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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 171 - No. 180 (22. Juli - 2. August)
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bis

Ich
ab-

feld ganz besonders daran gelegen, hier nicht das
Geringste zu versäumen.
Das Befinden der Frau Wienbrand besserte
sich in den ersten Tagen zwar nicht, aber es
wiederholte sich wenigstens kein apoplektischer An-
fall. Die eingetretene Lähmung aber blieb eine
dauernde und es war vorauszusehen, daß dieser
Zustand schwerlich sich jemals wieder heben werde.
Die Kranke bedurfte der gewissenhaftesten Pflege
und daß es ihr an dieser nicht fehlte, dafür
sorgte die Tochter mit unermüdlicher Ausdauer.
Wienbrand hatte dem Arzt mitgetheilt, daß
er seine beabsichtigte kleine Reise nunmehr auszu-
führen gedenke und der Doktor hatte ihm in
keiner Weise widersprochen. So kam ech daß der
Arzt am andern Morgen den Hausherrn abge-
reist sand und die Tochter allein bei der Mutter
antraf. Die Kranke, die gar nicht sprechen konnte,
war doch bereits im Stande, ihre Wünsche mit
der gesunden rechten Hand auf eine Schiefertafel
niederzuschreiben, und so war dem Doktor Ge-
legenheit geboten, eine wenigstens nothdürftige
Unterhaltung mit seiner Patientin zu führen.
Als er damit zu Ende gekommen war, begab er
sich nach dem Nebengemache, wo er in der Regel
seine Rezepte zu schreiben pflegte. Klara folgte
ihm dorthin nach.
„Wie finden Sie die Mutter heute, Herr
Doktor?" fragte sie.
„Den Verhältnissen nach recht leidlich", lautete
seine Antwort. „Wenn ich auch nur eine sehr
langsam vorfchrsitende Besserung zu konstatiren
im Stande bin, so berechtigt das doch immerhin
zu der Hoffnung einer endlichen, wenn auch noch

Dampfer, welche zur Verfolgung der Verbrecher
ausgesendet wurden, kaperten ein Fahrzeug mit
sechszehn Seeräubern. Unter den Opfern befindet
sich eine englische Familie mit Mann, Frau und
drei Kindern.
— Amerikanisch. Im Gasthof eines ameri-
kanischen Landstädtchens stieg ein feingekleideter
junger Mann ab, der den Damen auffallend den
Hof machte, bis eines Tages eine schöne Dame ein-
traf, welcher die anwesenden Herren ihre besondere
Aufmerksamkeit zuwendeten. Der Fremdling that
sich darin besonders hervor; ein Wort gab das
andere und der junge Mann erklärte rundweg, das
junge Mädchen gefalle ihm so gut, daß er sich an-
heischig mache, cs auf der Stelle zu heirathen. Als
die Anderen das bezweifelten, schlug er eine be-
deutende Wette vor. Nach der Annahme derselben
machte er der Dame einen Heirathsantrag, wurde
erhört und durch einen herbeigeholten Geistlichen
mit ihr getraut. Er steckte darauf sein gewonnenes
Geld ein und verschwand mit seiner Angetrauten
— die ganz einfach seine Frau war und ihm schon
oft in dieser Weise zum Gewinnen von Wetten
geholfen hat.
— Ein armer König. Der Negerkönig
Onitscha im Nigerdelta (Afrika) spielt eine höchst
traurige Rolle, weil er sich, der Etikette gemäß, nur
innerhalb eines fest bestitnmten Raumes bewegen
darf. Wenn er denselben überschreitet, muß sofort
ein Menschenopfer gebracht werden. Die Größe
des Raumes, in welchem der schwarze Potentat sich
bewegen darf, beträgt nur 4590 Ouadratfuß, er
ist dort eingesperrt wie ein Thier im zoologifchen
Garten. Sobald er einmal König geworden, er-
fährt er nichts mehr von allem, was in seinem
Lande vorgeht oder was sich in Onitscha ereignet.
