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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 231 - No. 240 (30. September - 11. Oktober)
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Steuersystems, aufsteigende Staffelsteuer, Eisenbahn-
reform. Es folgen sodann auch einige reine Agi-
tationsforderungen, wie Besserstellung der kleinen
Beamten und Normalarbeitstag für diese Armenunter-
stützung ohne Verlust der politischen Rechte.
* Mannheim, 30. Sept. Die freisinnige Frak-
tion der Stadtverordneten hat gestern Abend ein-
stimmig beschlossen, bei der Stadtverordneten-Vor-
standswahl ihrerseits Herrn Kaufmann Mar Stock-
heim, dem Wunsche der sozialdemokratischen Frak-
tion entsprechend Herrn Installateur Herm. Barber
und außerdem drei nationalliberale Herren in Vor-
schlag zu bringen. Nach Ansicht der Fraktion sei
es ein Gebot der Gerechtigkeit, daß den fast ein
Drittel des Kollegiums bildeten Sozialdemokraten
ein Sitz im Stadtverordneten-Vorstand eingeräumt
werde, auch erhoffte man davon ein einträchtiges
Zusammenwirken aller Parteirichtungen zur er-
sprießlichen Erledigung der Geschäfte. Die national-
liberale Fraktion der Stadtverordneten ist dagegen
nicht gesonnen, den Sozialdemokraten einen Sitz
im Stadtverordneten-Vorstand zuzugestehen, will
vielmehr sämmtliche 5 Mitglieder des seitherigen
Vorstandes Wiederwahlen.
* Rockenau, 28. Sept. Leider muß heute
wieder über einen Unglücksfall berichtet werden.
Der allgemein geachtete und fleißige Taglöhner
Heinrich Jakob siel beim Obstschütteln vom Baum
und stürzte kopfüber so unglücklich auf unten
liegende Steine, daß an seinem Aufkommen ge-
weifelt wird.
* Wertheim, 28. Sept. Um die Mittags-
stunde des heutigen Tages entschlief hier, nach
langem, sehr schweren Leiden der in den weitesten
Kreisen auch über unser Baden hinaus bekannte
Herr Alfred, fürftl. Löwenstein-Wertheim-Rosen-
bergischerRendamtmanna.D. Indem Verblichenender
schon seit einigen Jahren als fürstl. Domänenrath in
den Ruhestand getreten, der aber noch immer —
auch schriftstellerisch — thätig war, verliert neben
unser Stadt besonders die Landwirthschaft einen
ihrer eifrigsten Förderer und Berather der nament-
lich ein fleisiger Mitarbeiter am „Landwirthschaft-
lichen Wochenblatt", aber auch an anderen land-
wirthschaftlichen Fachzeitschriften war und dem un-
streitig die Landwirthschaft manches Gute verdankt.
" Berlin, 30. Sept. Aus Posen wird der
„Post" gemeldet: Ein sensationeller Selbstmord
ereignete sich im Warschauer Bezirkskriegsgericht.
Nun? Verhandlung wurde der Artillerie-
Hauptmann Tomaszewiez wegen Urkundenfälschung
und Mißhandlung eines Wachtpostens zur Ver-
bannung nach Sibirien, Verlust des Ranges, der
Standesrechte und Orden verurtheilt. Nach Ver-
kündigung des Urtheils zog Tomaszewicz Plötzlich
einen Revolver und schoß sich in den Kopf. Er
war sofort todt.__
Wermifchtes.
— Deutschlands ältester Mäuuergesaug-
Vereiv. Der Gesangverein zu Weida in Thüringen,
beging am 23. und 24. September sein 75jähriges
Bestehen auf festliche Weise. Als vor einigen
Wochen bekannt wurde, daß der Verein eine Jubel-
feier veranstalten wollte, meldeten sich andere, die
auf ein längeres Bestehen zurückblicken zu können
glaubten. Es hat sich aber ergeben, daß kein
anderer Männergesangverein ein höheres Alter auf-
zuweisen hat. Der Weidaer Verein ist im Jahre
1818 von achtzehn Bürgern, an deren Spitze ein
vortrefflicher Musiker, der damalige Kantor Werner
stand, gegründet.
