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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (4) — 1824

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No 144-157 (Dezember 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22120#0613

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in die andere, die ſchicklichſten Bewegungen zum Vorſcheine
kommen, ſo iſt der Natur ihre Granze zu beſtimmen. Was
könnte ſich ein dummdreiſter Schauſpieler nicht alles in
Raſerei und Wahnſinn erlauben, wenn nicht Geſchmack
und Sitte ihn füͤr Unverſchaͤmtheiten an den Pranger
ſtellten?“

Von der andern Rubrik: „Merkwürdigkeiten oder Memo-
rabilien der damaligen Zeit“ nur einige Proben.

Von Schiller waren zu jener Zeit ſchon die Raͤuber und
Fiesko erſchienen. Die beſten Koͤpfe waren noch geblendet
von der ungewöhnlichen Erſcheinung eines Genie's, welches

in unſerm Deutſchland damals ſich eine neue Bahn brach. ö

Hier das Urtheil über Fiesko, welches Iffland gegen Ende
des Jahres 1782 in das Protokoll des dramatiſchen Aus-
ſchuſſes niederlegte:

„Der Verfaſſer der Raͤuber hat in ſeinem Fiesco mehr
als jemals Shakſpeare's Fehler nachgeahmt. Das Stück
hat indeſſen auch Schönheiten, die allerdings des Verfaſ-
ſers würdig ſind. Allein das Sujet ſelbſt iſt nicht theatra-
liſch, und die Charaktere auf zu feine Schrauben geſetzt.
Das angebrachte Spektakel folgt nicht aus der Sache, iſt
fur das Theater ſehr beunruhigend, fuͤr das Auge nicht
unterhaltend genug, und zieht gleichwohl des Zuſchauers Auf-
merkſamkeit von der Hauptſache ab. Ohne mich in das
Detail einzulaſſen, will ich ſagen, der Dichter läßt ſeine
Perſonen ſelbſt zuviel von ihrem Charakter reden. Es
mißfaͤllt mir, daß Graͤſin Julia Imperiali gemein iſt, wo
ſie ſtolz ſeyn will. Sie prahlt mit ihren Kleidern und
Schmuck gegen die Graͤfin von Lavagna, deren Reichthum
im Stücke ſelbſt dem Reichthum der Doria an die Seite
geſetzt wird. — Auch daͤucht mich, daß Fiesco, dem die
Herzen, das Vermoͤgen und die Waffen aller Republikaner
zu Gebote ſtanden, daß dieſer den langſamen Weg des
ſchleichenden Betrugs in dem Alter, wo Muth und Stolz
ſo fuͤrchterlich gegen Unterdruͤckung gaͤhren, nicht gewaͤhlt
haben wuͤrde. Bis in den dritten Akt iſt der eifrige Re-
publikaner voll Subtilitäͤten gegen feſte Maͤnner, bald dar-
auf entſchließt er ſich Tirann zu werden. Die Szenen mit
dem Mohren ſind durchaus zu lang. In einer derſelben
geht Fiesco ſo mit dem Gelde um, wie ein armer Mann,
der unvermuthet das beſte Loos gewinnt. — Die Plünde-
rung des Leichnams von einem ſanften Frauenzimmer iſt
widrig. Der Senatoren ſind ſo viele, daß es faſt jedem
Theater unmoͤglich fallen muß, ſie ohne Laͤcherlichkeiten zu
beſetzen. Die Sprache iſt aus allen Jahrhunderten zuſam-
mengenommen.

Aber aller dieſer Fehler ungeachtet, wie viele Stücke
haben wir, welche ſolche Szenen enthalten, wie dieſe ſind,
wo Verina ſeine Tochter entehrt findet, wo das Volk zu
Fiesco eindringt und dann Fiesco's Monolog 7wo Doria
mit ſeinem Neffen ſpricht, wo der Mohr den Fiesco er-
ſtechen will? der ganze Mohr uͤberhaupt?

