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Neuer General-Anzeiger: für Heidelberg und Umgegend ; (Bürger-Zeitung) — 1893 (Juli bis Dezember)

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No. 301 - No. 307 (21. Dezember - 30. Dezember)
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nuflauf, weil das Gerücht umging, es laufe ein
Mann aus dem Dache des Hauses umher. So-
fort vorgenommene Nachforschungen ergaben die
Grundlosigkeit des Gerüchts und der Auflauf
bildet einen erneuten Beweis für die stark aus-
geprägte Neugier der Mannheimer Bevölkerung.
* Bon der Bergstraße, 28. Dezember. Die
jüngste Nummer des „Heppenheimer Kreisblattes"
meldet aus Heppenheim unterm 22. Dezember in
lakonischer Kürze: „Bei der am Dienstag hier
stattgefundmen Treibjagd auf dem Jagdgebiet des
Herrn von Perglas wurden 122 Hasen erlegt und
einJägerundeinTreiberangeschosssen."
* Dnrlach, 28. Dez. Wie verschiedenen Blättern
heute gleichzeitig mitgetheilt wird, hat eine Steuer-
bestrafung des früheren Abgeordneten Friedrich von
Durlach im Betrag von 6055 Mk. stattgefunden;
zugleich hat eine Nachzahlung von 1717 Mk. zu
erfolgen. Nach badischem Gesetz hat die Nach-
zahlung der Steuer für 5 Jahre stattzufinden. Der
Rekurs gegen den Bescheid der Obereinnehmerei
Bretten wurde zurückgezogen.
* Ludwigshafen, 28. Dez. Ein Handwerks-
bursche, Namens Jakob Lang aus Mainz, passirte
die Rheinbrücke und weigerte sich das übliche Brücken-
geld zu zahlen. Da die dienstthuenden Beamten,
keinen Spaß verstanden, sprang Lang über die
Böschung und blieb anscheinend schwer verletzt unten
an einem Kieshäuschen liegen. Man schaffte Lang
ins Spital, wo nach Untersuchung der Arzt indetz
keine Verletzung finden konnte. Der Arzt ver
ordnete deßhalb Lang zwei kalte Douche, welche den
sich noch immer leblos Stellenden sehr rasch zum
Bewußtsein brachten. Schnell kroch er in seine
Kluft und sprang in einem unbewachten Augenblick
über die Holzplanken, um auf Nimmerwiedersehen
zu verduften.
* Würzburg. 27. Dez. Ueber den Mann,
der zweimal dienen sollte, wird geschrieben: Die
etwas fatale Lage des Schriftsetzers Triltsch, der,
wie bereits mitgetheilt, zur Ableistung seiner mi-
litärischen Dienstzeit nach Eger einberufen wurde,
obwohl er das Glück bereits genossen hat, in der
bayrischen Armee zwei Jahre zuzubringen, bat
sich rasch geklärt. Das bayrische Kriegsmini-
sterium selbst nahm die Sache in die Hand und
so wurde es dem jungen Manne erlassen, ein
zweitesmal Soldat zu werden. Derselbe ist be-
reits von Eger wieder hierher zurückgekehrt.
* Waldshut, 28. Dez. Am Christtag Morgen
wurde die Wittwe Katharina Navacin von Ober-
lauchringen todt in ihrem Bette aufgefunden. Es
wird ein Verbrechen vermutbet. Das Gericht be-
gab sich in Begleitung der Gerichtsärzte zur Sek-
tion an Ort und Stelle.
* Bochum, 26. Dez. Einen gräßlichen
Selbstmord verübte ein auf Zeche „Lothringen II"
beschäftigter polnischer Arbeiter mit Namen Konitziak.
Derselbe entfernte sich unbemerkt von der Arbeit,
steckte sich eine Dynamitpatrone in den Mund
und zündete sie an. Die Wirkung war eine
furchtbare. Dem K. wurde der Rumpf vom
Kopfe getrennt und eine Hand vom Arme ge-
rissen.