— Worüber mau sich in Bamberg freut.
Ueber die letzte Sitzung des Magistrats von Bam-
berg veröffentlichen die dortigen „Neuesten Nach-
richten" einen Bericht, in dem es wörtlich heißt:
„Zur erfreulichen Kenntniß dient, daß die Schüler-
zahl an den Volksschulen dahier im Ganzen nur
um 88 Schüler zugenommen hat, und zwar er-
gab sich diese Mehrung im 3. und 4. Distrikt,
während im 1. und 2. Distrikt die Schülerzahl
etwas abgenommen hat. Die gesammte Schüler-
zahl an den Volksschulen betrug am 1. September
ac. 5382." — Während man anderwärts den

und glücklich. Wir haben eine sehr angenehme
Gesellschaft in der Grafschaft, und wenn ich mich
zuweilen einsam fühle, so wird das jetzt nicht mehr
sein, wenn ich Dich zur Gesellschaft haben werde."
„Aber meine Liebe, ich bin noch nicht fertig
mit meinen Fragen an Dich. Ich habe Dir eine
wichtige Frage zu stellen. Du bist für immer
nach England zurückgekehrt; bist Du mit freiem
Herzen zurückgekommen?" Und die Baronin ver-
rieth in ihrem Wesen, wie angstvoll sie diese
Frage stellte.
„Ja, Tante Folliot, mein Herz ist frei." Lady
Folliot athmete erleichtert auf.
- „Ich habe einen Plan für Deine Zukunft",
sagte sie milde. „Ich habe Dir ein glänzendes
Loos bestimmt — eines, das Dein Glück sicher-
stellen und Deinem Stolze schmeicheln wird. Wie
ich es bereits in meinen Briefen andeutete, habe
ich Dir einen Gatten ausgesucht. Hast Du für
Deine Person irgend einen Grund, warum Du
ihn nicht heirathen solltest?"
Das Mädchen senkte verschämt die Augenlider.
„Gar keinen", sagte sie leise und schüchtern.
„Um so besser. Vielleicht bin ich voreilig in
meinem Vertrauen, Nerea, aber ich will, daß Du
meine Hoffnungen und Wünsche kennst, ehe wir
nach Folliot Court kommen. Diese Angelegenheit
ist für mich von höchster Wichtigkeit."
Sie hielt inne, denn es wurde an die Thüre
geklopft. Ein Diener trat ein, um den Tisch zu
decken.
„Ich werde auf mein Zimmer hinüber gehen,
um meine Toilette etwas zu verändern, Nerea",
sagte die Baronin. „Meine Kammerfrau er-

Schulbesuch möglichst zu fördern sucht und in der
Zunnahme der Schülerzahl ein erfreuliches Symp-
tom gesunder Entwickelung erblickt, scheint man
in Bamberg eine Erscheinung dieser Art für eine
öffentliche Kalamität zu halten. Wir schlagen
dem Magistrat von Bamberg vor, das erfreuliche
Ereigniß der geringen Schülerzunahms durch ein
Volksfest, eine Illumination der Stadt und Prä-
gung einer Medaille feierlich zu begehen.
!— Blinde Passagiere. In Hamdurg schwebt
bekanntlich seit einiger Zeit eine umfangreiche Unter-
suchung wegen Betruges und aktiver sowie passiver
Bestechung gegen eine Anzahl Hamburger und
Berliner Viehhändler, sowie mehrere Eisenbahn-
schaffner. Es handelt sich um planmäßige, be-
trügerische Ausnutzung von Rundreise- und Rück-
fahrkarten. Die Untersuchung ist nunmehr ge-
schlossen und die Anklage erhoben worden. Sie
richtet sich gegen fünfzig Angeklagte, von denen ein
Theil gegen mehr oder minder hohe Bürgschaft auf
freiem Fuße belassen worden ist. Da die meisten
Angeklagten die zur Anklage stehenden Thatsachen
an sich zugeben, so wird ein umfangreicher Be-
weisapparat nicht in Bewegung gesetzt zu werden
brauchen. Der Hauptbelastunzszeuge ist der Kri-
minalkommissarius Zillmann aus Berlin, welcher
die polizeilichen Ermittelungen in dieser etwas ver-
wickelten Angelegenheit in Händen hatte. Die
Hauptverhandlung wird im Dezemberstattfinden.