Außerdem verbietet ihm das Herkommen, einen
Blick auf den Fluß zu werfen und die Aussicht
auf diesen ist ihm völlig versperrt.
— Eine Krönung auf dem Sterbebette.
Emir Abdurrahman von Afghanistan wurde kürzlich
von seiner Favoritin, der 18jährigen Odaliske Bint
El-Kemr (Tochter des Mondes) mit einem hübschen
Töchterchen beschenkt. In seiner großen Freude
versprach er der Mutter, sie demnächst zu seiner
Chadine (rechtmäßigen Gattin) zu machen und sie
demgemäß nach orientalischer Sitte feierlich zu
krönen. Mit den Vorbereitungen zur Krönung
wurde auch sogleich begonnen. Mittlerweile er-
krankte jedoch Bint El-Kemr und sie füblte sich
bald dem Tode nahe. Um nun der Sterbenden
gegenüber sein Wort einlösen zu können, begab sich
der Emir mit seinem Hofstaate an deren Kranken-
lager und setzte ihr hier feierlich die Krone auf.
Wenige Stunden nachher hauchte Bint El-Kemr
ihrenGeist aus. Sie wurde mit allen Ehren einer
Cbadine zu Grabe getragen.

haben, die Zusammengehörigkeit von uns Beiden
noch mehr befestigt und gekräftigt."
„Haben Sie niemals daran gedacht, mein
Fräulein," versetzte er, „daß der Tag nicht fern
fein werde, wo dieses innige Verhältniß zwischen
Mutter und Kind die natürliche, dem Lebens-
gange eines jungen Mädchens entsprechende Lösung
werde finden müsse? Das elterliche Nest ist kein
Heim für ein junges Mädchen."
Sie erröthete tief, allein sie antwortete ohne
Ziererei und mit voller Natürlichkeit:
„Das Geschick hat mich vor solchen Gedanken
bis zu dieser Stunde gütig bewahrt, ja, ich darf
offen gestehen, daß sich in mir noch niemals der
Wunsch nach einer Veränderung meiner Lage ge-
regt hat. So wie ich war, so war ich glücklich
und es schien mir kaum, daß mir das Leben noch
mehr bescheeren könne."
„Und doch wird die Stunde nicht fern sein",
entgegnete er, „in welcher sie sich aller dieser
Ihnen jetzt so theuren Dinge nur wie an einen
verschwundenen Traum erinnern werden und
Ihnen ein Glück aufgeblüht sein wird, das nur
allein Ihre ganze Seele erfüllt. Wenn uns bis
dahin das Schicksal nicht wieder auseinander-
reißt, mein Fräulein, so werde ich mir den Ein-
tritt dieses Augenblickes von Ihnen selbst bestä-
tigen lasten."
Und damit empfahl er sich, nachdem er ver-
sprochen hatte, noch einmal nach Frau Wien-
brand zu sehen, sobald der Abend heranrückte.
(Fortsetzung folgt.)

7. Kapitel.
Das Wienbrand'sche Haus sah den jungen
Arzt in der nächstfolgenden Zeit täglich wieder-
holt. Es beherbigte eine sehr schwere Kranke,
und wie sich denken läßt, war Doktor Schwanen-

bin daran gewöhnt, harte Schicksalsschläge mit
Geduld zu ertragen. Nur das Eine bitte mir
nicht vorzuenthalten: wird die Leidende ein langes
Krankenlager haben, oder wird ihre Auflösung
rasch erfolgen. —"
„Das entscheidet sich voraussichtlich in den
nächsten Tagen", lautete die Antwort des Doktors.
„Uebersteht sie diese, ohne daß sich jene gefähr-
lichen Erscheinungen wiederholen, so ist überhaupt
begründete Hoffnung vorhanden, daß wir sie mit
dem Leben durchbringen."