* Salzburg, 27. Dez. Vergangene Woche
erhielt der Vorstand am hiesigen Bahnhofe eine
auf Pappendeckel plump geschriebene Drohung, daß
der hiesige Staatsbahnhof innerhalb acht Tagen
in die Luft gesprengt werde. Trotzdem man an-
nehmen kann, daß hier ein einfacher Bubenstreich
vorliegt, so wurden doch die umfassendsten Vor-
sichtsmaßregeln getroffen, indem vor 15 Jahren
ein ähnlicher Drohbrief die Abbrennung des Bahn-
hofes avisirte, dieselbe damals aber auch thatsäch-
lich vei sucht wurde.
'Dermifchles.
— In einer Erbschafts-Angelegenheit hat
der Kaiser an einen der leer ausgegangenen
nächsten Verwandten des Erblassers als Gnaden-
geschenk 10 000 Mark auszahlen lassen. Die
„Franks. Oder-Ztg." berichtet darüber Folgendes:
Im Jahre 1892 hat der in Frankfurt a./O. ver-

durcheinandcr verkündete die Rückkebr der hoben
Gesellschaft.
Alera und ihre Dienerin hatten ihren früheren
Platz an der Straße wieoec eingenommen, als die
Equipage, langsamer als vorher, vorüberftchr. Ihre
Augen energisch von ihrem Geliebten abwendend,
auf den sie, wie durch magnetische Kraft angezogen,
gerichtet waren, betrachtete Alexa genau den Mann,
der die Titel führte, die rechtmäßig ihrem Vater
gehörten.
Mit freudigem Lächeln, welches die Gewohnheit
auf seinem Gesicht gemacht zu haben schien, ver-
neigte er sich rechts und links gegen Diejenigen,
welche ihn grüßten. Mehr aber, als daß dieses
Gesicht freundlich und doch auch stolz war, konnte
Alexa nicht erkennen; sie war z > weit entfernt, als
daß sie den Ausdruck und die Bedeutung der
Züge genau hätte erforschen können; es schien ihr
aber, als ob der Hauptzug Güte und Mildthätigkeit
bekundete.
„Mein Vater sagte, daß Rolond Jngestre eines
Verbrechens unfähig war", dachte das Mädchen.
„Ich glaube nun, daß er Recht hatte. Der Mörder
muß einer der anderen Männer gewesen sein, die
bei seiner letzten Unterredung mit seinem ermordeten
Bruder zugegen waren."
Der Wagen mit den ihm folgenden Reitern
war bald den Blicken verschwunden. Die Kapelle
hörte zu spielen auf. Die Spaziergänger entfernten
sich. Die Luft wurde rauh und der Wind stärker
und unerträglicher. Alexa sprach den Wunsch aus,
nach dem Gasthof zurückzukehren, und führte diesen
Wunsch sogleich durch di' That aus. Auf dem
Wege sprach sie kein Wort. In ihrem Zimmer

storbene Rentner Karl August Mi e th e sein ungefähr
90 000 Mk. betragendes Vermögen zum weitaus
größten Theile dem Kaiser vermacht. Die nächsten
Verwandten, vier Neffen und Nichten, waren nicht
bedacht worden, darunter der Einwohner Gottlieb
Miethe in Liebenau; sie wandten sich deshalb mit
Bittgesuchen an den Kaiser. Seit dem 18. Dezbr.,
seinem Geburtstage, weiß nun Miethe durch ein
Schreiben des Ministeriums des königlichen Hauses
voni 14. Dezember, daß ihm vom Kaiser 10 000
Mark aus dem Nachlasse seines Onkels als Gnaden-
geschenk überwiesen sind.
— Ein eigenartiges Jagdabenteur erlebte
ein Berliner Nimrod gelegentlich einer Treibjagd
auf Hasen, welche auf einer Markung der Nmgegeud
abgehalten wurde. Die Jagdgesellschaft bestand zu-
meist aus Baubeflissenen, unter denen sich auch
Bauunternehmer X. befand, der zu derjenigen Leuten
„vom Bau" gehört, bei denen der Gerichtsvollzieher
schon immer zu Hause das Pfändungsprotokoll mit
dem Vermerk ausfüllen kann: „Exekution fruchtlos".