— Von einem neugierigen Tobten wird aus
Budapest Folgendes berichtet: Der im Hause Nr.
3 der Podmanitzkygasse wohnende Sattler Karl
Lehotzky wurde vor etwa zwei Wochen vermißt.
Einige Tage später zog man pinen Leichnam aus
der Donau, welchen man als denjenigen des ab-
gängigen Lehotzky agnoszirte. Für Sonntag Nach-
mittag wurde das Leichenbegängniß anberaumt. Der
Deputationen einiger Humanitätsvereine, deren Mit-
glied Lehotzky war, waren mit den Vereinsfahnen
erschienen und sogar die Mitglieder eines Veteranen-
vereins waren mit der Musikkapelle in voller Pa-
rade ausgerückt. Die Trauerzeremonie war zu Ende,
die Veteranenmusik rüstete sich zum Abmarsch und
wollte die Beethoven'sche Trauermelodie anstimmen,
als ein Mitglied einer Tischgesellschaft, zu der
Lehotzky zählte, vortrat und in beredten Worten
von dem datnngeschiedenen Genossen ergreifenden
Abschied nahm. Die Rede wirkte auf die Anwe-
senden umsomehr, als sie an dem Redner eine
außerordentliche Ergriffenheit zu bemerken glaubten.
Derselbe stockte plötzlich in dem Nachruf, sein Ge-
sicht wurde von einer fahlen Bläße überzogen, der
Schweiß perlte ihm von seiner Stirne, bis er nach
einigen bangen Sekunden den Arm erhob und mit
dem Zeigefinger nach einer Stelle vor sich hin-
wies. . . . Viele folgten dieser Bewegung und man
denke sich das Erstaunen fast Aller, als mitten
unter den Anwesenden der Mann bemerkt wurde,
gesund und unversehrt. Denn in dem Tobten war
er irrthümlich erkannt worden. Er war, ohne seine
Hausleute zu verständigen, wegen einer Arbeit nach
Szegedin gereist, in dem Glauben, daß er bald
zurückgekehrt sein werde; allein die Sache zog sich
in die Länge und er blieb weit über eine Woche
aus, worauf denn die arme gute Hausmeisterin,
die er noch immer ohne Nachricht gelassen, sein
Verschwinden zu Anzeige brachte. Als er nun Sonn-
tag eintraf, erfuhr er von dem Leichenbegängnisse
das man ihm veranstallten wollte, und er wohnte
demselben bei, um zu erfahren, wer ihm wohl das
letzte Geleite geben werde. Der fremde Leichnam
wurde begraben, doch die Bestattungsunternehmung
forderte die Kosten für die unterbrochene Leichenfeier!
Zwei Vereine, deren Mitglied er war, halten sich
nicht für verpflichtet, dieselben zu bezahlen, da Le-
hotzky noch am Leben sei. Dieser hinwieder erklärte
sich für unschuldig daran, daß er — noch nicht ge-
storben !
— Eine aufsehenerregende Szene spielte
sich am 26. Sept. Nachts in' der Königsgasse in
Budapast ab. In einem Hause dort ging ein
Mann im Hemde auf dem Fenstergesimse auf und
ab. Das erschreckte Publikum verharrte in tiefer
Stille, um den „Mondsüchtigen" nicht zu wecken.

wartet mich dort und in einer Viertelstunde bin
ich wieder bei Dir. Und heute Abend, mein
liebes Kind, wollen wir uns recht vertraulich aus-
plaudern."
Sie küßte die Betrügerin auf die Stirne und
ging auf ihr Zimmer.
„Diese Prüfung wäre überstanden", dachte das
falsche Fräulein Bermyngham entzückt. „Ich
habe Lady Folliot gefoppt. Sie nimmt mich
ohne den geringsten Argwohn als ihre Nichte
an. Ich bin in meiner neuen Stellung be-
festigt.
Jetzt kann ich der ganzen Welt trotzen."
(Fortsetzung folgt.)

Bunte Mappe.