„Ich danke Ihnen, Herr Doktor", entgegnete
Wienbrand, „und will mir nur erlauben, meine
Ihnen selbst vielleicht etwas eigentümliche Frage
näher zu begründen. Ich bin Geschäftsmann und
als solcher häufig genöthigt, zur Regelung meiner
Angelegenheiten öfter Tage lang vom Hanse ab-
wesend zu sein. Jetzt gerade liegen für mich
Zwingende Gründe vor, eine größere Reise zu
unternehmen, wenn sie sich auch zunächst nur auf
die Umgegend der Stadt erstrecken wird,
möchte aber natürlich nicht gern vom Hause
wcseud sein, wenn ..."
Er stockte und seufzte wieder.
„Warten Sie damit vorläufig drei Tage,
dahin werden wir wissen, wie es mit der Kranken
steht", erwiederte der Arzt. Und damit trennten
sie sich.

sind, kann Herr Michael Geier, Besitzer der Brauerei
zum Birnbaum feiern, indem ihm am Samstag
das 25. Kind geboren wurde. Wir gratuliren!
' Von der Bergstraße, 1. Aug. Die Ge-
treideernte wurde im Laufe der Woche vollenrs gut
unter Dach und Fach gebracht, so daß kommenden
Sonntag der Erntebraten auf dem bäuerlichen Tisch
dampfen wird. Das Ernteergebniß ist befriedigend
und hat die Erwartungen übertroffen, da man eine
Mittelernte gemacht hat. Wenn auch das Stroh,
besonders die Gerste, kurz blieb und die Garbenzahl
etwas gering ausfiel, die Körner sind voll und
mehlreich und werten ein gutes, weißes Mehl geben.
Die übrigen Feld- und Gartengewächse entwickeln
sich immer besser, wodurch der Futtermangel im
Augenblick etwas beseitigt ist. Im Allgemeinen
dürfen unsere Landwirthe mit dem Stand ihrer
Felder, abgesehen vom Futter und Streumangel,
zufrieden sein da zudem eine reiche Obst- und
Kartoffelernte in Aussicht steht und damit noch
schöne Einnahmen erzielt werden. Auch die Wein-
berge versprechen einen guten Herbst.
* Mosbach, 31. Juli. Erzbischof Dr. Roos
wird nun in hiesiger Stadt Mitte September das
hl. Sakrament der Firmung spenden. Zu dem
nach Würzburg geplanten Pilgerzug zu Ehren des
goldenen Papstjubiläums hat sich bereits eine statt-
liche Theilnehmerzahl angemeldet.
* Wiesenthal (A. Bruchsal), 31. Juli In
der am Sonntag im Gasthanse zum Hirsch abge-
haltenen Versammlung des hiesigen Militärver-
eine wurde die Neuwahl des Vorstandes vorge-
nommen und wurde als solcher der bisherige
Vereinsvorstand Herr Bürgermeister Meier ein-
stimmig wieder gewählt. — Auch in unserem
Orte scheint ein gefährlicher Gast, die Diphte-
ritis Einkehr halten zu wollen. Dieselbe for-
derte in kurzer Zeit 3 Menschenleben, meistens
Kinder von 7 bis 12 Jahren.
" Pforzheim, 1. Aug. In der gestern statt-
gefundenen Ergänzungswahl eines Stadtverordneten
der dritten Wählerklasse wurde der vom sozial-
demokratischen Wahlkomitee aufgestellte Goldarbeiter
Wilhelm Roller gewählt. Roller erhielt 870
Stimmen. Der Gegenkandidat der bürgerlichen
Vereinigung, Verwalter Josef Schuler, erhielt 329
Stimmen.