Iſt es alſo nicht eine ehrenvolle Verbindlichkeit, durch
jede moͤgliche Unterſtüͤtzung den billigen Erwartungen eines
ſolchen Mannes zu entſprechen? der ungeachtet ſeiner ein-
zigen Verdienſte die angegebenen Fehler zu aͤndern ſich
willig erboten hat? der, wie bei Abaͤnderungen der Raͤu⸗
ber, vielleicht neue Schönheiten hinzugethan, und durch die
Unannehmlichkeit ſolcher Abaͤnderungen das fleißiger ſtu-
diert haͤtte, was auf der Buͤhne Wirkung thut? — — —
Die nicht glücklichen Umſtaͤnde des Verfaſſers verdienen
von jeder Bühne für ſein Werk wenigſtens den Preis,
welchen man mittelmaͤßigen Originalien, oder gewoͤhnli-
chen Umarbeitungen alltaͤglicher Stücke, aus Mangel der
brauchbarern, zuzuerkennen, ſich oft genoͤthigt ſieht . ..

(Schluß folgt.)

22——— — —— — — ——8— ———— — ———

Beiträge zur inneren Kenntniß von Amerika.

(Fortſetzun g.)
8. Die Provinz Texas.

Die Provinz Texas iſt ſeit einiger Zeit durch Verſuche
merkwürdig geworden, welche Abentheurer von allen Na-
tionen gemacht haben, um ſelbige in Beſitz zu nehmen, und
dort einen unabhaͤngigen Staat zu bilden. Die Provinz
Texas graͤnzt an den Golf von Mexiko, und dehnt ſich laͤngs
der Kuüͤſte von dem Strome Sabine an bis zu 700 Ameri-
kaniſchen Meilen aus. Die Breite läßt ſich leicht auf Me-
lish's Karte entdecken. Die Kuͤſte, ſoweit ich inꝰs Land
gedrungen bin, ungefaͤhr 100 Meilen von dem Rio del
Norte, iſt eigentlich ein flaches Land, und mir wurde ver-
ſichert, daß es bis zu jenem Strome von gleicher Beſchaf-
fenheit ſey. Es iſt zwar auch unebnes Land vorhanden,
welches aber nie ſo ſehr ſteigt, daß es nicht mehr vortheil-
haft angebaut werden koͤnnte. Der Boden iſt ſo gut als
ich ihn irgend wo geſehen habe, ſelbſt den am Ohio, Miſ-
ſiſippi und Miſſouri nicht ausgenommen: das Klima iſt
hauptſaͤchlich zum Anbau von Zucker und Baumwolle geeignet.
Nachdem man ungefaͤhr 150 Meilen gegen die Berge zu-
gereiſt iſt, findet man das Land gebrochener und hüglicht,
an einigen Stellen kommen auch kahle Felſenreihen zu
Tage. Doch iſt dieſer Theil des Landes ſehr ſchicklich
zum Getreide- und beſonders zum Grasanbau. An man-
chen Orten findet man Salz in Ueberfluß, darum iſt es
vorzüͤglich fuͤr die Viehzucht geeignet, da das Vieh Som-
mer und Winter ohne Stallfütterung fett werden kann.
Wenn man die Provinz Texas uüberhaupt nimmt, ſo iſt ſie
gewiß einer der ſchoͤnſten Theile Amerika's, ſie iſt zu jeder
Art von Kultur geeignet. Am St. Antonioſtrome wird
das ſchoͤnſte Zuckerrohr und Baumwolle gebaut, Waitzen,
Korn und Mais, gedeiht in uͤppigem Wachsthum, die mei-
ſten Arten der Südfruͤchte könnten im Winter ausdedern,
denn er iſt ſo außerordentlich gelinde, daß es ein unerhörter
Fall iſt, wenn das Waſſer zu einer Dicke von einem hal-
ben Zoll gefriert. —
 
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