* Friedrich Glück. Eines Tages erhielt I li-
st inus Kerner, der damals ein freigelegenes
Haus in dem württembergischen Waldort Welz-
heim bewohute, von dem Grafen Loeben, einem
Freunde des Dichters Joseph von Eichendorff, das
Gedicht: „Das zerbrochene Ringlein." Als Kerner
das schöne Lied gelesen hatte, legte er es auf seinen
Schreibtisch, nahe an ein offenstehendes Fenster;
aber plötzlich wehee es ein vorübergehender Wind-
stoß vom Tisch durchs Fenster hoch in die Luft
über Häuser und Bäume dahin. Kerner bemühte
sich, das nun wahrhaft zum fliegenden Blatt ge-
wordene Lied, viele Stunde lang, selbst in Be-
gleitung eines scharf sehenden Jägers, in Wäldern
und Feldern aufzusuchen, aber vergebens. Am
andern Tage kam ein mit Maultrommeln, Arm-
bändern und Fingerringen handelnder Tiroler zu

Nach viertelstündigem Hrrumtasten in der schwur-
belnden Höhe ging er wieder durch das Fenster
in seine Wohnung zurück.
— Eine eigenthÜMliche Szene spielte sich
dieser Tage vor der Strafkammer zu Udine ab.
Man verhandelte gegen einen gewissen Bassani, der
der schweren Körperverletzung beschuldigt war. Ihn
vertheidigte der junge Rechtsanwalt Domeniko Galati,
während als Vertreter der klägerischen Partei der
Rechtsanwalt Mario Bertakioli erschienen war. Als
Galati seine Vertheidigungsrede hielt, glaubte er
zu bemerken, daß Bertakioli häufig lächelte und
schmunzelte. Darüber wurde der junge Anwalt so
aufgebracht, daß er mit beißender Satire ausrief:
„Wenn Sie lachen wollen, gehen Sie ins Mari-
onettentheater," worauf Bertakioli sehr kühl und
sehr ironisch erwiderte: „Ich sehe Sie ja!" Der
erheiternde Zwischenfall war bereits bald vergessen,
als Galati sein Gegenüber wieder lächeln und
schmunzeln sah; mit einem Satz sprang der „ge-
wandte" Vertheidiger, dem noch frisches Studenten-
blut in den Adern floß, über den vor ihm stehen-
den Tisch und schrie dem anfangs ganz verblüften
Bertakioli ins Ohr: „Am Lachen erkennt mau den
Narren!" Eine kräftige Maulschelle war die Ant-
wort auf diese Provokation, und bald lagen die
beiden Anwälte auf der Erde nnö schlugen nach
Kräften auf einander los, während der ganze Ge-
richtshof, der Präsident, die Richter, die Thürhüter
in friedlicher Gemeinschaft mit dem Kläger und
mit dem Beklagten sich eifrig bemühten, die Kampf-
hähne auseinanderzubringen. Der Präsident schlug
in der Hitze des Gefechtes seine Glocke entzwei
und schrie sich heiser, in dem er die beiden Kämpfer
mit den fürchterlichsten Ordnungsstrafen bedrohte.
Als die Ruhe endlich wieder hcrgestellt war, wurde
vorerst der Prozeß Bassani vertagt; dann trat der
Gerichtshof sofort in die Verhandlung gegen den
Rechtsanwalt Galati (wegen der Beleidigungen)
und gegen den Rechtsanwalt Bertakioli (wegen der
Ohrfeige) ein, und sprach Beide frei. Das Publi-
kum klatschte Beifall und Alles war wieder gut.
— Ein vierfacher Raubmord wurde am 26.
Sept, bei Lambese in Algerien verübt. Der Wirth
des an der Straße nach Batna gelegenen Einkehr-
gasthauses „Grand Halte", dessen Frau, das andert-
halbjährige Töchterchen sowie der fünfzehnjährige
Kellnerbursche wurden Nachts von Eingeborenen
überfallen und mit Messerstichen getödtct. Das
Haus wurde vollständig ausgeplündert. Fünf des
Verbrechens verdächtige Eingeborene wurden verhaftet.