* Allmannsweier (A. Lahr), 31. Juli. Am
letzten Donnerstag ereignete sich laut „L. Z."
ein bedauernswerther Unglücksfall in der Kies-
grube, indem durch eine losgelöste Kiesschichte
zwei Arbeiter verschüttet wurden, wobei der eine
eine Unterschenkelbruch erlitt und der andere eine
innerliche Bauchverletzung. Die Verunglückten
wurden sofort in das Krankenhaus nach Lahr
verbracht, wo der eine, Andreas Wenz, bereits
an seinen inneren Verletzungen gestorben ist.
Wenz ist Vater von vier Kindern.
* Aus der bad. Pfalz, 1. Aug. Das jetzige
feuchtwarme Wetter fördert das Wachsthum der
Spätfrüchte ungemein. Besonders gut entwickelt
sich der Tabak, der so rasch, wächst, daß die Leute
schon fürchten, er könnte zu groß und üppig werden,
eine Erscheinung die man sonst überall mit Freuden
begrüßen würde, die bei, diesem Artikel aber nicht
gern gesehen wird, weil der Preis infolge dessen
sofort erheblich sinkt. Zu kräftig entwickelt ist fast
so schlimm, als wenn er zu klein bleibt.
* Ludwigshafen, 31. Juli. Maurerlehrling
Andreas Breinig war heute Nachmittag auf einem
Schornstein der Badischen Anilin- und Sodafabrik,
der abgerissen werden soll, beschäftigt. Während
der Arbeit fiel nun Breinig aus einer Höhe von
30 Meter herab und stürzte sich dadurch die Hirn-
schale ein. Nach wenigen Augenblicken war der
Junge eine Leiche. — Auf ein 17jähriges Mädchen
wurde in der verwichenen Nacht ein unsittliches
Attentat verübt bezw. versucht. Als der That
verdächtig wurde der ledige Feilenhauer Jos. Flor
in Untersuchungshaft genommen.
* Mutterstadt, 31. Juli. Ein Dienstmädchen,
das ohne Kenntniß seiner Dienstherrschaft Abends
ausging und wahrscheinlich zu später Stunde zu-
rückkehrte, wollte, um unbemerkt in ihr Zimmer zu

schreibt man dem„RH. K." : Die Trauben entwickeln
sich nach den Niederschlägen der letzten Woche un-
gewöhnlich rasch. Die Beeren füllen sich auffallend
und haben jetzt schon eine bewunderungswürdige
Ausdehnung erlangt, Von Traubenkrankh eit keine
Spur. Weiche Trauben sind uns keine Seltenheit
mehr. In bevorzugten Lagen im „Berge" fanden
wir sogar Riesling-Trauben, die in ihrer Reife
schon so weit vorgeschritten, waren, daß wir sie
versuchen konnten. Ihr Zuckergehalt war merklich
erkennbar und berechtigt zu den schönsten Erwartungen.
Eine solche erfreuliche Thatsache war wohl kaum
in früheren guten Weinjahren schon im Juli zu
verzeichnen. Die meisten Weinberge liefern einen
recht reichlichen Ertrag, und wenn die Witterung
dem Weinstocke auch ferner so günstig bleibt, wie
bisher, wird das Jahr 1893 in der Weinchronik
eine hervorragende Stellung einnehmen.
— Einen aufregenden Augenblick hat die
Begegnung zweier Berliner im Thüringer Walde
mit sich gebracht. Der Fabrikant C. hatte sich in
Friedrichsroda einquartirt, um von hier aus die
herrlichen Waldungen Thüringens zu durchstreifen.
An einem Tage der vergangenen Woche war er auf
einer Fußwanderung in die Nähe des Bades Lieben-
stein gelangt und hatte sich zur Rast, auf einem
Felsen niedergelassen. Da plötzlich rauschte es hinter
ihm: ein vornehm aussehender Herr trat hinzu und
redete ihn mit den Worten an: „Was meinen Sie,
wenn ich mich von diesem Felsen aus in die Tiefe
stürze?!" C., der sofort merkte, daß er es mit einem
Irrsinnigen zu thun habe, wollte ihn von dem Vor-
haben zurückhalten; jener aber lachte grell auf und
fügte hinzu: „Ich reiße Sie aber mit hinab!"
