Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

DOI Kapitel:
No. 261 - No. 270 (4. November - 15. November)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44142#0449

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Nummer 261.

Nerrer

Samstag, 4. November 1893.


General-G Anzeiger




Mel'epkon-Anschluß: Wr. 103.

»-»
Expedition u. Wedaktion: Kauptstr. Wr. 3S.

Jnsertionspreisr
die Ispalttge Petitzeile oder deren Raum 8 Pfg«,
für auswärtige Inserate 10 Pfg., bei öfterer Wieder-
holung entsprechender Rabatt.

AbonnementSpreis,
mit 8seitigem illustrtrtem Sonntagsblatt: monatlich
38 Pfennig frei in's Haus, durch die Post bezogen
vierteljährlich 90 Pfennig ohne Bestellgeld.

für Heidelberg und Umgegend
(Mürger-Z ertung).

«M- Zweites Blatt. "WG
Porzeitige Kahlköpfigkeit.
Es ist eine allbekannte Thatsache, daß Kahl-
köpfigkeit, namentlich die vorzeitige, bei Männern
viel häufiger vorkommt, als bei Frauen. Außerdem
lichtet sich bei den Männern die Stirne und Hinter-
hauptgegend, so daß auf der Höhe des Scheitels
nur noch eine schwache Brücke von Haaren die
dichtbestandenen Schläfen verbindet, während das
Ausfallen der Haare bei den Frauen durchweg an
anderen Stellen des Kopfes, nämlich auf der Höhe
des Scheitels und hinter den Ohren ansetzt. Wo-
rin liegt nun der Grund dieser auffallenden Ver-
schiedenheit? Es kann keinem Zweifel unterliegen,
daß die hygieinisch völlig widersinnige Kopfbedeckung
der meisten Männer die Hauptursache ihrer
Kahlköpfigkeit bildet. Gerade das starke Geschlecht
trägt eine warme, das schwache eine leichte, luftige
und nie beengende Kopfbedeckung, die auch im Winter
wenig Schutz gegen die Unbilden der Witterung
gewährt; im Sommer ist buchstäblich der Sonnen-
schirm die eigentliche Kopfbedeckung der Frauen.
Und die häufige Einwirkung frischer und freier
Lüfte übt eine heilsame Abhärtung aus, während die
Männer ihre Kopfhaut unter dem undurchlässigen
und dichten Hut meist so verzärteln, daß sie aus
einem geheizten Zimmer ohne Hut kaum über einen
Gang zu gehen wagen.
Aber nicht allein, daß der Hut dem Kopfe
Licht und Luft nimmt, sondern es erfährt die Kopf-
haut überdies zwischen dem steifen Hutrande und
dem knöchernen Schädel noch einen argen Druck,
— eine förmliche Strangulationsfurche ist ja die
Folge, — der, immer die gleichen Hautstellen tref-
fend, oft stundenlang andauert und sich durch Jahre
wiederholt; Gefässe und Nerven, die die Haut des
Scheitels versorgen und diese Einschnürung pas-
sieren müssen, leiden dadurch in ihrer Ernährungs-
thätigkeit. Dazu kommt der übermäßige Schweiß
unter der undurchlässigen Hülle.
Eine andere Ursache des frühzeitigen Haarver-
lustes, die der landläufigen Anschauung völlig zu-
widerläuft, steht Dr. Seeger in Wien, wie er in
seiner Studie in der Wiener Klinik „Ueber vor-
zeitige Kahlheit" darlegt — in dem Kurztragen der
Haare. Kurzgeschnittenes Haar verliert an Nor-
malität, einmal durch Eröffnung des Markkanals,
dann auch dadurch, daß es schneller wächst als
solches, das eine bestimmte Länge bereits erreicht
hat. Durch den gehobenen Stoffwechsel in der
Haarpapille erschöpft sich die Leistung, der von der
Natur übernommene Grundstock des Vermögens der
Haarerzeugung wird zu schnell verbraucht, der Druck
des Hutes behindert bei kurzgeschnittenem Haar die
Ernährungsverhältnisse noch mehr und läßt nur
unzureichenden Ersatz zu.
Nicht selten sieht man in einer Familie die
Glatze durch Geschlechter durch glänzen. Dr. Seeger