Unter den französischen Ansiedlern hat die Schre-
ckenstat unbeschreibliche Aufregung hervorgerufen.
— Hochzeitsreise im Luftballon. Man
schreibt aus Turin: „Der hiesige Luftschiffer Char-
bonnet, der am 8. Okt. heirathet, wird gleich nach
der Trauung eine Hochzeitsreise im Luftballon an-
tretens__
LoKcrse WittheiMngen
aus Stadt und Amt Heidelberg.
Heidelberg, 2. Oktober.
* In eigener Sache. Bekanntlich ist von Seiten
eines hiesigen Zeitungsverlegers ein Civilprozeß gegen
uns angestrengt worden, in welchem unser Konkurrent
behauptet, ein alleiniges Recht zur Führung des
Titels eines „General-Anzeigers" zu haben- Um nun
die den betr- Prozeß begleitenden Nebenprozesse aus der
Welt zu schaffen und damit die Erledigung des Haupt-
prozesses zu fördern, haben wir uns entschlossen, vor-
läufig, d- h. bis zu gerichtlicher Erledigung der
Sache, unserem „General-Anzeiger für Heidelberg und
Umgegend" zu weiterer Unterscheidung von dem
Blatte unseres Gegners den Titel „Neuer General-
Anzeiger für Heidelberg und Umgegend" zu geben, wo-
von wir unsere verehrt. Leser und Inserenten gefl.
Kenntniß zu nehmen bitten. Wir betonen indessen aus-
drücklich, daß diese Maßnahme kein Anerkenntnis der
gegnerischen Ansprüche unsererseits bedeutet, da wir ein
Zeitungstitel-Monopol des Betreffenden nicht anzuer-
kennen vermögen und unser Anrecht auf den Titel
„General-Anzeiger für Heidelberg und Umgegend"
welcher schon vorher verschieden war von dem Titel des
gegnerischen Blattes, auch fernerhin aufrecht erhalten-

* C-lseubahnfache. Die FahrpreisermäßigunS
von Mannheim hierher hat vorgestern ihr Ende e
reicht. Diese Maßregel der Großh. Bahnverwalt""»
wird ohne Zweifel im Publikum männiglich Köpf'
schütteln Hervorrufen und den Wunsch lebhaft reg,
werden lassen, genannte Behörde möge doch etM)
weniger bnreaukratisch zu Werke gehen und mehr A
Bedürfnissen des Publikums Rechnung tragen. 4-
vor wenigen Monaten erfolgte Herabsetzung desPre'O
für Rückfahrkarten von Mannheim hierher wurde
unserer Nachbarstadt allerseits lebhaft begrüßt, tz^"
sondere auch im Interesse derjenigen, welche mit ihPs
Mitteln etwas haushälterisch verfahren müssen. ^7
Verkehr steigerte sich infolge der Preisermäßigung !)
enormer Weise und die Eisenbahn machte glänzen
Geschäfte. Was in aller Welt ist nun die Veranlass"");
die als eine Wohlthat empfundene Maßregel tvi^
rückgängig zu machen? Natürlich ist während os
Wintermonate der Verkehr ans der Strecke Mannhew
Heidelberg geringer als im Sommer, immerhin ""ft
noch recht beträchtlich, und es liegt gar kein GrMft
vor zur Aufhebung einer Preisermäßigung, die für "
Bahnverwaltung doch ganz gewiß keinen GimiahnieaUfi,
fall zur Folge hat. Letzteres sollte sich die Bahnys,
waltung doch vor Augen halten und nebenbei beim"'
sichtigen, daß der Mannheimer unsere Gegend auch st"
Winterkleid reizend findet. Wir wollen die Hoffninft
aussprechen, daß die Bahnverwaltung sich doch E
entschließt, die Fahrpreisermäßigung auch weiteren
zu gewähren. Ob die Hoffnung in Erfüllung geh';
Oder soll diese Maßregel etwa gar eine Antwort
das Ansuchen der beiden Stadtvertretungen Mannhel"
und Heidelberg sein, die Fahrpreisermäßigung auch ""
hier nach Mannheim einzuführen?