Als der Geisteskranke, ein Berliner Millionär, wirk-
lich Miene machte, den ruhenden Wanderer anzu-
greifen, nahm Letzterer zu einer List eine Zuflucht.
„Sie haben ganz Recht," entgegnete er, „ich springe
mit in den Abgrund; ich kenne aber einen Felsen
hier in der Nähe, der noch viel höher ist, als dieser
hier, und wir wollen gleich dorthin gehen." Mit
unheimlichem Grinsen gab der Irre seine Zu-
stimm uug, und C. war im Begriffe, seine Person
aus der gefährlichen Umgebung zu retten, als sich
die Büsche theilten und zwei Wärter erscheinen
ließen, die sich des Kranken bemächtigten.
— Zn einem vegetarischen Speisehause in
Berlin ereignete sich dieser Tage ein unerhörter Vor-
fall. An einem der Tische hatte ein älterer Herr,
der schon seit längerer Zeit in dem Lokale verkehrt,
Platz genommen und sich eine der üblichen Kraut-
speisen bestellt. Plötzlich machte sich unter den
übrigen Gästen eine Bewegung bemerkbar. Ent-
rüstete Stimmen riefen nach dem Wirth und als
dieser herbeigeeilt war, wurde die ungeheuerliche
Thatsache festgestellt, daß der angebliche Vegetarier
als Zuthat zu der Krautspeise eine — saftige
Gänsekeule, die er eingeschmuckelt hatte, verzehrte.
Nach Verlauf von noch nicht fünf Minuten war
der Mann, der seinen Magen zur „Begräbnißstätte
für Thierleichrame" gemacht und die heiligen Hallen,
wo man das Fleisch nicht kennt, entweiht hatte,
zu einem Leidensgenossin des „Herrn, der das
Lokal verlassen hat" geworden.
— Selbstmord eines Stadtrathes. Aus
Graz wird vom 28. Juli gemeldet: Heute Mor-
gens 4 Uhr stürzte sich Stadtrath Willibald Locker
von seiner im dritten Stock eines Hauses in der
Neuthorgasse gelegenen Wohnung in den Hofraum
und blieb mit zerschmetterten Gliedern todt auf dem
Platze liegen. UnglücklicheFamilicnverhältnisse dürften
das Motiv des Selbstmordes sein.
* Der Ueberfall des Dampfers „Rajah".
Die Einzelheiten bezüglich des schon kurz gemel-
deten Neberfulles des hölländischen Dampfers
„Rajah" durch atchinesische Seeräuber lauten
grauenhaft. Die Seeräuber schnitten dem Kapitän
Hansen Ohren und Nase ab, stachen ihm die
Augen aus und warfen den verstümmelten Leich-
nam ins Meer. Die übrigen 40 Mann Besatzung
wurden in ähnlicher Weise gemartert und ermordet.
Die geraubten Maaren präsentirteu einen Werth
von zwei Millionen Gulden. Der Dampfer fuhr
von Penang nach Peking. Drei holländische

gelangen, durch ein mit Gitterstäben versehenes,
offenstehendes Fenster schlüpfen, blieb aber mit dem
Kopfe darin stecken und konnte weder vor- noch
rückwärts. In dieser Zwangslage wurde es am
folgenden Morgen anfgefunden. Rasch wurde ein
Schlossermeister herbeigeholt, welcher die Eisinstäbe
durchsägte und dadurch die Gefangene befreite.
* Darmstadt, 1. Aug. Das 21. mittel-
rheinische Kreisturnfest verlief bei seinen großartigen
Vorbereitungen trotz der nicht sehr günstigen Witte-
rung bisher vorzüglich. Namentlich bot der gestrige
Festzug einen herrlichen Anblick. Das heutige
Einzelwettturnen wies große Leistungen auf. Das
Bankett in der Festhalle mit zahlreichen Trink-
sprüchen auf den Kaiser, den Großherzog, das
Vaterland, die Festgäste und theilnehmenden Vereine
befriedigte sehr. Morgen beginnt das Wettfechten
und Wettringen.
