Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers (5.1913)

DIE GEMÄLDESAMMLUNG B. LIPPERT IN MAGDEBURG


Rbb. 2. J.SPERL, Leibis Garten

Sammelwefen längst nicht mehr auf einige bevorzugte Gefellfchaftsklaffen, Sondern es
ift wie über Nacht zu einem wichtigen Gradmeffer unferer Kultur überhaupt geworden. Ähn-
lich den neuen Mufeen, die als ein Zeichen erftarkten Gemeinwesens immer zahlreicher
aus dem Boden wachfen und [ich dem Typ jener alten, aus fürftlichem Befitz hervor-
gegangenen Galerien gegenüberftellen, ähnlich find auch neben die Privatfammiungen
fürfthchen oder zum mindeften adeligen Gepräges mit alter Tradition heute die Galerien
reicher Bürger, amerikanifcher Millionäre, ja fogar Spekulativer Kunftfreunde getreten,
bei denen die Leidenfchaft des Sammelns nicht unabhängig von dem Gedanken an
die Kurssteigerung der Kunftwerke ift. Wollte man aber behaupten, daß mit diefer
grundfäl$hchen Verfchiebung in den Zielen und Aufgaben des Sammelwefens auch die
Kultur unferer Zeit eine Einbuße erfahren habe, fo verfteht man nur wenig von dem
wahren Geift und dem Starken Wollen unferes Sozialen Zeitalters.
Bei einem genauen Vergleich, den man hier und dort mit Leichtigkeit anftellen
kann, fällt übrigens auf, daß die Mufeen, deren Entftehung jüngeren Datums ift, an
inneren Werten durchaus nicht hinter den Galerien mit langem Lebensalter zurückzu-
ftehen brauchen, fofern fie beizeiten ihrer Aufgabe Herr wurden und ihre Kräfte zu
konzentrieren verbanden haben; und mehr noch als diefe Mufeen, in denen [ich die
ftädtifche Kultur und der bürgerliche Gemeinfinn jenen befonderen Ausdruck geformt
haben, erfcheinen die privaten Sammlungen als die hervorragenden Merkmale eines

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