4. Stadttlieater. Mozarts unsterbliche „Zanbst(
fl9te" hatte gestern eine solch große Anziehungskraft
auf das Publikum ausgeübt, daß das Haus gänz'M
ausverkauft wurde. Wegen Raummangel vermöge"
wir leider nicht, auf eine nähere Besprechung der AM
führung einzugehen, wir müssen uns daher darauf M
schränken, nur das Wesentlichste zu berichten und
ist zunächst zu erwähnen, daß der, bei den bekannte'
räumlich ungünstigen Verhältnissen der hiesigen BA";
und der Unzulänglichkeit des dekorativen Material
immerhin etwas gewagte Versuch, Mozarts Meister'
werk in würdiger Weise hier über die Bretter gehe';
zu lassen, im Berücksichtigung der hier zu überwinde"'
den großen Schwierigkeiten vollständig gelungen fist
Von den Darstellern der Herrenrollen gefielen, bst'
sonders die Herren Kuß (Sarastro), Pallat (Tannnw'
Katzorke (Papageno) und Frey (Monostatos). Ga"st
besonders überraschte auch einer der beiden Geharnischte'
mit seiner vollen kräftigen Tenorstimme. Wemgft
glücklich waren die Damenrollen besetzt, mit Ausnah""
der Pamina und Papagena, Anna Reinisch pst,
Madeleine Meffert und der drei Damen der König'"
der Nacht, Minna Zilcher, Hedwig Erwin """
Martha Boldt. Dagegen war Frl. Anna Brüder'
der Aufgabe, welche die Königin der Nacht in must'"'
lischer Beziehung stellt, durchaus nicht gewachsen. Ga"»
vorzügliches leisteten die Priester-Chöre und da»
Orchester, die uneingeschränktes Lob verdienen. Heft
Zschoppe, der den Dirigentenstab führte, hat stft
gestern in äußerst vortheilhatfer Weise als Operndirige"
hier eingeführt, es war eine Freude zu sehen, mit welche-
Ruhe und Sicherheit er seine Heerschaaren über ast
Fährlichkeiten hinweggeleitete. Ihm ist das HaupM's
dienst des gestrigen Erfolges zuzuschreiben. Die K";
stüme waren sehr schön, auch eine neue Dekoration, äM'
tische Tempelhalle, verdient hervorgehoben zu werde"'
sie macht unserem Theatermeister, Herrn Georg Weber-
alle Ehre.
* Die freiwillige Feuerwehr hielt gestern fr""
auf dem Jubiläumsplatzs im Beisein des Stadtra'h"
ihre diesjährige Schlußprobe ab. Herr Oberbürgstst
meister Dr. Wilckens hielt nach Schluß derselben er"f
Ansprache, worin er die Tüchtigkeit der hiesigen Feuer-
wehr hervorhob.
* Der Turnerbuud hielt am Samstag abend sst
Ehren seiner zum Militär einberufenen Mitglieder 's
seinem Vereinslokal eine Musikkneipe ab, der ""
gestrigen Nachmittag eine sehr gut besuchte Tanzuntel;
Haltung im „Kuchenhäuschen" folgte. Beide Vera"-
staltungen, gewürzt durch Gesangs- und Humoristisch;
Vortrüge, verliefen zu voller Zufriedenheit der The"'
nehmer.
* Die gestrige sozialdemokratische Konfereff»
des Reichstagswahlkreises Heidelberg-Eberbach-Mosbastb
im „Zwinger" hier war von 20 Delegirten besucht. D"
zur Tagesordnung stehenden Punkte wurden Programms
mäßig erledigt. Aus der Berichterstattung über d"
letzte Reichstagwahl ging hervor, daß die Agitation vo"
feiten der Partei eine sehr rege und wirksame wast,
was bei der Stimmenabgabe am deutlichsten bewiesest
wurde. Bis zur nächsten Reichstagswahl soll die Agi-
tation auf dem Lande noch reger betrieben werdest-
Als Ort für die nächste Konferenz wurde Eberbach
Aussicht genommen. Als Delegirter des 12. und (I
Wahlkreises zum sozialdemokratischen Parteitag in Km"
wurde Herr Landtagsaogeordneter Dr. Rüdt bestimvu-
Die ganzen Verhandlungen, die mehr einen sachliche')
Charakter hatten, wurden zur Zufriedenheit der Ko"-
ferenzbesucher erledigt.
Besitzwechsel. HerrWeinbändlerJeanBrun "
hier verkaufte seine bciSen am Jubilanmsplatz 66 u"°

ihm, und siehe da, Kerner erblickte das Blatt um
eine dieser Waaren gewickelt. Schnell frug er
den Tiroler: „Wo fandest du denn dieses Papier?"
woraus er ihm erzählte, daß er es bei Kaiserbach,
eine Stunde von Welzheim, auf einem blühenden
Flachsfelde gefunden und diesen Fingerring darein
gewickelt habe. Das vom Winde fortgetragene
Lied von dem zerbrochenen Ringlein erschien darauf
in dem von Justinus Kerner herausgegebenen
„Deutschen Dichterwald" für 1813. Schon im
nächsten Jahre wurde eine Melodie zu dem Liede
bekannt, und wie ein echtes Volkslied, von dem
Keiner zu sagen weiß, von wannen es gekommen
ist, schwebte nun beides miteinander durch alle
Gauen des Vaterlandes und wurde mitgenommen
von deutschen in die fernen Länder und Erdtheile.
Erst nach vielen Jahren wurde der Erfinder der
Melodie, der „Weltberühmte Unbekannte", wie
Berthold Auerbach noch 1838 schrieb, bekannt:
Friedrich Glück, der Heuer vor hundert Jahren,
am 23. September 1793 in einem kühlem Grunde,
zu Oberensingen im Neckarthal, geboren war.
1818 wurde er Pfarrer in dem Dorfe Neuenhaus
unweit Nürtingen, 1825 Garnisonsprediger auf
dem Hohenasperg und endlich im Jahre 1829
Pfarrer in Schornsbach, das in einem Seiten-
thalchen des Remsthales liegt. Dem heiteren,
kunstsinnigen Manne ist es hier nicht wohlge-
gangen. Er wollte fort, sogar fnach Amerika ;
aber er konnts nicht durchsetzen. Bei gutem Wein
mit frohen, geistreichen Gesellen zu musizieren und
zu singen — er hatte eine schöne Stimme —
war ihm der größte Genuß. Die einst viel ge-
sungenen Lieder „Herz, mein Herz, warum so

traurig" (Schweizer Heimweh von Wyß) und
„Löb wohl, du theures Land, das mich geboren
(Bertrands Abschied) hat er auch komponiert-
Lebensmüd und krank ist Friedrich Glück in dem
einsamen Dorfe am ersten Oktober 1840 gestorben-
Sein Name wird erst mit dem Liede „In einem
kühlen Grunde" verklingen, und damit hats now
lange, noch sehr lange Zeit.
* Entwerthet. „Ach", seufzt ein verarmter
Aristokrat, der seit Jahren vom Verkaufe seiner
Ahnenbilder lebt, „für die Vorfahren aus den
frühesten Zeiten löste ich horrende Summen ^7
aber je näher sie mir kommen, desto weniger sind
sie werth!"
* Geduldprobe. Brant (auf dem Standes-
amte ungeduldig): „Fünf Jahre sind wir jetzt
verlobt gewesen, nun müssen wir hier auch now
eine ganze Stunde warten!"
- * Raffiniert. „Warum laust Ihr denn bar)
fuß im Schnee herum?" — „Ja wissen S' me'
Alte gibt nur Schnaps her, wenn i' Leibweh
hab'!
* Auf Umwegen. A.: „Kennen Sie diesen
Herrn da drüben?" — B.: „Ja, das ist der
Bankier Müller, der hat ja mein Geld in Ver-
wahrung." - A. (spöttisch): „Ihr Geld? Sie
haben ja keins." — B.' „Nun, ich verlobe mich
doch demnächst mit seiner jüngsten Tochter."
* Durch die Blume. Unteroffizier: „Was
ist Ihr Vater eigentlich, Huber?" — Rekrut'
„Metzergermeister!" — Unteroffizier: „Na, da
haben Sie auch wohl zu Hause nicht viel getaugt,
daß der jetzt so wenig von sich hören läßt!"
 
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