* Ulm, 31. Juli. Die Untersuchung gegen
den Lragonerlieutenant Bopp II. wegen des Vor-
falls in der Frauenstraße hat am Samstag vor
dem Audidoriat hier begonnen und wird heute
fortgesetzt.
* Berlin, 31. Juli. Bei den diesjährigen
Herbstmanövern wird eine umfangreiche Verwendung
von Kriegshunden bei den Jäger- und Schützen-
bataillonen erfolgen, nachdem die Behandlung und
Dressur solcher Hunden besonders günstige Ergebnisse
gehabt haben. Zunächst soll der Kriegshund im
Aufklärungs und Sicherheitsdienst, zum Ueberbringen
von Meldungen vorgesandter Patrouillen, zur Unter-
stützung der Posten und zur Aufrechterhaltung der
Verbindung zwischen Posten und Feldwachen, sowie
zwischen andern Theilen der Vorposten gebraucht
werden. Die Verwendung zum Aufsuchen Ver-
mißter wird nur in ganz beschränktem Maße be-
absichtigt, zumal sich nicht alle Hunde zu dieser
Abrichtung eignen. Bei unserem Jägerbataillonen
werden für militärische Zwecke vornehmlich Hühner-
hunde, Pudel und Schäferhunde abgerichtet; aber
es kommt bei der Auswahl solcher Hunde weniger
auf die Rasse an, der der Hund angehört, als darauf,
daß das Thier reines Blutes ist und die für den
Kriegshund erforderlichen Eigenschaften besitzt. Durch
die Inspektion der Jäger und Schützen ist eine
Vorschrift fürBehandlung, Dressur und Verwendung
der Kriegshunde herausgegeben worden, nach welcher
bei den Jägerbataillonen nicht allein die Abrichtung,
sondern auch die Aufzucht von Kriegshunden zu
erfolgen hat, so daß nunmehr außer dem Pferde
auch die Taube und der Hund in den Militär-
dienstübernommen werden, womit das Thiereich wohl
sein ganzes Kontingent für Militärzwecke gestellt
baben dürfte._
WermischLes.
— Thierquälerei. In München hat ein
früherer Stallmeister vor seinem Weggang in einem
Reitinstitute an der Augustenstraße zwei Pferden
die Zungenspitzen ab geschnitten. Die
Pferde konnten deshalb nicht recht fressen und
magerten ab. Eines derselben läßt sich vor lauter
Angst nicht mehr an den Kopf langen.
— Eine ernste Gefahr droht, wie aus Rhein-
hessen gemeldet wird, dem Stand der Weinberge,
insbesondere aber den bereits reifenden Früh-
burgundertrauben in der allenthalben massenhaft
auftretenden Wespe. Das Insekt sticht des Zucker-
stoffes halber die Beeren an, worauf dieselben aus-
laufen und zur dürren Hülle eintrocknen. In
gleicher Weise wie die Trauben, schädigt die Wespe
auch verschiedene Obstsorten, wie Pflaumen, Apri-
kosen und Mirabellen. Zur Vernichtung des un-
gebetenen Gastes haben denn auch eine Reihe von
Gemeinden Maßregeln getroffen. Seitens der
Bürgermeistereien sind die Einwohner aufgefordert,
das Insekt zu tödten, einzusammeln und dann
gegen eine Vergütung aus der Gemeindekasse an
bestimmte Stellen abzu liefern. So zahlt z. B. die
Gemeinde Nieder-Jngelheim für den Liter getödteter
Wespen 1 Mk. und für deren Nestrose 25 Pfg.
Diesen Gelegenheitsverdienst machen sich die Orts-
eingesessener sehr zu Nutzen.