erklärt dies aus einer gewissen Erblichkeit in der
Schwäche des Haarbodens. Daß von vornherein
Unterschiede in der Kraft des Haarbodens bestehen,
läßt sich schon daraus folgern, daß es Menschen
mit zarter und mit derber Haut gibt. In der an-
geborenen Schwächlichkeit des Haarbodens und in
der häufig damit verbundenen Anlage zum Kopf-
schweiß, hauptsächlich aber in der unnatürlichen Be-
handlung der Kopfschwarte durch die Kopfbedeckung
hat man die Ursache der vorzeitigen Kahlköpfigkeit
zu suchen.
Bei den Maßregeln zur Abwehr aller das Haar
bedrohenden Schädlichkeiten gilt als oberster
Grundsatz, den Kopf so wenig wie möglich warm
einzuhüllen. Die meisten Kahlköpfigen führen ja
auch den Beginn und den raschen Fortschritt ihres
Zustandes stets auf eine bestimmte Zeit zurück, wo
sie bei unpassender Kopfbedeckung häufig Kopf-
schweißen ausgesetzt waren. Unter einer hygieinisch
luftigen und nicht schnürenden Kopfbedeckung sollen
die Haare mindestens so lang getragen werden, daß
jedes Haar, welches noch innerhalb der Kopfbe-
deckung wurzelt, mit seinem Endeins Freie gelangt;
die außerhalb der Kopfbedeckung sprießenden Haare
mögen kürzer getragen werden, Dr. Seeger hält es
für eine völlig irrige Ansicht, daß das Kurzscheeren
der Haare ihrem Gedeihen förderlich sei; der Kopf-
schmuck der Frauen beweist ja auch deutlich genug
das Gegentkeil. Geradezu schädlich für die Haare
ist weiter das häufige Einfetten kurzer Haare mit
den Händen.
Der dem Haarschaft anhaftende natürliche Fett-
stoff des Haares läßt sich mit weichen und nicht
starren und nicht kratzenden Bürsten und Kämmen
über die ganze Länge derselben verbreiten, so daß
die Haare ohne Zuthaten von Oel oder Pomade
den schönsten Glanz zeigen. Das Bürsten der
trockenen Haare nach dem Strich mit einer weichen
Bürste in leichten Zügen und so lange fortgesetzt, bis
an den befcchrmen Stellen eine leichte Erregung
oder ein schwacher Anflug von Röthung sich zeigt,
regt vorzüglich Gefäße und Nerven zu erneuter
Thätigkeit an, so daß sich die dürftigen Hautstellen
wieder beleben. Noch fördernder wirkt aber, wie
Dr. Seeger empfieblt, gewissermaßen ein Massiren
der Kopfhaut, dadurch, daß mau sie hin und her
bewegt. Manche Leute können ja durch willkür-
lichen Muskelzug ihre ganze Kopfhaut bewegen;
wer es nicht kann, legt zuerst die flache Hand auf
den Scheitel und schiebt zunächst unter Zutbat der
Hand die Kopfhaut hin und her, bis die Muskeln
dem Willen gefügiger geworden sind. Auf eine
Minute kommen etwa 40 bis 50 solcher Ver-
schiebungen, die 4 bis 5 Minuten lang fortgesetzt
werden, bis ein Wärmegefühl am Scheitel sich ein-
stellt.
Die Wirkung dieser Uebungen kann auch noch
durch elektrische Behandlung unterstützt werden.
Das Bürsten und das Verschieben der Kopfhaut
soll täglich dreimal, Morgens, Mittags und Abends

geschehen, das Elektrisieren und die Erregung der
kleinen Haarbalgmuskeln dagegen zweimal täglich.
Letzteres geschieht dadurch, daß man über die Nacken-
und Schultergegend bis zur Haargrenze entweder
mit einem trockenen Frottierhandschuh oder auch mit
der freien Hand leicht hin und her fährt, worauf
sich das Gefühl des Ueberrieselns (Gänsehaut) vom
Hinterhaupt über den Scheitel und die seitlichen
Flächen des behaarten Kopfes einschließlich der Ohr-
muscheln und der angrenzenden Wangengegend ein-
stellt. Indessen Wunder werden auch mit diesem
Verfahren nicht bewirkt werden. Wer aber mit
einem steifen Hute fortschwitzt, wird trotz weiterer
Behandlung allerdings gar nichts erreichen.