Er selbst ist in seiner Wohnung niemals anzutreffen,
und di- glänzende Einrichtung gehört seiner Frau.
Auf solches Wild machen die Gerichtsvollzieher mit
Vorliebe Jagd. Es gewährt ihnen eine gewisse
Aufregung, noch findiger zu sein, als der raffinir-
teste Schuldner. So hat auch der Gerichtsvollzieher
M. Wind davon erhalten, daß T. zur Jagd sei.
„Gehst Du auf die Jagd, gehe ich auch auf die
Jagd!" dachte er und flugs machte er sich auf den
Weg nach den Jagdgründen. Da draußen war
das erste Treiben bereits beendet, in einem Gast-
hofe hatte die Gesellschaft ein reiches Frühstück ein-
genommen, und da die Jagdbeute gut war, be-
schloß man in gehobener Stimmung, noch ein
zweites Treiben zu veranstalten. Gesagt, gethan!
Die Treiberkette war gebildet, die Jager standen
auf ihren Posten, da stand plötzlich der Gerichts-
vollzieher neben dem Jäger Q und präsentirte dem-
selben einen vollstreckbaren Schuldtitel über 250
Mark. Der überlistete Schuldner war „baff";
ohne Widerrede gab er auf Verlangen des Gerichts-
vollziehers sein Jagdgewehr, sowie seinen Jagdhund
her, und schmunzelnd zog der Gerichtsvollzieher mit
seiner Jagdbeute ab. Das brachte nun freilich einen
argen Mißton in die Helle Jägerlust der Gesell-
schaft. Die Stimmung war durch diesen Zwischen
fall allenthalben dermaßen verdorben, daß das ganze
Treiben in die Brüche zu gehen drohte. Da raffte
sich denn ein Zimmermeister, der mit X. in Ge-
schäftsverbindung steht und ebenfalls an der Jagd
theilnabm zu einer großen That auf. Er dolte
seine Brieftasche hervor, nahm 250 Mark heraus,
übergab das Geld einem sicheren Boten, der dem
Gerichtsvollzieher nachlaufen und Jagdgewebr nebst
Jagdhund wieder einlösen mußte. Nun wurde das
Treiben fortgesetzt. X. soll aber an dem Tage noch
manchen Fehlschuß gethan haben.
— Traurige Weihnachten. Die Berliner
Blätter melden: Am Heiligen Abend wanderte
ein junger Mann durch die Straßen unserer
Stadt und sah sehnsüchtig nach den Fenstern,
durch die der Kerzenschimmer der Christbäume
siel. An der Ecke der Leipziger- und Charlotten-
straße blieb er stehen, zog einen Revolver aus
der Tasche und jagte sich mit den Worten: „Jetzt
kommt die Bescheerung für mich" eine Kugel in
die rechte Schläfe. In dem Lebensmüden ist der
19 Jahre alte Hausdiener Josef W. festgestellt
worden, der wenige Stunden vorher feine Stelle
verloren hatte. W. ist schwer verwundet.
— Bon einer systematischen Beraubung
der Postbriefkasten wird aus Hannover berichtet:
In den letzten Wochen sind bei den dortigen Post
behörden zahlreiche Anzeigen über Verschwinden
von Briefen eingegangen, welche dort ausgegeben,
aber an ihre Bestimmungsorte nicht gelangt waren.
Längere Beobachtungen durch die Kriminalpolizei
haben nunmehr zur Entdeckung einer vollständig
organisirten Diebesbande geführt, welche planmäßig
allabendlich Briefkästen verschiedener Stadttheile
ausgeplündert hat. Die Thäter, sämmtlich noch
in jugendlichem Alter stehend und ausnahmslos
als Laufburschen angcstellt, haben die Briefkasten
angekommen, legte sie ao und setzte sich auf's
Sopha, während sie Mrs. Goff auf ein paar
Stunden beurlaubte.
