ausnahmszustand, weil sie nun vor
der tschechischen Nation als Märtyrer dastehen und
sich darauf berufen können, daß Regierung und
Krone ihre Agitation für ihr theuerstes politisches
Kleinod: das böhmische Staatsrecht, mit der Ver-
hängung des Ausnahmszustandes beantworte.
Und die politischen Folgen dieser Maßregel?
Es ist ein großer Jrrthum des Grafen Taaffe und
des böhmischen Statthalters Thun, zu glauben, sie
würden durch kleinliche polizeiliche Maßregeln der
jungtschechischen Bewegung Herr werden.
Die jungtschechische Bewegung ist auf politische
Motive zurückzuführen und darum werden auch
nur politi sche, nie aber polizeiliche Mittel
sie einzudämmen vermögen. Eine starke Regierung,
die nicht wie die des Grafen Taaffe Schritt für

Schritt vor den Jungtschechen zurückweicht — das
ist das beste und einzige Mittel gegen die Jung-
tschechen._
Deutsches Reich.
Berlin, 15. September.
— Die Berathung der neuen Steuerentwürfe
dürfte noch längere Zeit erfordern. Es heißt, der
Zeitpunkt der Berufung des Reichstages
sei unabhängig von der Fertigstellung der Steuer-
entwürfe. Dem Reichstag würde zunächst der Etat
und eine andere Reihe von Entwürfen vorgelegt,
die ihn vollauf beschäftigen würden, so daß es ein-
tretenden Falles nicht von Belang wäre, wann die
Steuervorlagen zu einem späteren Zeitpunkt im
Reichstage erschienen. .
Stuttgart, 15. Sept. Fast sämmtliche Blätter
begrüßten das Kaiserpaar in sympathischen
Artikeln. Der amtliche „Staatsanzeiger" sagt
unter anderem: „Das verflossene erste Lustrum
der Regierung des Kaisers Wilhelm hat gezeigt,
daß er fest entschlossen ist, im Sinne seiner großen
Vorgänger, insbesondere seines allgeliebten, ehr-
würdigen Großvaters, zum Frommen des deutschen
Vaterlands das höchste Amt auszufüllen. Das
württembergische Volk schaut zu ihm auf mit festem
Vertrauen, es schätze seinen offenen, freien und
ritterlichen Charakter, freut sich seiner frischen,
kraftvollen Art, zu handeln; mit innigster Sym-
pathie nimmt es an seinem Familienglück Antheil,
und vor allem freut es sich der herzlichen Freund-
schaft, welche den deutschen Kaiser mit dem an-
gestammten Herrscher unseres Landes verbindet.
Aus aufrichtigstem Herzen ruft das württembergische
Volk dem Kaiser und seiner hohen Gemahlin heute
ein herzliches „Grüß Gott!" entgegen."
Stuttgart, 15. Sept. Um 7 Uhr fand gestern
Abend im Speisesaal des Residenzschlosses Fa-nilieu-
täfel statt. Um '/z9 Uhr begann der große Zapfen-
streich. Unter den Klängen des Pariser Einzugs-
marsches zogen sämmtliche Musikkorps des Armee-
korps in den Sckloßhvf, begleitet von 200 Soldaten
mit Magnefiumfackeln. Zehn Musikstücke wurden
mit glänzender Präzision ausgeführt. Die Fürst-
lichkeiten hörten vom Schloßbalkon zu. Als der
Kaiser erschien, ertönten stürmische Hochrufe. Alle
Wege und Plätze rings um das Schloß waren von
den Menschenmassen dicht besetzt. Der Schloßplatz
glänzte in festlicher Beleuchtung. Verschiedene
Privatgebäude, insbesondere Hotel „Marquardt"
waren prachtvoll illuminirt.
Stuttgart, 15. Sept. Die Kaiserparade
bei Cannstadt ist programmgemäß bei herrlichstem,
allerdings heißestem Wetter verlaufen. Seit früh
Morgens fand ein riesiger Menschenzufluß nach
dem Ererzierplatz statt. Eine riesige Tribüne war
erbaut, die den besten Blick über das Paradefeld
ermöglichte. Stundenlang harrte die Menge in der
glühenden Sonnenhitze aus, während die Parade
vor, sich ging. Das gesammte Württembergische
Armeekorps, von Wölckern kommandirt, war in
zwei Treffen aufgestellt. Nachdem der Kaiser und
der König die Front abgeritten, erfolgte ein zwei-