Werrnischtes.
— Ei»r echt italienisches Drama, dessen
Schaubühne abwechselnd Ancona und Bologna ge-
wesen, hat kürzlich in ersterer Stadt einen schauer-
lichen Abschluß gefunden. Vor mehreren Jahren
hatte der Unternehmer Malucci in Ancona den
Transport der Kohlen von den aus England
kommenden Schiffen nach der Eisenbahnstation,
von wo diese über ganz Italien versendet werden,
übernommen und zog daraus einen beträchtlichen
Gewinn. Das rasche Reichwerden Maluccis be-
stimmte einen gewissen Bruto Mondaini, sich nach
Ablauf der Konzession Maluccis um diese zu be-
werben, nachdem er mit einem seiner Freunde, dem
Mechaniker Giacchetti, eine Maschinerie ersonnen,
mittelst deren die Kohlen von den Schiffen direkt
ans Land befördert werden konnten. Die Furcht,
durch Mvndainis Erfindung brotlos zu werden,
und der Haß der AlM4»c gegen das Maschinen-
wesen brachten nun dis Handlanger und Lastträger
des Hafenplatzes von Ancona in Aufruhr; es
fanden Zusammenrottungen vor dem Hause Giac-
chettis statt und eines Abends wurde Bruto Mon-
daini mitten auf dem Marktplatze von Ancona
durch einen Pistolenschuß todt zu Boden gestreckt.
Die Arbeiter stoben auseinander, und die auf den
Schuß herbeieilenden Karabineri fanden bei der
Leiche nur den Bruder des Ermordeten, Ezio
Mondaini, der nach Rache schrie. Die Gerichte
nahmen die Angelegenheit in die Hand. Es
fanden zahlreiche Verhaftungen statt; einer der Ersten,
die festgenommen wurden, war Malucci, weil auf
ihn, obgleich er am Tage der That sich von An-
cona entfernt hatte, um bei der Direktion der
Eisenbahngesellschaft in Florenz einen letzten Ver-
such zur Verlängerung seiner Konzession zu machen,
der schwerste Verdacht fiel, den Mordanschlag an-
gezettelt zu baben. Dieser Verdacht uurde durch
die Thatsache bestärkt, daß er mehrere seiner Leute
schnell zur Flucht verhelfen hatte. Als die Ver
Handlungen wegen-dieses Mordes vor den Assisen
zu Ancona begannen, belief sich die Zahl der An-
geklagten auf elf, jene der Zeugen auf einhundert-
fünfzig, die der Vertheidiger auf zweiundzwanzig!