— Das^Weinjahr 1893. Aus Nüdesheim

Lokale MiLLHeilungen
aus Stadt und Amt Heidelberg.
Heidelberg, 2. August.
* Die Ehrenpreise für die in diesem Monat
hier stattfindende bienenwirthschaftliche Ausstellung sind
seit gestern im Schaufenster des Herrn Kaufmann C.
Garbrecht in der Hauptstraße hier ausgestellt. Neben
den goldenen Preismedaillen und den Ehrengaben
mehrerer hiesiger Einwohner fällt besonders die Ehren-
gabe der Stadt Heidelberg, ein prächtiger silberner
Tafelaufsatz, in die Augen, ebenso die Ehrengabe des
Großherzogs, ebenfalls ein Tafelaufsatz, diejenige
der Gro Herzogin, eine Fruchtschale in Altsilber,
die bekanntlich für eine Imkerin bestimmt ist, sowie
eine silberne Fruchtschale von dem Reichstagsabgeord-
neten Herrn Konsul Weber. Außer den bereits ausge-
stellten Ehrengaben find indessen noch weitere in Aus-
sicht gestellt.
* Ein erster Preis wurde bei der vorgestern in
der akademischen Frauenklinik vorgenommenen Heb-
ammenprüfung der Frau Marie Sch ley hierzuerkannt.
* Die Burschenschaft „Aüemannia" hielt vor-
gestern Abend in ihrem Vereinßhause ihren großen
Sommerkommers ab, an welchen sich gestern Mittag
in 32 Wagen eine Ausfahrt durch die Stadt nach Ziegel-
hausen anschloß, von wo aus die Rückfahrt in Schiffen
angctreten wurde. Heute Mittag vereinigen sich die
Allemannen in der Hirschgasse zu einem Festessen, dem
Abends ein Ball im Allemannenbause folgt.
* Der Mannheimer Ruderverein Amicitia
unternahm am Sonntag mit 4 Boten eine Vergnü-

in ziemlicher Ferne liegenden wenigstens theil-
wcisen Genesung."
' „Sagen Sie das nur, um mir einen Theil
meiner Sorge abzunehmcn, oder ist es Ihre
wahrhaftige ärztliche Ueberzeugung?" ragte sie.
„Sie verkennen mich", entgegnete er, „wenn
Sie annehmen, es läge in meiner Absicht, Ihnen
gegenüber mit der Wahrheit zurückzuhalten. Ich
habe das allerdings bei meinem ersten Besuche,
also zu einer Zeit gethan, wo nach menschlichem
Ermessen die Verhältnisse erheblich schlimmer
lagen, als in diesem Augenblicke; damals hatte
ich selbst so gut wie keine Hoffnung, daß sich der
Zustand Ihrer Mutter einer Besserung zuneigen
würde, aber ich würde es für einen Frevel ge-
halten haben, wenn ich in jener ernsten Stunde
Ihr junges Herz mit Befürchtungen angefüllt
hätte, die sich jetzt fast als gegenstandslos er-
wiesen haben."
„Ihnen danke ich es, Herr Doktor," erwiderte
sie mit einem innigen Blick, indem sie ihm mit
Herzlichkeit die Hand reichte.
„Sie find ein liebes und braves Kind, mein
Fräulein," entgegnete er, ohne daß er ihre Hand
los ließ, denn es war ihm, als ob ans diesen
zarten Fingern ein eigenthümlichcs aber beseligen-
des Feuer nach seinem Herzen ströme, „gewiß
lieben Sie Ihre Mutter sehr."
„Sic ist mir das Theuerste, was ich auf der
Erde habe," antwortete sie. „Ich bin unter ihrer
Aufsicht allein aufgewachsen und nun ich älter
geworden bin, hat unsere Zurückgezogenheit von
der Welt und ihren Freuden, zumal wir hier in
der Stadt weder Verwandte noch nähere Bekannte
 
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