maliger Parademarsch. Der Kaiser führte dem
König sein Infanterie-Regiment Nr. 120 vor, der
König dem Kaiser sein Ulanen- und Dragoner-
Regiment. Es verlautet, der Kaiser habe sich sehr
lobend üöer die Haltung der Truppen ausgesprochen.
Nachher war Dejeuner bei der Herzogin Wera auf
Schloß Berg. Um 5 Uhr war Galatafel im Re-
sidenzschloß, Abends Festvorstellung im Hoftheater
(Tannhäuser).
Stuttgart, 15. Sept. Der Kaiser sprach sich
bei der Kritik höchst befriedigt über die heutige
Parade aus. Die Kaiserin legte heute einen
Kranz am Grabe der Königin Olga nieder.
Ausland.
Paris, 15. Sept. Dem „Temps" zu Folge
werden die Instruktionen der russischen Regierung
bezüglich des Besuchs des Geschwaders in Toulon
Sonntag oder Montag hier intreffen. Der Minister-
rath wird in Fontainebleau am 28. d. M. defini-
tive Beschlüsse fassen. Der russische Botschafter
Mohren heim hat auf eine Depesche des
Maires von Marseille, der bat, daß das russische
Geschwader über Marseille nach Toulon gehe, ge-
antwortet, daß er dem Admiral Avelane, dem Kom-
mandanten des Geschwaders, den Wunsch des Mar-
seiller Gemeinderaths bei der Ankunft in Toulon
übermitteln werde, da er die Instruktionen des Ad-
mirals nicht kenne. Der Botschafter spricht zu-
gleich dem Maire von Marseille den wärmsten
Dank aus. Der Gemeinderath von Ajaccio sprach
den Wunsch aus, daß Ajaccio als Station für das
russische Mittelmeer-Geschwader bezeichnet
werde._
Aus WcrH und Jern.
* Karlsruhe, 15. Sept. Der Verein Karls-
ruher Wirthe erläßt folgende Erklärung : Bei der
Bekanntmachung der Einquartierung hat der Ver-
ein in einer Versammlung beschlossen, daß die
Einquartierten gegen entsprechende Bezahlung gut
untergebracht und recht verpflegt werden sollten,
schon um das gute Renomee der Stadt nicht zu
schädigen. Da nun in einigen Wirthschaften die
Leute schlecht untergebracht waren, erklärt der
Verein Karlsruher Wirthe, daß sämmtliche Wirthe,
bei denen Obiges vorkam, nicht Mitglieder
des Vereins waren.
* Karlsruhe, 14. Sept. Als Kuriosum wird
mitgetheilt, daß ein sozialistischer Wirth gegen die
Belegung seines Hauses mit Einquartierung das
Bedenken erhoben habe, der Besuch seiner Wirth-
schaft sei den Soldaten verboten. Er erhielt
darauf seinen Einquartierungsantheil in Gestalt
von — Feldgendarmen.
* Mannheim, 15. Sept. Das sozialdemo-
kratische Wahlkomitee hat beschlossen, bei der am
Donnerstag, den 21. d. Mts. stattsindenden Er-
satzwahl von 6 Stadtverordneten auf 3 Jahre
die Herren Wilhelm Fulda und Karl Vogel auf
seine Vorschlagsliste zu setzen, um der demokra-
tischen Partei eine Vertretung aus dem Rathhause
zu sichern.

General


für Heidelberg und Umgegend

1«S3

Samstag, den 16. September

verantwortlicher Redakteur:
kserm. Streich.

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was in der Welt vorgeht und berücksichtigt
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Weine erste Weise.
Humoreske von Hermann Streich.
(Schluß.)
In Hornberg angekommm war mein erstes,
nach dem Gericht zu eilen, um dort von dem
Vorfall Anzeige zu erstatten. Ich hatte zwar ein
beträchtliches Schweigegeld erhalten, aber es war
mir ja förmlich aufgedrängt worden, und überdieß
erfüllte ich nur meine Bürger- und Christenpflicht,
wenn ich die Behörden aus jenes schändliche
Räubernest aufmerksam machte.
Mit ungläubigem Lächeln hörte der Amts-
richter meine Erzählung an, als ich aber geendet
hatte und nun irgend welche Schmeicheleien seitens
des Juristen erwartete, nahm er eine sehr ernste
Miene an und glaubte, mich dringend warnen zu
müssen, derartige Mittheilungen weiter zu ver-
breiten.
„Der Wirth", schloß der Beamte seine War-
nung, „in dessen in bestem Rufe stehendem Gast-
hause Sie dieses angebliche Abenteuer erlebt haben
wollen, ist ein angesehener, hochgeachteter Mann."
„Aber voriges Jahr ist dort doch einer um-
gebracht worden", antwortete ich erregt, „ich habe
es ja gehört, wie die Räuber es selbst sagten'"
„Sie sind aufgeregt, junger Mann", ent-
gegnete der Richter, „ich will einmal den Bezirks-
arzt rufen lassen."
Schon griff er zum Klingelzug und befahl
dem sofort eingetretenen Amtsdiener den Arzt
zu rufen.