Alexa benutzte Mrs. Goff's etwas lange Ab-
wesenheit zum Nachdenken über ihre eigene An-
gelegenheit. Wie sollte sie ihr Werk beginnen?
Wenn sie nur irgendwie Zutritt im Schloß Mont
Heron erhalten könnte, würde sic einen Anhalt
finden, auf Grund dessen sie weitere Pläne machen
und weiter nachforschen konnte. Aber der Marquis
war nicht verheirathet, sie konnte also nicht als
Gouvernante oder Gesellschafterin in's Schloß
kommen und als gewöhnliches Dienstmädchen mochte
sie nicht gehen. Es würde gleich errathen werden,
daß sie irgend welche Absicht batte und zur Aus
führung dieser Absicht eine so niedrige Stellung
annehme. Da plötzlich kam ihr eine Idee, welche
sie vor Aufregung zittern ließ.
Wie es hieß, würde sich Marquis Mont Heron
demnächst mit Lady Wolga Clyfse, ihrer Mutter,
verloben. Lady Wolga weilte jetzt zu Clyffebourne
und der Marquis besuchte sie täglich. Der Aufent-
halt zu Clyffebourne würde für sie vorläufig
das Beste sein. Obwohl sie nicht mehr daran
dachte, daß der Marquis mit dem Morde ihres
Onkels in irgend einer Verbindung stand, fühlte
sie doch, daß, wollte sie ihre Ausgabe beginnen und
mit Erfolg zu Ende führen, sie ihn doch durchaus
kennen lernen mußte, wie auch sein Leben und
seinen Charakter.
„Ich will jeden der Zeugen gegen meinen
Vater erforschen, einen nach dem andern", dachte
sie, „und mit dem Marquis von Montheron be-
ginnen. Wenn sie mir Alle unschuldig scheinen.

thrils mittelst Nachschlüssels geöffnet und geleert,
theils haben sie die Briefe durch die Einwurfs-
öffnung heransgezogen. Sie haben sich haupt-
sächlich an solche Kasten herangemacht, welche in
der Geschäftsgegend der Stadt liegen und deßhalb
gewöhnlich hoch gefüllt waren. Die Plünde-
rungen sind gewöhnlich an den frühen Abend-
stunden vorgenommen worden, wobei bis 40 und
mehr Briefe gestohlen wurden. Letztere wurden
geöffnet rind wenn der Inhalt keinen Geldeswerth
hatte, der Marken berubt. Diese klebten die Diebe
dann auf diejenigen Briefe, die sie von ihren
Geschäftsherren zur Besorgung erhielten, während
sie das empfangene Portogeld in ihre Taschen
wandern ließen. Fünf der Thäter sind festge-
uommen.
— Wichtig für Gastwirthe. Einzelne Wirthe
haben die Gewohnheit, Abends die Quittungskarten
der wandernden Versicherten in Verwahr zu nehmen.
Es ist dabei wiederholt zu beklagen gewesen, daß
am andern Morgen die Karten vertauscht worden,
sind. Es erwachsen hieraus ganz außerordentliche
Weiterungen und vielfach auch Schädigungen der
Versicherten. Es sind deshalb die Wirthe darauf
aufmerksam gemacht, daß die Quittungskarten
keine Reisepapiere sind, und daß die Abnahme
ganz zwecklos ist. Die Wirthe dürfen die Karten
nicht zurückbehalten, um zu ihrer Zahlung zu
kommen. Würden sie dies doch thun, so müßt?
die Karte von der Polizeibehörde nötigenfalls
mit Gewalt erhoben und der Wirth mit Geld-
strafe bis zu 300 Mark bestraft werden (8 108
lind 148 Ziff. 3 des Jnv.-Versichrgs.-Gcs.)