Um das Urtheil der Jury nicht beeinflussen zu
lassen, wurden die Verhandlungen von Ancona,
wo Alles an der Sache betheiligt war, nach Bo-
logna verlegt. Die Aufregung der Gemüther
pflanzte sich nun nach der alten Musenstadt fort;
mit leidenschaftlichem Interesse sah man während
des ganzen vergangenen Monats im Gerichtssaale
neben den Gestalten der Angeklagten die ersten
Advokaten Italiens als Vertheidiger auftreten.
Gegen den Präfekten von Ancona, Kommandatore
Jsaaco, war das strafgerichtliche Verfahren einge-
reicht worden, weil er eine Person, die ihm unter
dem Siegel des Amtsgeheimnisses Enthüllungen
über den Mörder gemacht hatte, um keinen Preis
nennen wollte; neben ihm sah man einen Ga-
leerensträfling in Ketten und Banden als Zeugen
erscheinen. Da alle Zeugen sich überdies fort-
während gegenseitig widersprachen, keiner der An-
geklagten zu einem Geständnisse zu bringen und
derXSchuldige durchaus nicht zu ermitteln war, so
stieg die Spannung iin Publikum immer mehr.
Am 9. d. M. wurde endlich das Urtheil gesprochen.
Alle Angeklagten, mit Ausnahme zweier junger
Leute, Racancschi und Chili, gegen die nach der
Volsmeinung am wenigsten vorzuliegen schien,
wurden freigesprochen. Die Freigesprochenen ver-
ließen Bologna und kehrten nach Ancona zurück.
Dort erwartete Ezio Mondaini den Malucci, den
er für den Hauptschuldigen hielt, auf dem Bahn-
hof und streckte ihn, gerade so wie sein Bruder ge
fallen, mit einem Pistolenschuß todt zu Boden.
Er selbst ist spurlos verschwunden.
— Im Löwenrachen. Der amerikanische
Löwenbändiger Pearson ist während einer Vor-
stellung in einer Menagerie zu Charkow in schreck-
licher Weise ums Leben gekommen. In dem
Augenblicke, als er den Kopf in den Rachen eines
Löwen gesteckt hatte, schloß das Thier die Kinn-
backen- Pearsons Kopf wurde vollständig vom
Rumpfe getrennt. Unter dem Publikum herrschte
eine furchtbare Panik; alle eilten ins Freie, und
bei dieser Flucht wurden viele Personen schwer
verwundet.
— Die Chicagoer Weltausstellung wurde
am 30. Okt., während die Flaggen auf Halbmast
gehißt wurden, geschlossen. Alle geplanten Feste
unterblieben wegen Harrison's Ermordung. Die
Zabl der bezahlenden Besucher der Ausstellung
überstieg zwanzig Millionen. Alle Kosten wurden
gedeckt. Die Inhaber der Anteilscheine erhalten
aber nur 10 bis 15 Prozent. Die Antheile
würden zweifellos ganz ausbezahlt worden sein,
wenn die allgemeine Geschäftslage nicht so schlecht
gewesen wäre. Da aber die Antheilschein-Jnhaber
keine Rückerstattung erwarteten, wird die Ausstellung
als ein Erfolg angesehen. Chicago trug zehn
Millionen Dollar bei, ist also der Hauptinhaber
von Anteilscheinen.

Die Jagd nach einer Erbin.
Roman von Hermine Frankenstein.
43) (Fortsetzung.)
Der Offizier stimmte dem Plane des Oberst
Brand bei. Der Wagen, welcher noch immer
wartete, wurde fortgeschickt.
Ein Wagen mit frischen Pferden und ein
Kutscher, welcher die Straßen genau konnte, wurde
ausgenommen, und Oberst Brand und sein Ge-
hilfe fuhren in größter Eile nach Bourne ab.
Es war 10 Uhr, als sie am Bahnhofe von
Bourne vorfuhren.
Oberst Brand stürzte in das Gebäude, sein
Begleiter folgte ihm. Es war kein Reisender
ringsum zu sehen.
Die Lichter brannten trübe; der Stationschef
und die Thürsteher sahen schläfrig aus. Die Ge-
schäfte des Tages waren abgeschlossen, und die
Beamten schickten sich an, in ihre Wohnungen
Zurückzu kehren.
„Fünf Minuten später, und wir Hütten nie-
manden hier gefunden/' sagte Oberst Brand.
»Es ist ein Glück, daß wir noch jetzt ange-
kommen sind."
Er redete erst den Stationschef an und fand
dann auch den Kassierer, welcher noch auf dem
Bahnhöfe verweilte.
Eine kurze Unterredung mit diesen Beiden
war hinreichend, um Oberst Brand zu überzeugen,
daß Beatrix und Frau Talmi zu einer frühen
Stunde des Abends in einem Zuge von diesem
Bahnhöfe abgereist waren.

„Es ist ganz gut; wir sind auf der rechten
Spur," sagte er zu dem Polizeimann. „Diese
verschleierte, junge Dame, schlank, numuthig und
schüchtern, ist natürlich meine Nichte. Die nied-
liche Frau ist Lady Folliots Kammerfrau."
„Sie sind nach London gegangen. Ich werde
nach London telegraphiren, daß sie bei ihrer
Ankunft daselbst sestgenommen werden sollen.
Sie sollen sich überzeugen, daß ich doch noch
schlauer bin als sie."
Diesem Vorsatze entsprechend telegraphirte
Oberst Brand sogleich nach London und zog sich
dann, da er nichts weiter thuu konnte, vergnügt
über die getroffene Verfügung, für die Nacht mit
seinem Begleiter in einen Gasthof zurück.
Am nächsten Morgen schickte er den Polizei-
Offizier mit dem Postwagen nach Spalding mit
einer reichlichen Belohnung und dem eindringlichen
Befehle, die Bewegungen Sir Lionel Charltons
genau zu überwachen, und fuhr daun mit dem
nächsten Postzug nach London zurück.
Er erwartete, seine flüchtige Nichte bei seiner
Ankunft in sicherem Gewahrsam zu finden. Zu
seinem größten Erstaunen wurde er aber auf das
Bitterste getäuscht. Beatrix war nicht in London
angekommen, und er konnte nirgends erfahren,
wohin sie ihre Schritte gewendet habe.
Der einzige Weg, der ihm offen stand, war,
seine Tour Schritt für Schritt bis Bourne zu-
rückzulegen, um sich zu versichern, auf welcher
Station Beatrix und ihre Dienerin den Zug
verlassen hatte.
Er beeilte sich, das zu thun, aber die Auf-
gabe war schwieriger, als er gedacht hatte. Alle

