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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 26-39 (März 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0148

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Nachrichten uͤber Kunſt,

Leben und Wiſſenſchaft.

—— — — —— — ————— ————————— — —————8

Korreſpondenz⸗Nachrichten.

dainz,/ den 29. Februar, 1824.
Den 27. Januar „Die Sonnenjungfrau“, von Kotzebue.
Den 28. „Rolla's Tod“, von Kotzebue.
Den 27. „Der neue Guthsherr“, Komiſche Oper; Muſik v. Boyel-
dien. Vorher: „Der leichtſinnige Lügner“, von Schmidt.
Den 31. „Der Bräutigam aus Mexiko“, von Clauren.
Den 1. Februar. „Der Freiſchütz“; Muſik von Weber.
Den 3. „Die falſche Catalani“, von Bäuerle.
Eine dringende Reiſe verhinderte Ref. dieſen Darſtellungen beizuwohnen.
Den 5. Febr. „Fluch und Segen“, Drama in 2 Akten, von E. von
Houwald. Herr und Frau Cornelius, Günther und Margarethe,
exellirten in dieſen Fächern; ſie machten durch das trefflichſte Spiel
ſelbſt die Täuſchung zur Wahrheit. An Fräulein Poſer, Sophie, ver-
mißten wir das warme zum Herzen ſprechende Gefühl; ſie war kalt
und monoton; ſogar nachläßig in Bewegung und Mienenſpiel.
Auguſte Neynaber ſcheint noch zu ſehr Kind, zu arm an phyſiſcher
Kraft zu ſeyn, um uns das rührende Opfer der Kindestreue, den
liebevollen Knaben Moritz gehörig zu verhnnlichen. Der Juſtizamt-
mann Braun, Hr. Mayer, befriedigte. Sebaldo, Hr. Hartig, leiſtete
was man von ihm erwarten darf.
Hierauf: „Die unterbrochene Whiſtpartie, oder: der Strohmann“,
Luſtſpiel in 2·Akten, von C. Schall. In dieſer Vorſtellung heben wir
vor allen Frau Viktor. Müller, Gräfin Klausner, Herrn Cornelius,
Baron Scarabäus, und Hr. Hartig, Baron Bern, auszeichnend heraus.
Emilie, Frau Kaufmann, Frau von Trümmer, Frau Cornelius, und
v. Zunder, Herr Müller, trugen das ihrige zur gefälligen Rundung
des Ganzen bei.
Den 7. „Der Brief aus Cadix“, Drama in 3 Autzügen, von
Kotzebue. Herr Cornelius, Frau Kaͤufmann und Herr Hartig, Juſtiz-
rath Murvall Amalia und Leovold, gaͤben höchſt ausgezeichnete Lei-
ſtungen. Herr Mayer würde den Bürgermeiſter gut gegeben haben,
wäre ihm ſein Gedächtniß treuer geweſen. Herr Herbold, Magiſter
Milde, iſt im Schauſpiel eben ſo willkommen als in der Oper. Der
Polizeidirektor ward von Herrn Müller untadelhaft gegeben. Herr
Seidler gab den alten Chriſtian recht wacker; die beiden Knaben,
Fräulein Poſer und Auguſte Neynaber, waren gut.
Vorher ward: „Der Spiegel“, Luſtſpiel in e1 Akt, von Kotzebue,
wiederholt.
Vor dieſem: „Die Beichte“, Luſtſpiel in 1 Akt, von Kotzebue
Herr Haake und Frau Viktor. Müller, ſpielten ſo im Einklang tref-
lich, daß Ref. es nicht wagt zu entſcheiden, wer von beiden vor dem
Andern auch nur den mindeſten Vorzug voraus habe.
Den 8. „Die Teufelsmühle am Wienerberge“, Volksmärchen mit
Geſang in 4 Auſzügen; Muſik vom Kapellmeiſter W. Möller. Dieſe
Oper, in welcher aller Unſinn der längſt begrabenen Ritterzeit freien
Spielraum hat, fängt allmälig an immer mehr von ihrer alten An-
ziehungskraft zu vertieren. Wir erwähnen heute nur Herrn Freund,
Käsperle, welcher als gemeiner Komiker den Charakter ſeiner Rolle be-
hauptete, und der Fränlein Poſer, welche in der Rolle des Schutz-
geiſtes alles leiſtete, was man von ihr nur immer zu fordern berechtigt iſt.
Den 11. „Die Ahnfrau“, Trauerſpiel in 5 Aufzügen, von Grill-
parzer. Herr Cornelius, Borotin, und Fräulein Vohs, Bertha, leiſte-
ten was man nur immer aus ſolchen Rollen machen kann. Herr
Haake gab als Jaromir eine ausgezeichnete Kunſtleiſtung. Mimik
und Vortrag waren immer im Einklang des Charakters, ſein Spiel
dur chdacht und in jeder Hinſicht trefflich zu nennen. Herr Mayer,
Voleslaw, war mit Ausdruck, Geſtus und Deklamation ſehr karg; er
ſchien mit Sehnſucht nach der Schlafmütze zu verlangen. Herr Müller
gab den Kaſtellan Günther ſo gut es die Rolle mit ſich brachte.
(Fortſetzung folgt.)

Das Frankfurter Quodlibet.