— G'rav heraus! In der Oststeiermark,
so erzählt die „Ostdeutsche Rundschau", waren
heftige Niederschläge niedergegangen, und die
Neberschwemmung richtete bedeutenden Schaden
an, so daß zu dessen Prüfung sich eines schönen
Tages in einem Dorfe genannter Gegend auch
der Herr Landeshauptmann, Graf W., einfand.
Dieser sandte sofort einen Boten zum Gemeinde-
vorsteher mit dem Befehle, er — fder Gemeinde-
vorsteher habe sich auf der Stelle in das näher
bezeichnete Gasthaus zu verfügen, da Se. Exzel-
lenz ihn zu sprechen wünsche. Der Gemeinde-
vorsteher — .ein Bauer von altem Schrot—warf
sich in seinen Sonntagsstaat und ging eilenden
Fußes dem Gasthause zu. Dort angekommen,
trat der gute Mann sofort auf den Landeshaupt-
mann zu mit den jovialen Worten: „Hob wuhl's
Vergnügen 'n Hrn. Grofen za sprech'n?" — „Nein"
— meinte der Angesprochene, das harmlos drein-
blickende Bäuerlein mit wüthenden Blicken durch-
bohrend und jedes Wort scharf betonend — „Sie
haben nicht das „Vergnügen", den Herrn Grafen
zu sprechen, sondern Sie haben die „Ehre", vor
„Sr. Exzellenz dem Herrn Landeshauptmann"
zu stehen!" — Allein unser Bauer ließ sich nicht
einschüchtern: „Wenn's ka Vergnüg'n ist uachha
is a ka Ehr'! . . . .'mpfehl mi Jhna!" —
Sprach's, drehte sich auf dem Absatz um und
fort war er, die verdutzt dreinblickcnde Exzellenz
allein lassend.
— Neber ein Duell zwischen zwei Militär-
ärzten wird aus Innsbruck berichtetRegierungs-
arzt Dr. Wagner gerieth in Streit mit dem Sa-
nitäts-Oberlieutenant Dr. Teucher, weil dieser an-
geblich den Diener Wagners gemaßregelt hatte.
Dr. Wagner soll beleidigende Worte gebraucht
haben, worauf ihn Teucher forderte. Die Se-
kundanten waren Offiziere. Bei der Feststellung
der Bedingungen intervenirte der Brigadier GM.
Lazich. Vereinbart wurden als Waffen Pistolen,
ferner 20 Schritte Diestanz und 60 Sekunden
Zielzeit, von denen die ersten 15 Sekunden dem
Oberlieutenant Teucher eingeräumt wurde. Nach
7. Sekunden feuerte dieser und die Kugel drang
dem Dr. Wagner durch die Kinnlade und Wirbel-
säule. Wagner stand Noch einige Augenblicke
aufrecht und stürzte dann lautlos zusammen;
nach einer halben Stunde war er todt. Das
Duell hatte in der Reitschule stattgefunden. Dr.
Wagner war 36 Jahre alt und wollte sich an
der Universität Innsbruck als Privatdozent

werde ich nach einer anderen Lösung des Ge-
heimnisses ausschauen. Ich muß deN Mörder
finden, und ich glaube, die Vorsehung wird wich
führen."
Sie überlegte, wie sie sich Zutritt zu Clyffe-
bourne verschaffen könne. Sollte sie in die
Dienste der Lady Wolga, — ibrer Mutter treten
können, ohne sich zu verrathen? Würde sie stark
genug sein, ihres Vaters Mißgeschick und ihre
Pflicht stets vor Augen zu behalten? Beide Fragen
beantwortete sie bejahend. Kein egoistischer Ge-
danke, nicht ihre Liebe zu dem jungen Grafen,
nichts, was es auch sein mochte, sollte sie von
ihrer wichtigen und heiligen Sache abbringen.
„Der geradeste Weg ist vielleicht der beste",
sprach sie zu sich selbst. „Wenn ich zu ihr ginge
und nach Beschäftigung fragte, würde sie mir eine
Stelle in ihrem Hause geben und ich würde Ge-
legenheit finden, den Marquis gründlich kennen
zu lernen. Wenn mich mein Muth nicht verläßt,
will ich Morgen zu ihr gehen. Ich kann :s
thun, ich will es, es gilt meines theuren Vaters
und meine eigene Ehre. Ich will stark sein und
bleiben!"