seine Bemühungen endigten nur mit einem totalen
Mißlingen.
Er sand wohl den Kondukteur, welcher in
der Nacht von Beatrix's Flucht aus Folliot Court
dem Zuge beigegeben gewesen war.
Dieser Kondukteur bestätigte, die junge Dame
und ihre Dienerin gesehen zu haben. Er er-
innerte sich an die Thatsache, daß ein alter Herr
in Petersborough ausgestiegen sei und seinen
eigenen Schlüssel benutzt hatte, um die Wagen-
thür zu öffnen. Aber der Kondukteur hatte Bea-
trix nicht aussteigen sehen und hatte überhaupt
erst bei der Ankunft in Loudon in dem Wagen
nachgesehen, da die Begleiterin der jungen Dame
am Anfang ihrer Reise darum gebeten hatte, sie
ungestört zu lassen.
„Die alte Frau muß einen Schlüssel gehabt
haben, so daß sie unbemerkt den Wagen verlassen
konnten," bemerkte Oberst Brand bestürzt. „Ich
muß jede Stadt besuchen, in welcher der Zug au-
hielt und Erkundigungen einziehen."
Er begann seine Nachforschungen in Peters-
borough, indem er alle Gasthöfe und Privat-
häuser besuchte, er erhielt nicht die geringste Spur
von den Flüchtigen. Niemand hatte die Personen
die er beschrieb, in Petersborough gesehen, und
so reiste er zögernd nach der nächsten Station
der Bahnlinie ab.
Eine Woche lang arbeitete Oberst Brand un-
ermüdlich ohne die geringste Spur eines Erfolges.
Dank der Schlauheit Frau Talcuts waren ihm
die Flüchtlinge vollständig entschlüpft.
Im höchsten Grad beunruhigt und erzürnt,
kehrte er nach Spalding zurück, wo er eine Unter-

redung mit seinem Gehilfen, dem Polizeiosfizier,
hatte.
Von diesem erfuhr er, daß Sir Lionel Charl-
ton Folliot Court nicht verlassen hatte, daß aber
Frau Talcut dahin zurückgekehrt sei, und daß
ihre Eisenbahnfahrt von London gelautet habe.
Nachdem er diese Mittheilung erhalten hatte,
kehrte Oberst Brand nach London zurück.
Er erwartete, halb und halb eine zweite Mit-
theilung von dieser geheimnisvollen „An Jones"
zu finden, in der sie ihm den Zufluchtsort Beatrix
verriet!); aber in dieser Erwartung sah er sich
getäuscht.
„Ich werde gewiß sehr bald von meiner un-
bekannten Korrespondentin hören, dessen bin ich
gewiß", sagte er zu sich.
„Beatrix ist ohne Zweifel in London; ich
will meine Forschungen sortsetzen, aber ich bin
überzeugt, daß meine seltsame und geheimniß-
volle Freundin, welche Juwelen und Seidenkleider
trügt, mir bald zu Hilfe kommen wird. Ich
muß nur Geduld haben. Geduld!"
Neberzeugt, daß Beatrix England nicht ver-
lassen hatte, und Hilfe bei seinen Forschungen
wünschend, telegraphirte er seiner Frau und
seinem Sohne, daß sie zu ihm kommen sollten.
Am zweiten Tage waren sie bereits schon bei ihm
und wandten all ihren Scharfsinn und Gewissen-
losigkeit au, um ihm zu dem gewünschten Erfolge
zu verhelfen.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen