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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 26-39 (März 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0151

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frau aus dem Stamme geopfert werden ſollte.

zu geben.“ Das iſt der Sinn eben fenes Ausſpruchs. Ein
Beiſpiel ſoll der Königsſtamm geben, wie ſtark in ihm die ö

Darauf gebietet er die Loſung, welche Jung-
Ein Greis
zieht das Loos ſeiner Tochter, verhullt ſich, und geht.
Während der Zubereitungen zum Opfer entflieht der Greis
mit ſeiner Tochter, unterſtuͤtzht durch Antandros, welcher
auch. ſeine Geliebte, obwohl vergeblich, zur Flucht zu be-
reden ſucht. Ehre, Vaterlandsliebe, verbieten es der ſtaͤr⸗
kern Seele maͤchtig. — Als nun Alle zum Empfang des
Opfers ſich verſammelt haben, verkuͤndet Antandros die
Flucht der beiden, und ſucht wieder dem Spruch des Ora-
kels entgegen zu arbeiten. Nun fuͤhlt Ariſtodem den gan-
zen Stamm beſchimpft durch das allgemeine Zagen; es be-
feſtigt in ihm den Entſchluß das Opfer zu vollziehen.
ö Gehorſam gegen die Götter, welche nur in dieſem Opfer
allein die Rettung ſenden wollen, iſt bis jetzt noch allein
die Triebfeder. Doch nicht will er, daß ſeine Tochter den

Liebe wohne.

ſchoͤnen Tod gezwungen ſterbe, ſondern er befragt ſie

erſt: ob füͤrs Vaterland ſterben ſchoͤn ſey? Sie antwortet
feurig:

a ſchön iſt dieſer Tod, und werth, von Gottern
Im heißeſten Gebet erfleht zu ſeyn!

Darauf tritt Antandros herzu und ſchwoͤrt: ſie ſey mit ihm

heimlich vermaͤhlt. — Die Geſchichte hat hier eine Haͤrte,

welche der Zuͤchtigkeit der neuern Tragoͤdie nicht zuſagte.
— Ariſtodem, der die Unſchuld ſeiner Tochter zerſtoͤrt, und
ſo heimlich ſein Geſchlecht beſchimpft glaubt, fragt Eupa-
tris, ob ſie noch reine Jungfrau ſey — und da ſie dies
mit zurückgezognem Schleier vor dem Angeſichte des Him-
mels betheuert, erſticht er ſie mit dem ſchmerzlichen Rufe:
„O meine Tochter — Lebewohl! Verzeihe mir.“ — Man
ſieht aus allem Angeführten, daß Ariſtodemos in aufgereg-
tem Gefuͤhle handelt, jaͤh, vorſchnell; wie ein Odipus, der
zu den Charakteren gehoͤrt, die wie Sophokles ſagt, ſich
ſelbſt das meiſte Wehe bereiteten, indem er den rechten
Augenblick zu ergreifen gedenkt, wo ſeine Tochter noch
nichts von ihrer Reinheit verloren hat.
In der Geſchichte gebietet er noch die Unterſuchung der
Todten. — Gleich darauf erfolgen Thraͤnen und das Va-
terherz blutet. Doch halt ihn ein hoͤherer Sinn in den
folgenden Momenten immer aufrecht und als auch die
Orakel ſich gegen Meſſene erklaͤren und alſo taͤuſchend er-
ſcheinen, ſtirbt er muthig auf der Vatererde, nebſt Antan-
dros. Dieſes alles iſt rein geſchichtlich, und von mir auch
ſo aufgefaßt worden. — Aus dieſer kurzen Darſtellung des
Ganzen wird man nun urtheilen koͤnnen, ob meine Herrn
Recenſenten, (ſtreitigen Namens) oder ich ſelbſt über mich
ſelbſt am gerechteſten und gründlichſten geurtheilt haben.
Mainz, den 3. Maͤrz., 1824.
Iſisblätter.
1.
Gott iſt Geiſt der Natur, und lebt in und mit derſelben.
Wie koͤnnte ich ihn daher beſſer preiſen und ihm danken

*

und gehorſam ſeyn als wenn ich forſche in der Natur? 2—

Nur in der Erkenntniß durch meine Sinne finde ich un-

umſtoͤßlichen Grund; drum iſt das Wren nach ihr der
beſte Gottesdienſt. —
2.
Plotin nennt drei Wege, auf denen man zu⸗ Gott gelangen
koͤnne: die Muſik, die Liebe und die Dialektik, oder Me-
taphyſik, als den erſten Theil der Philoſophie. — Die bei-
den erſten Wege gebe ich zu; der dritte aher iſt, meiner
Weinng nach ein unzugaͤnglicher Pfad durch öͤde Steppen.
3.
Ja! es gibt einen himmliſchen Grundton für unſer
Leben. Wer dieſen in ſich gefunden und erkannt — nenne
er ihn nun Gemüth, oder Klarheit, oder Natur-
ſinn, oder Dichterſehnen — der ſtrebt nach der wah-
ren Frühlingswonne. Er wird das Schoͤne uͤberall umfaſ-
ſen; ihm wird Himmel und Erde und der Quell und die
Blume bedeutend und verwandt ſeyn! ja ſelbſt in dunkeln
Naͤchten, im zertrummernden Sturm, wird ſein ewiger
Stern lacheln. Raſtlos wird er die Wunder der Schöpfung
erforſchen, und, wie Jakob dort mit Gott, ſo mit der
Natur ringen, bis ſie ihn in ihr Heiligthum einfuͤhrt. Im
wirklichen Leben wird er ſelbſtſtaͤndig und kuͤhn ſich geſtal-
ten; er wird frei bleiben von hirnloſem Nebeln und Schwe-
beln, wie von metaphyſiſcher Duͤrre und von graſſer Mode-
Sucht; Beſonnenheit und Genialitaͤt wird ihn auszeichnen.
Sich ſelbſt wird er pruͤfen und in die wunderſamſten Tie-
fen ſeines Geiſtes ſich verſenken, und ſo muß er überall
ſeinen Lenz entfalten, und, ob Alles in ſchnoͤdem Wechſel
ſich abringt und vernichtet, er iſt über alles endliche und
verderbende Spiel erhaben. —

a.
Wir endliche Menſchen haben eine beſtimmte Grenze unſe-
res Erkennens. Sey ſie nun von einem hoͤheren Weſen
gezogen, oder beſtehe ſie nach einem ewigen Naturgeſetz,
genug ſie iſt da. Dieſe Grenze faͤngt an, wo die ſinnliche
Anſchauung aufhoͤrt. Die Natur alſo iſt die ewige Quelle
alles Wiſſens und alles Lebens. Ich fuͤhle mich als denken-
des Weſen in dem großen Ganzen. Ich darf mich der Na-
tur freuen, und wirken ſoll ich in meinem Kreiſe. Wer
das Gute ausuͤbt, durch Lohn oder Strafe angeregt, iſt
entweder ein Heuchler oder ein Thor. Freiheit des Wil-
lens habe ich, und meine Tugend ſoll mein Werk ſeyn.
(Fortſetzung folgt.)

—*—————— ———————————————— ——16di6̃ę 2—.—

19.
Fragſt du, wem der Geitzige gleicht? Er gleichet dem Weibe,
Das mit Wonne empfaͤngt/ aber mit Jammer gebiert.

20.
Manche Schriftſteller gleichen dem Kukuk, der, wenn er
ö den Schnabel
Degffnet, den Namen von ſich preiſend und preiſend aus-
ruft.
E. Ch. Eecar d.
 
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