13. Kapitel.
Ein Schritt vorwärts.
Der Wind wurde kälter mit dem Vorschreitcn
des Abends, weßhalb im Kamin Alera's Zimmer
Feuer angemacht wurde, und diese setzte sich an
dasselbe bald vergraben in dem ungewöhnlich
starken Polster eines Lehnstuhles, das Gesicht im
Schatten, den Kopf an das Kissen gelehnt. Mrs.
Goff erschien, zündete ein Wachslicht an und setzte

habilitiren, wozu zwei Tage vorher das Prost!'
soren-Kollegium seine Zustimmung gegeben hatsi
— Ein glücklicher Fischer. Aus dem KaM
von Saint-Denis (Frankreich) hat in diesen Tagck
der Schleusenwärter einen Schatz herausgefischt'
Es war dem Beamten ein ziemlich umfangreiche?
Packet aufgefallen, das im Wasser des Kanal?
schwamm, und es gelang ihm nicht ohne Mühe
es an'S Land zu bringen. Bei der Eröffnunj
stellte es sich heraus, daß der Inhalt in einen:
dicken Bündel Werthpapiere bestand. Es waren
178 Eisenbahn-Obligationen im Gesammtwerthe voN
110 000 Francs, die da herrenlos auf dem Kanal
herangetrieben waren. Es handelt sich ohne Zweifel
um die Beute eines Diebstahls, die der unredliche
Besitzer sich nicht zu chehalten getraute.
—> Verhungert. Eine nach Quebeck gelangte,
angebliche authentische Meldung sagt, in Nord-
Labrador seien infolge der dort herrschenden kolost
salen Not 200 Indianer verhungert.
— Stierkümpfe in Spanien. Wie madrider
Blätter berichten, haben in der Spielzeit des Jahres
1893 260 Stiergefechte stattgefunden, av
venen die bekannten Torsos theilnahmen, und 320,
an denen jüngere Espada-Novizen, mitwirkten. Jv
Portugal fanden 18, und in Frankreich 19 Gefechte,
also im Ganzen 617 Tödtungen von Stieren statt.
Die meisten Kämpfe zählt Madrid, nämlich 25;;
dann folgen Valencia mit 13, Sevilla mit 10,
Valladolid mit 7. Im Ganzen fielen diesen Ge-
fechten 1578 Stiere zum Opfer, davon starben 26,
ohne den letzten Espadastreich erhalten zu haben.
Von den berühmten Toreros arbeitete Guerrita am
häufigsten und erfolgreichsten: er nahm an nicht
weniger als 78 „oorriäus" Teil; ihm am nächsten
kam Mazzantini mit 56 Gefechten. Welche Summen
diese Gefechte verschlingen, geht daraus hervor, daß
Guerrita für seine 78 Vorstellungen 234 000 Pesatas
an seine Mitarbeiter zablte.
Lokale Mittherlungen
aus Stadt und Amt Heidelberg.
Heidelberg, 28. Dezember.
* Auszeichnung. Der Geh. Hofrath Professor
Dr. Erdmannsdörsfer hier, von dessen klassischem
Werke: „Deutsche Geschichte vom westfälischen Frieden
bis zum Regierungsantritte Friedrichs des Großen" in
diesen Tagen die Schlußlieferung erschienen ist, wurde
eitens der König!. Schwedischen Gesellschaft der
Wissenschaften zu Upsala durch Ernennung zum
ordentlichen Mitglieds ausgezeichnet.
* Unterschlagung. Ein Unterhändler, der für
einen Schweineverkäufer zwei Schweine verkaufte und
von dem Erlös 18 bis 20 Mark für sich verwendete,
gelangte wegen Unterschlagung zu polizeilicher Anzeige.
* Diebstahl. Ein Dienstmädchen das in einer
hiesigen Wirthschaft einer Zimmergenossin eine goldene
Uhr nebst Brosche entwendete, wnrde in Untersuchung
gezogen. Die Gegenstände sind sämmtlich wieder bei-
gebracht worden.
* Polizeiliches. In verwichener Nacht wnrde
hier ein obdachloses Individuum wegen Bettels und
Landstreicherei zur Haft gebracht, deßgleichen ein junger
Mann ans Schlierbach, der daselbst Ruhestörungen und
Thätlichkeiten verübt hatte.
* Heiligkreuzsteinach, 28. Dez. Den Gemein-
den, welche eine Apotheke hier wünschen , sind nun
zwei weitere beigetreten, Flockenbach und Stein-
klingen, so daß hinter der Kommission, welche die
nöthigen Schritte zn thnn bezw. gethan hat, nahezu
6000 "Menschen stehen. Das Verlangen ist ein sehr be-
gründetes. Sümmtlichs interesstrten Ortschaften haben
dann nicht mehr als eine Stunde zu gehen, Schönau
inbegriffen.^ __
Aus derr GerichtMlen.
Schöffengericht Heidelberg.
Verhandlungen vom 28- Dezember.
Gottfried Philipp Leb, Fabrikarbeiter zu Mücken-
loch, wird wegen Landstreicherei und Bettels zu 3 Wochen
Haft und Ueberwcisnng an die Landespolizeibehörde ver-
nrtheilt, Susanna Herrmann von St- Ingbert wegen
Landstreicherei und Thätlichkeiten zu 14 Tagen Haft,
Christian Wilhelm Sander von Leipzig-Neustadt wegen
Diebstahls und Unterschlagung zn 14 Tagen Haft.
Konrad Friedrich Schwarz, Taglölmcr zu Heidelberg,
erhielt wegen Körperverletzung, Widerstands, Sach-
beschädigung, Ruhestörung und Thätlichkeiten 4 Wochen
Gefängniß und 2 Wochen Haft, Mathias Hupfer,
Schlosser von Altdorf, wegen Diellstahls 1 Woche und
Helene Hock, Dienstmagd dahier, wegen desselben Ver-
gehens 3 Wochen Gefängniß.
es auf den Tisch hinter ihre Herrin, worauf sie
sich geräuschlos entfernen wollte, doch Alera's lieb-
liche Stimme hielt sie zurück.
„Kommen Sie und setzen Sie sich ein wenig
zu mir", sagte sie. „Ich fühle mich diesen Abend
so einsanz^ Erzählen Sie mir etwas Hm Mont
Heron."
Sich sehr geschmeichelt fühlend, rückte Mrs.
Goff einen Stuhl in die Ecke am Kamin, und sich
niedersetzend sagte sie:
„Es gibt nicht viel von hier zu erzählen,
Miß, was sür Sie Interesse baden könnte. Die
Geschichte von dem zu Mont Heron ist veraltert,
und Sie haben sie gewiß schon gehört."
„Ich habe davon gehört", antwortete Alexa
ernst, „aber Sie erzählen Sie vielleicht ganz
anders, und ich möchte sie wohl aus Ihrem
Munde hören."
„Wenn sie es wünschen, will ich sie gern er-
zählen", sagte Mrs. Goff, „und ich glaube, daß
ich sie anders erzählen kann, als Sie sie gehört
kaben mögen, denn ich diente damals im Schlosse
und kenne alle Umstände sehr genau. Ich bin
auch als Zeugin vor Gericht vernommen und kenne
die Geschichte besser als Diejenigen, welche sie nur
in den Zeitungen gelesen haben. Ich war früher
Kammermädchen der Marquise von Montheron,
der Mutter des ermordeten Marquis und Des-
jenigen, welcher des Mordes schuldig befunden wurde,
und später, zur Zeit des Mordes, war ich Haus-
mädchen."
Alexa nickte leicht mit dem Kopfe, zum Zeichen,
daß sie mit Interesse zuhöre.
Mrs. Goff entwarf ein Bild von der Unter-
 
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