„Wie?" rief ich verblüfft, „das soll doch nicht
heißen, daß Sie mich für verrückt halten?"
Ein Achselzucken, viel- und nichtssagend zu-
gleich, war die Antwort.
Der Gerichtsdiener kehrte bald mit der Nach-
richt zurück, der Herr Doktor sei nach auswärts
gerufen worden, werde aber bis zum Nachmittag
wieder zurück sein.
„Dann", wandte sich der Amtsrichter wieder
an mich, „muß ich Sie im Interesse Ihrer eigenen
Sicherheit schon bitten, hier zu bleiben."
Vergeblich suchte ich Einwendungen zu machen,
doch der Beamte schnitt mir kurz das Wort ab,
indem er dem Diener einen Wink gab, mich ab-
zusührcn — in Schutzhaft!
Es diente mir einigermaßen zum Tröste, daß
man mich wenigstens in einem anständigen Ge-
mache untergcbracht hatte, das in gar nichts an
ein Gefängnis; erinnert hätte, wenn das vergitterte
Fenster nicht gewesen wäre. Eswarwahrscheinlicheine
Art Honoratiorenarrest.
Wie lange ich, gepeinigt von den seltsamsten
Gedanken, in jenem Lokal gesessen habe, weiß ich
nicht mehr, so viel ist mir aber noch erinnerlich,
daß ich nahe daran war, in Wirklichkeit verrückt
zu werden. Ein Wunder wäre es gerade nicht
gewesen.
Endlich, spät am Nachmittage, that sich die
Pforte meines bnon rotiro wieder auf, und ich
wurde dem Amtsrichter vorgeführt, bei dem schon
der Arzt stand, der mich bei meinem Eintritt mit
einem ermutigendem Lächeln begrüßte, mich er-
suchend Platz zu nehmen.
Da, wie ich einen Stuhl vom Fenster weg-

nehmen wollte, sah ich einen der Banditen draußen
vorübergehen.
„Hier geht einer", rief ich, „lassen Sie ihn
doch festnehmen. Das ist derjenige, der mir das
Schweiggeld gegeben hat!"
Der Amtsrichter öffnete das Fenster und rief:
„He, Burkhardt, wollen Sic, bitte, einen
Augenblick zu mir hereinkommcn?"
Gleich darauf trat der Gerufene in das
Zimmer. Welche Frechheit, welche bodenlose Keck-
heit legte der Mensch an den Tag, mit keiner
Wimper zuckte er, als er meiner Person an-
sichtig wurde.
„Burkhardt", begann der Beamte sofort das
Verhör, „kennen Sie diesen Herrn hier?"
„Nicht näher", antwortete der Jnkulpat, „aber
ich traf ihn gestern und heute im Steigwirthshaus."
„Hat der. Herr von Ihnen Geld erhalten?"
Jetzt schwieg er betroffen.
„Aha", dachte ich, „jetzt wird er sich aufs
Leugnen verlegen."
„Müssen Sie denn das unbedingt wissen,
Herr Amtsrichter?" lautete die zögernde Antwort.
„Es ist dringend nöthig."
„Nun ja, ich habe dem Herrn im Auftrage
meiner Konsorten hundert Gulden gegeben, damit
er bei der heute Vormittag im Heiligenwald ab-
gefundenen Holzauktion nicht mitsteigern soll. Was
thut man nicht alles, um sich die Konkurrenz
vom Leibe zu halten!"
Der Amtsrichter, sowie sein ärztlicher Sach-
verständiger brachen in ein höllisches Gelächter
aus, der vermeintliche Rinaldo Rinaldini blickte

fragend von einem zum andern, und ich stand da
wie ein begossener Pudel.
Die von mir als Banditen angesehenen Holz-
händler hatten, wie es häufig vorkommt, eine
Art Ring gebildet, um das zur Versteigerung
kommende Holz möglichst billig zu erwerben. Da-
bei wird gewöhnlich nur von einem der Gesell-
schafter ein Gebot abgegeben, die anderen hören
schweigend zu oder bemühen sich, die Qualität des
Versteigerungsobjektes nach Kräften herabzusetzen.
Finden sich aber weitere Liebhaber ein, so werden
sie einfach mit einem gewissen Baarbetrag abge-
funden, und es kann eine fröhliche Preisdrückerei
losgchen. Das erworbene Gesellschaftseigenthum
verauktioniert dann das Konsortium unter sich
selbst zum zweiten Mal, woraus der Gewinn nach
Abzug etwaiger Abstandsgelder vertheilt wird.
Nach dieser Praxis war auch in diesem Fall ver-
fahren worden.
Und darum Räuber und Mörder!
Der Amtrichter entließ den Holzhändler ohne
ihm irgend welche Aufklärung gegeben zu haben.
„Behalten Sie die hundert Gulden ruhig",
sagte der Beamte lächelnd, als ich ihn dieserhalb
befragte. „Sie haben das Geld sauer genug
verdient."
Der Mann hatte so sehr recht, denn nicht um
viel Geld möchte ich nochmals eine solche entsetz-
liche Nacht durchmachen, wie damals auf jenem
Dache, von den qualvollen Stunden im Hornberger
Honorationenarrest gar nicht zu reden.
Als ich bald darauf als wohlbestallter Ver-
treter der Firma Eberhard Christoph Winkler
Söhne in Mannheim meine zweite Geschäftstour
 
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