(Fortſetzung.)

Dann habe er vermuthlich, entgegnete ihm ein Freund, — ein geiſt-
liches Stück zur Aufführung in der Kirche geſchrieben, denn wiſſen
müſſe er doch wohl, daß man in der Kunſtwelt nur — äſthetiſchen
Glauben habe — ? Herr N. N. verſezte: Er habe blos der moraliſch-
äſthetiſchen Schickſals⸗Ordnung, in ſeiner Bearbeitung eine höhere
Geſtaltung gegeben; oder ſie vielmehr, wie jede andere gemeine, als
faktiſch wirkend anerkannt. — Nach ſeiner Bearbeitung ſey Hugo ein
Sohn des Grafen von Oerindur und der Gattin des Don Valeros
und Otto — Hugo's und Elvirens Sohn, von Dieſer und Jenem, kurz
vor ihrer Vermählung mit Karlos, erzeugt und empfangen. Don
Valeros folglich nicht Hugo's Vater, Otto nur ſein Enkel aus der

zweiten Hand, und Jerta, Hugo's Halbſchweſter. — Man fand dieſe

Verketzerung unhaltbar; aber der Bearbeiter ließ ſich nicht irre
machen; bemerkte nur, daß er ſeinem Trauerſpiel, nach dieſer theatra-
liſchen Anordnung, den ganzen Müllneriſchen Faden gelaſſen und da-
durch eine der erſchütterndſten Kataſtrophen herbeigeführt habe; denn
Elvire werde am Ende durch ein paar Strophen eines Liedes, von
Offtzialen der H. Hermandad geſungen, die mit Don Valeros, und
einem Sukkurs Hültstruppen — von Karl dem Fünften Chriſtiern
zugeſendet — nach Norwegen gekommen — ſo außer ſich geſezt, daß ſie
erſt ihren Sohn Otto, dann ſich ſelbſt ermorde; Hugo aber durch den-
ſelben richtenden Zufall falle, der, durch ſein Vergehen, den Tod
des Don Karlos herbeigeführt habe. Eine Entdeckung entwickele ſich
aus der andern; ein Irthum aus dem andern; die Wahrheit dringe
durch alle Verwirrung hindurch; wie auf den Blitz der Schlag; ſo
folge ſein Vers dem Mülinerſchen und es füge ſich alles ſo genau
zuſammen, daß man eigentlich nicht wiſſe, ob er dem Original-Dichter
oder dieſer ihm vorgearbeitet habe. — — Der Verfaſſer wird doch,
wie ſich von ſelbſt verſteht, ächt ſpaniſch, H. Inquiſition über Religion
ſchlechtweg geſezt haben? — Nein! er hat es als ein ächter Teutſcher
nicht gethan, er hat die Lehre eines göttlichen Schickſals, im Menſchen-
leben, an die leichteſten Fäden des ſogenannten tragifchen Zufalls
geknüpft; und Hugo geht nicht unter in richtender Eigen⸗ ſondern in
waltender Schickſalsmacht; man ſuche ſie nun in der Bibel oder im
Koran oder in der Edda auf — gleichviel! — Den tragiſchen Faden
hat er mit den hiſtoriſchen Ereigniſſen der damaligen Zeit, verbun-
den, und in einem Schauſpiel: „Jerta, Gräfin v. Oerindur“, Chriſtierns
Schickſal mit verflochten. Ich erinnere mich eines Aufſatzes in Schillers
„Horen“, worinnen, hiſtoriſcher Wahrheit, Glaubwürdigkeit und Ein-
flechtung als mehr oder weniger Beſtandtheil eines dramatiſchen oder
epiſchen Gedichtes, alles Verdienſt abgeſprochen wird; daß guch das
Publikum jede rein poetiſche Erſcheinung als Ideal, aufgefaßter Wirk-
lichkeit vorzöge. — Mag es dieſes thun; Pope's Wahlſpruch: Nur der
Menſch iſt des Menſchen würdigſtes Studium! — ſchließt die Wirk-
lichkeit nicht aus; und hält ſich das gemeine Leben der Menſchen, mit
allen ſeinen Unarten, auf der Bühne, warum ſollte das höhere,
immer aus der Luft und phantaſtiſcher Lügenhartigkeit gegriffen, mehr
Werth haben als reine edle Menſchen-Darſtellung —? Goethe ſelbſt
will den Teufel nicht als Aeſthetiker betrachtet wiſſen — und was
nüzt poetiſche Ueberkleiſterung, der Hausherr weiß doch wo's... —
nun ſo laſſen Sie den Verfaſſer ihrer zweiten Schuld bald heraus-
rücken. — Es wird nicht ſo bald geſchehen; ihn feſſeln Umſtände, die
eines Protektors bedürfen, der kein — Konrektor, ſondern ein Rektor
ſpiritus iſt. — Dieſes Trauerſpiel wurde ſchon im Jahr 1821 geſchrie-
ben und der Verfaſſer fühlt keine Luſt, mit ihm zuerſt im Publikum
zu erſcheinen. — Gut! ſo überlaſſen Sie es mir, wir wollen ſehen
was damit anzufangen iſt.
(Fortſetzung folgt.)

Verleger: Karl Groos,

Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg. —

Druckerei von F. Kaufmanns Witwe,
 
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